Türkeistämmige in Deutschland:Warum die Einbürgerung meist spät erfolgt
von Michael Kniess
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Mehr als 24 Jahre dauert es im Schnitt, bis Türken in Deutschland eingebürgert werden. Bei Menschen aus anderen Ländern geht das oft schneller.
Deutscher und türkischer Pass: viele hier lebende Türken sehen persönliche Nachteile durch eine Einbürgerung und entscheiden sich erst spät.
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6,4 Jahre dauert es durchschnittlich, bis syrische Staatsangehörige in Deutschland eingebürgert werden. Bei Türkinnen und Türken sind es laut Statistischem Bundesamt gewöhnlich 24,2 Jahre. Aus Sicht des Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) spielt für diese enorme zeitliche Schere der Rückkehrgedanke eine entscheidende Rolle.
"Bei geflüchteten Menschen aus Syrien ist eine Heimkehr in den allermeisten Fällen keine Option. Viele Türkinnen und Türken spielen dagegen länger mit den Gedanken, im Alter vielleicht wieder in die Türkei zurückzugehen. Sie beantragen die deutsche Staatsbürgerschaft erst, wenn sie sich entschlossen haben, definitiv ein Leben lang hier zu bleiben", erklärt Gökay Sofuoğlu.
Passabgabe führt zu Problemen
Anders als bei den meisten geflüchteten Menschen sowie Bürgerinnen und Bürgern aus EU-Staaten bedeutet dieser Schritt für Türkinnen und Türken im Regelfall, den Pass ihres Heimatlandes abgeben zu müssen. In der Forschung gilt das als ein wesentliches Einbürgerungshemmnis. Zum Vergleich: 2022 konnte bei fast Dreiviertel aller Einbürgerungen die bisherige Staatsangehörigkeit beibehalten werden. Bei Türkinnen und Türken lag die "Beibehaltungsquote" bei gerade einmal 7,5 Prozent.
Der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit habe gerade in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen geführt, so Sofuoğlu. Die Folgen: Kein Recht mehr wählen zu dürfen und Schwierigkeiten eine Erbschaft anzutreten, ein Grundstück zu erwerben oder gar in der Türkei bestattet zu werden. Aber:
Dadurch überwiegen für viele die Vorteile, etwa mehr Reisefreiheit durch den deutschen Pass oder die Möglichkeit, eine Beamtenposition hierzulande übernehmen zu können.
Geringe Anreize, keine Dringlichkeit
"Diejenigen, die sich nach rund 24 Jahren mit durchschnittlich 32 Jahren für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden, sind meist entweder hierzulande geboren oder als Kind nach Deutschland gekommen und erkennen natürlich als junge Erwachsene genau diese Vorteile für sich", unterstreicht die Soziologin Susanne Worbs.
Hinzu kommt für die Forscherin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Phänomen, das von Fluchtbewegungen generell bekannt ist: "Während geflüchtete Menschen sich vor allem möglichst rasch einbürgern lassen wollen, um an einen Pass und einen sicheren Aufenthaltsstatus zu kommen, entfällt diese Dringlichkeit für Türkinnen und Türken."
Auch für Professorin Petra Bendel lässt sich die unterschiedliche Einbürgerungsbereitschaft mit bestimmten Vor- und Nachteilen sowie unterschiedlich ausgeprägten Hürden oder Anreizstrukturen erklären:
Durch das Assoziationsabkommen haben türkische Staatsangehörige beispielsweise das Recht, in den Mitgliedstaaten der EU eine Beschäftigung aufzunehmen. Damit verbunden sind automatisch ein Aufenthaltsrecht und Sonderbestimmungen für Familienangehörige.
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Forscherin: Ausschluss führt zu Demokratiedefizit
In der anstehenden Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts, die künftig den Besitz von zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten gleichzeitig vorsieht, sieht Bendel eine Ermunterung für viele Türkinnen und Türken, die deutsche Staatsangehörigkeit schneller anzunehmen. Für die Migrationsforscherin und Politologin ist es wichtig, das Einwanderungspotenzial hierzulande besser auszuschöpfen:
"Auf Dauer führt es zu einem Demokratiedefizit, wenn eine große gesellschaftliche Gruppe von den politischen Prozessen ausgeschlossen ist, gleichzeitig aber von politischen Entscheidungen direkt beeinflusst wird. Umgekehrt legitimiert sich der Staat durch die Beteiligungsmöglichkeit seiner Bürgerinnen und Bürger."
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