Wohnungsnot: Warum serielles Bauen die Lösung sein könnte
Interview
Wohnungsmangel in Deutschland:Serielles Bauen - die Lösung?
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Der Wohnungsbedarf in Deutschland nimmt stetig zu, das Wohnungsangebot aber nicht. Serielles Bauen könnte das ändern, sagt Marcus Becker vom Hauptverband Deutsche Bauindustrie.
Serielles Bauen gegen Wohnungsmangel?
Quelle: dpa
ZDFheute: Herr Becker, Sie sind Geschäftsführer bei einem der größten Bauträger Berlins und ein Mann der Praxis. Ihr Unternehmen baut inzwischen nur noch seriell. Auch Kanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz werben für serielles Bauen - kann die Bauweise helfen, die aktuelle Bau- und Wohnraumkrise zu lösen?
Marcus Becker: Serielles Bauen heißt ja Bauen mit hohem Wiederholungsgrad. Man kann sich das vorstellen wie in der Autoindustrie; wir können damit einen sehr guten Kosten-Nutzen-Effekt erzeugen und wirklich effizienten und kostengünstigen Wohnraum erstellen.
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ZDFheute: Und trotzdem heißt es auch oft, der serielle Wohnungsbau sei nicht geeignet, Mietpreise schnell zu drücken und bleibe auf teure Bauflächen angewiesen.
Becker: Wenn man sagt, der serielle Wohnungsbau wäre die einzige Lösung, um das Wohnraumproblem in Deutschland zu lösen, dann ist das sicherlich falsch. Aber es ist ein wesentlicher Bestandteil, um die Wohnungsnot in Deutschland zu beseitigen.
Aber natürlich müssen wir auch andere Rahmenbedingungen verändern, um irgendwann mal in Deutschland im Jahr 400.000 Wohnungen mehr bauen zu können.
Quelle: Kondor Wessels
... studierte Bauingenieurwesen in Leipzig. Nach Abschluss seines Studiums begann er 1990 für die Baugesellschaft Kondor Wessels zu arbeiten. Im Jahr 2000 wurde er Geschäftsführer der Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH. Ehrenamtlich engagiert sich Becker für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. als Sprecher für den Wohungsbau und ist Vizepräsident des Bauindustrieverbandes Ost. Quelle: Kondor Wessels
ZDFheute: Welche Rahmenbedingungen?
Becker: Wir müssen öffentliche Investitionshilfen haben. Wir müssen den Eigentumswohnungsmarkt ankurbeln und fördern. Wir müssen den öffentlichen Markt fördern. Das passiert aus meiner Sicht bundespolitisch im Augenblick gar nicht.
Die Mittel, die zur Verfügung gestellt werden, werden allenfalls auf Landesebene zur Verfügung gestellt. Auf Bundesebene stehen nach den Kürzungen der KfW-Programme weiterhin keine adäquaten Förderprogramme zur Verfügung.
ZDFheute: Der Kanzler wirbt persönlich für serielles Bauen und spricht davon, dass man jetzt an die Landesbauordnungen ran muss, damit es bundesweite Typengenehmigungen gibt. Ist das ein realistisches Versprechen?
Becker: Die geforderten Typenbaugenehmigungen deutschlandweit scheitern ganz einfach an der Landeskompetenz fürs Baurecht.
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Es ist aus meiner Sicht eine unlösbare Aufgabe, diese Baugenehmigung zu harmonisieren und eine einheitliche Baugenehmigung hinzukriegen. Ich glaube, dass sich Bayern und Mecklenburg-Vorpommern nur schwer auf eine einheitliche Bauordnung verständigen können.
ZDFheute: Die Bauministerin muss das Kanzlerversprechen von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr umsetzen. Aktuell ist Deutschland davon weit entfernt. Geywitz will nun mit Digitalisierung und besserer Planung 2024 und 2025 doch noch an die 400.000 Wohnungen rankommen. Kann sie das schaffen?
Becker: Nur weil wir etwa den Bauantrag digitalisieren, was dringend notwendig ist, werden wir damit keine 400.000 Wohnungen in Deutschland bauen.
Und um dieses Schiff wieder in Gang zu bringen, wird es mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Einzelne Bundesländer versuchen das redlich. Die neue Regierung in Berlin bringt Fördermittel auf den Weg, aber es geht nicht auf Landesebene, sondern wichtig wäre, dass der Bund hier sozusagen Butter bei die Fische bringt.
ZDFheute: Was könnte denn die Bauministerin konkret tun, um jetzt schnell den Wohnungsmangel zu bekämpfen?
Becker: Die Bauministerin sagt immer, die Bauunternehmen sind nicht innovativ genug und so weiter. Aber wenn wir privat Wohnungen bauen wollen, können wir kein öffentliches Förderprogramm sinnvoll einsetzen, und das ist das große Problem.
Die Regierung sollte schnell Fördermittel für kostengünstigen Wohnungsbau auf den Weg bringen, damit dieser lahm liegende Tanker Wohnungsbau wieder in Bewegung kommt. Aber das dauert eine Weile.
Viele Wohnungsbauvorhaben sind abgesagt. Hauptursache sind erstens die steigenden Zinsen, zweitens die gestiegenen Baukosten, und daraus resultierend sind viele geplante Wohnungsbauprojekte eingestampft worden.
Und wenn wir jetzt zwei Jahre vorausdenken, dann werden wir wieder komplett neue Energieeinsparverordnungen haben und müssen dadurch eine komplett neue Planung auf den Weg bringen, um diesen neuen Energieeinsparverordnungen wieder gerecht zu werden.
ZDFheute: Klara Geywitz hält auch eine Abkehr von zu hohen Dämmvorgaben für durchaus sinnvoll. Sie auch?
Becker: Ja, im Augenblick bauen wir höchst gedämmte Häuser. Und wir wissen, wenn wir kostengünstiger bauen müssen oder wollen, müssen wir an diese Vorschriften ran.
In Deutschland fehlt bezahlbarer Wohnraum, diese Erkenntnis ist nicht neu. Kanzler und Bauministerin werben nun für "serielles Bauen". Kann die "Platte 2.0" die Krise lösen?
von Andrea Maurer
Nun ist gegen CO2-Reduktion überhaupt nichts zu sagen. Das ist nicht nur ein Wunsch der Grünen, sondern das ist der Wunsch vieler Menschen in Deutschland und weltweit, dass wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren. Aber die Methoden, mit denen wir das machen, die führen im Augenblick zu höheren Investitionen durch weiter steigende Baukosten.
Und an der Stelle ist es dann eine Quadratur des Kreises, die man nicht mehr so richtig hinkriegt. Ja, wir wollen immer mehr und erhöhen damit die Kosten, aber wir wollen günstige Mieten. Gleichzeitig sind die Grundstückspreise riesig hoch, die Vorschriften gehen weiter immens in die Höhe - immer mehr Dämmstoffe, immer mehr Schallschutz, immer mehr Haustechnik und so weiter - so funktioniert das nicht.
Das Interview führte Andrea Maurer, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.