Wie geht es jetzt weiter? Im Fall Aiwanger tagt am Dienstag der Koalitionsausschuss in Bayern. (Archivbild)
Quelle: dpa
Es ist kompliziert. Das galt im Verhältnis zwischen
CSU und Freien Wählern zwar schon immer, aber so vertrackt war die Lage nie. Seit Freitag sind Vorwürfe gegen Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger in der Welt, an denen Markus Söder als bayerischer Regierungschef nicht vorbeikommt.
Die "Süddeutsche Zeitung" glaubte Aiwanger nachgewiesen zu haben, Verfasser und Verteiler eines menschenverachtenden und den Holocaust verhöhnenden Flugblatts aus dem Schuljahr 1987/88 zu sein. Aiwanger war damals 17 Jahre alt.
Aiwanger distanziert sich - jetzt liegt der Ball bei Söder
Nach Aiwangers Distanzierung vom Inhalt des Pamphlets und dem Bekenntnis seines Bruders Helmut, der Verfasser gewesen zu sein, liegt der Ball wieder bei Markus Söder. Der CSU-Chef hatte von Aiwanger Aufklärung eingefordert. Ob dessen Erklärungen der letzten zwei Tage nun ausreichen, um Aiwanger und die Koalition im Amt zu halten, dürfte sich am Dienstag erweisen.
Aiwanger wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe um Antisemitismus zurück: Gleich in der Früh hat Söder seinen Vize zu einem Koalitionsausschuss vorgeladen. Die CSU will wissen, wie glaubhaft die Version ist, dass nicht Aiwanger, sondern sein Bruder der Verfasser des Flugblatts war; warum Exemplare davon in Aiwangers Schultasche gefunden wurden; warum sein Bruder erst so spät als Verfasser ans Licht kam und nicht schon auf mehrfaches Nachfragen der "SZ" vor Veröffentlichung der Recherchen.
Entlassung von Aiwanger wohl Ende der Koalition in Bayern
Nicht nur bei den Freien Wählern, auch in der CSU rumort es gewaltig. Schon nach der umstrittenen Rede Aiwangers in Erding hielten viele CSUler die Festlegung auf die Freien Wähler als künftigen Koalitionspartner für einen Fehler. Die Vorwürfe rund um das antisemitische Flugblatt haben diese Zweifel verstärkt. Doch Söder steckt in einem Dilemma, hat aus seiner Sicht nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Auch SPD-Chefin Esken fordert nach den Antisemitismus-Vorwürfen gegen Aiwanger Konsequenzen:
Entlässt er Aiwanger als Minister, würde die Koalition wohl zerbrechen, die Freien Wähler alle Minister zurückziehen. Söder müsste kurz vor der Wahl eine überzeugende Alternative als Machtoption aufzeigen.
Söder: Grüne, SPD und FDP als Koalitionspartner verteufelt
Grüne, SPD und FDP stünden zwar bereit, wurden von Markus Söder aber über Monate bis auf Blut als Inkarnation alles Schlechten verteufelt: "Wokeness", "Fleischverbot", "Heizungs-Chaos" und "Gender-Gaga" sind die Stichworte für den Kulturkampf, den Söder gegen die Parteien der Ampel geführt hat.
Söder steht vor der schwersten Entscheidung seiner politischen Laufbahn:
Inhaltlich wäre der Weg zu den Grünen nicht weit, menschlich und politisch müsste Söder binnen Wochen Lichtjahre überbrücken. Zudem könnte Aiwanger sich zum Opfer stilisieren und sich durch einen Wahlkampf gegen die CSU stärker von ihr absetzen als bisher möglich.
Fall Aiwanger mischt Karten in Bayerns Wahlkampf neu
Hält Söder an Aiwanger als jetzigem und künftigem Koalitionspartner fest, werden die Fragen und Vorwürfe nicht nur die Freien Wähler in der Schlussphase des Wahlkampfs begleiten, sondern auch zu einer Belastung für die CSU. Gäbe Söder Aiwanger eine Chance sich zu bewähren, müsste sich Söder bis zum
Wahltag am 8. Oktober durch eine ungemütliche Debatte lavieren, die auch der CSU am Ende Stimmen kosten könnte.
Vielleicht steht der CSU-Chef vor der schwierigsten politischen Entscheidung seiner Laufbahn. Sein eisernes Festhalten an Aiwanger als Koalitionspartner rächt sich nun. Die Schicksale von Hubert Aiwanger und Markus Söder sind plötzlich mehr miteinander verwoben, als Söder lieb sein kann. Wie auch immer die Entscheidung Söders ausfällt: In Bayerns bisher recht statischem Wahlkampf werden die Karten neu gemischt.
Am Dienstag soll der Koalitionsausschuss zum Fall Aiwanger tagen:
Die Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger wiegen schwer. Nun hat Bayerns Landeschef Markus Söder seinen Stellvertreter einbestellt. Söder selbst schweigt - zum Missfallen der Opposition.