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Deutschlands Wohn- und Baukrise:Bezahlbarer Wohnraum: Comeback der Platte?
von Andrea Maurer
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In Deutschland fehlt bezahlbarer Wohnraum, diese Erkenntnis ist nicht neu. Kanzler und Bauministerin werben nun für "serielles Bauen". Kann die "Platte 2.0" die Krise lösen?
Halle/Saale, Chemiearbeiterstadt. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) ist auf ihrer politischen Sommertour und besichtigt am Montag ein Vorzeigequartier im Lutherviertel. Hier ist gelungen, was Deutschland dringend braucht: Das Quartier wurde klimaschonend saniert und günstiger Wohnraum geschaffen, inklusive E-Bikes für die Bewohner.
Ein Wohlfühltermin und trotzdem reist die Aufgabe, die Deutschlands erster Bauministerin vom Kanzler übertragen wurde, immer mit. Klara Geywitz muss rankommen an die Zahl, die Olaf Scholz dem Land versprochen hat: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.
Nur ist Deutschland davon meilenweit entfernt. Im letzten Jahr waren es laut statistischem Bundesamt 295.200 neu gebaute Wohnungen. 2023 und 2024 rechnet die Branche mit weiter abnehmenden Zahlen, von nur noch 200.000 und weniger ist die Rede. Es ist ein fataler Krisencocktail: Corona, Krieg, Fachkräftemangel, Förderchaos, gestiegene Zinsen.
Schneller und effektiver durch seriellen Wohnungsbau
Eine der Lösungen, die die Bauministerin vorschlägt, um schneller und effizienter Wohnraum zu schaffen: serielles Bauen. Auch im Interview mit ZDFheute in Halle/Saale kommt sie schnell darauf zu sprechen:
"Deshalb müssen wir, auch wenn es wesentlich schwieriger geworden ist durch den Zinssprung, uns alle anstrengen, zum Beispiel durch seriellen Wohnungsbau, um schneller und preiswert zu bauen." Seriell bauen, das heißt Bauen in Serie. Wohnungsgebäude werden also ähnlich wie in der Automobilbranche durch industrielle Herstellungsprozesse in einem Werk zumindest teilvorgefertigt.
Guido Schwarzendahl, Vorstand des Bauvereins Halle & Leuna eG, der die Wohnungen im Lutherviertel anbietet, führt die Bauministerin an diesem Tag durch das Vorzeigequartier. Als sie schon weg ist, fährt er mit uns nochmal nach Halle Neustadt, wo seine Genossenschaft auch Wohnungen im Bestand hat.
Hier liegt das, was in den 60er- und 70er-Jahren seriell gebaut wurde, um die Wohnungsknappheit in der DDR nach dem Krieg schnell und effizient zu lösen - und was nun viele fürchten: die Platte, Sinnbild von Monotonie und Tristesse. Die Wohnungen der Genossenschaft hier sind teilmodernisiert, die Quadratmetermiete liegt bei 4,30 Euro.
"Die Platte ist das klimaschonendste und nachhaltigste, was man anbieten kann"
Schwarzendahl sagt, es sei Zeit, die Platte zu rehabilitieren: "Sie ist zu Unrecht in Verruf geraten. Sie ist nahezu das klimaschonendste und nachhaltigste, was man anbieten kann. Wir haben hier relativ kleine Wohnungsgrößen, wir haben hier insgesamt begrenzte Dimensionen, auch was Wohnungshöhe und so weiter betrifft und vielleicht noch ein ganz wesentlicher Punkt, wir sind in aller Regel hier Fernwärmebeheizt."
Klara Geywitz, die in den Neunzigern selbst mal in einem Plattenbau in Ostberlin gewohnt hat, sieht das übrigens ähnlich.
Serielle Vorproduktion heute kenne man vor allem aus dem Einfamilienhausbereich: "Da heißt es allerdings 'Fertighaus' und die Menschen haben überhaupt kein Problem damit, wenn sie in einem Haus wohnen, das 200 Kilometer entfernt nochmal genauso steht."
Landesbauordnungen ändern - dafür wirbt zumindest der Kanzler
Auch der Kanzler wirbt fürs serielle Bauen. Seine Ansage beim Wohnungsgipfel am 12. Oktober 2022 im Kanzleramt: "Wir brauchen mehr Produktivität im Wohnungsbau, wir müssen dazu beitragen, dass schneller gebaut wird, dass auch kostengünstiger gebaut wird.
Fachverband: Kaum umsetzbar, 16 Landesbauordnungen zu ändern
Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW Axel Gedaschko (CDU) hält es für kurzfristig kaum umsetzbar, 16 Landesbauordnungen zu ändern. Außerdem sei es außerhalb der Kompetenz des Bundeskanzlers:
"Mit einer Typengenehmigung, die im einen Bundesland ausgestellt wurde, kann ich gerade mal in einem Land bauen", ergänzt er.
Statt der von der Bundesregierung angekündigten 400.000 Wohnungen werden in diesem Jahr wohl gerade einmal 250.000 gebaut. Die Wohnungsnot nimmt weiter zu.20.04.2023 | 2:48 min
Viel scheitert also bislang auch an Deutschlands Bürokratie und seinem Föderalismus. Liegt in einem Bundesland die Genehmigung vor, heißt das nicht, dass das gleiche Gebäude - vorausgesetzt Grund und Boden passen - im anderen Bundesland gebaut werden kann. Da beginnt dann das Genehmigungsverfahren nochmal von vorne.
Branche fordert Investitionszuschüsse
Was also würde helfen? Die eine Frage sei, so Gedaschko, "ob man überhaupt bauen kann und die andere, wie man bauen kann, also beispielsweise seriell. Wir scheitern aktuell schon am Ob." Das einzige, was schnell und effizient auch beim seriellen Bauen helfen würde, sei Geld.
Am 25. September trifft sich die Baubranche mit Kanzler und Bauministerin im Kanzleramt. "Der Kanzler muss dann den Knoten durchhauen und sagen: wir brauchen Wohnungsbau", sagt Gedaschko und fordert Investitionszuschüsse.
Auf die Frage, ob der Kanzler den Knoten zerschlägt, antwortet die Bauministerin verhalten:
Und doch werden sich Bauministerin und Kanzler am Ende der Legislatur an der Zahl messen lassen müssen, die sie dem Land versprochen haben: 400.000 neue Wohnungen im Jahr. Ohne serielles Bauen wird das kaum zu schaffen sein.
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