FAQ
Selbstbestimmungsgesetz kommt:Geschlecht kann bald leichter geändert werden
von Dominik Rzepka
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Das Geschlecht oder den eigenen Vornamen beim Standesamt ändern lassen - das soll künftig leichter werden: Das Kabinett hat das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen - trotz Kritik.
Es ist jetzt zwölf Jahre her, da bricht Max Appenroth zusammen. Burnout. "Ich habe den Erwartungen der Gesellschaft an meine Rolle als Frau nicht entsprochen", sagt er heute. Max wurde bei seiner Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen.
Max ist jetzt 37 und wohnt in Köln. Seine Transition liegt schon einige Jahre zurück. Den Weg zum Mann beschreibt er als "unsäglich". Psychologische Gutachten. Komplette Entmündigung. Man hinterfrage sich ständig als Person. Das habe Spuren hinterlassen:
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz soll es künftig leichter fallen, das eigene Geschlecht ändern zu lassen - etwa im Reisepass. Was dafür, was dagegen spricht.23.08.2023 | 2:32 min
Buschmann verteidigt Gesetz gegen Kritik
Das Geschlecht zu ändern oder den eigenen Vornamen - das soll künftig einfacher möglich werden. Eine einfache Erklärung beim Standesamt reicht. Wer 14 bis 18 Jahre alt ist, braucht die Zustimmung der Eltern. Nach einem Jahr können Geschlecht und Vorname wieder geändert werden.
Das steht im sogenannten Selbstbestimmungsgesetz, das die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen haben - später als ursprünglich angekündigt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) verteidigt das Gesetz im ZDF gegen Kritik:
Justizminister Marco Buschmann (FDP) verteidigt im ZDF das Selbstbestimmungsgesetz gegen Kritik.23.08.2023 | 6:22 min
Das ist die Kritik am Gesetz
Die "Feministische Partei - Die Frauen" kritisiert an dem Gesetz, dass sich künftig Männer "per Sprechakt" zur Frau erklären lassen und Zugang zum Beispiel zu Frauensaunen erlangen könnten: "Der Fall eines bärtigen Mannes, der in einer Wiener Frauensauna bleiben durfte, nachdem er sich zur 'Transfrau' erklärt hatte, zeigt: Missbrauch ist sehr wohl möglich", argumentiert die Partei.
Kritik gibt es auch daran, dass bereits 14-Jährige ihr Geschlecht ändern lassen können. Frauenrechtlerin Alice Schwarzer etwa fordert eine Altersgrenze von mindestens 18 oder 21 Jahren.
Queerfeindliche Übergriffe aus dem Jahr 2023:
In Hannover haben am 15. Juli mehrere Männer eine Transfrau verprügelt. Nach Polizeiangaben wartete die Frau vor einem Imbiss, als sechs Männer die Frau beleidigten und schlugen. Die Täter ließen nicht von ihr ab. Als die 44-Jährige zu Boden stürzte, soll die Gruppe auf ihr Opfer eingetreten und es angespuckt haben. Die Täter konnten unerkannt flüchten.
Ebenfalls in Hannover kam es am 27. Mai zu mehreren queerfeindlichen Übergriffen im Umfeld des Christopher Street Days. Neben einem Angriff auf einen Transmann und eine nichtbinäre Person wurden mehreren Menschen Regenbogenfahnen entrissen. Es kam zu Beleidigungen und zu einer Vergewaltigung.
In Bonn hat eine Gruppe von zehn vermummten Männern einen Regenbogen-Zebrastreifen mit schwarz-rot-goldenen Folien überklebt. Der Vorfall ereignete sich in der Nacht auf den 27. Juni. Zu der Tat bekannte sich die rechtsextreme Gruppe "Revolte Rheinland". In Bonn demonstrierten anschließend 500 Menschen gegen Queerfeindlichkeit.
Ende Juli hat in Mainz ein Jugendlicher eine queere jugendliche Person attackiert und ihre Begleitung mit einem Messer bedroht und Pfefferspray gegen sie gesprüht. Beide erlitten Rötungen und Reizungen im Gesicht.
In der sächsischen Kleinstadt Wurzen bei Leipzig haben Unbekannte im Mai eine Regenbogenfahne vor dem dortigen Rathaus abgehangen und verbrannt. Die Fahne war zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie aufgehängt worden. 2021 wurde in Wurzen schon einmal eine Regenbogenfahne abgehängt.
Am 16. Mai hat eine Gruppe Jugendlicher zwei 30 und 34 Jahre alte Männer homophob beleidigt und attackiert. Laut Polizei wurde das Paar dabei vor dem Eingang des Berliner U-Bahnhofs Hallesches Tor auch mit einem Luftgewehr beschossen. Die Jugendlichen stießen die beiden Männer um und schlugen mit Fäusten auf sie ein, als sie am Boden lagen. Einer der Männer musste im Krankenhaus behandelt werden.
"Ekelhafte" Kritik
Max Appenroth nennt diese Kritik "ekelhaft". Trans Menschen würden plötzlich als Täter*innen dargestellt. Es komme in der Praxis aber im Prinzip nicht vor, dass trans Personen in eine Frauensauna gingen, um dort nackte Brüste zu sehen. Überhaupt würden sie kaum in Saunen gehen.
Er beklagt, die Debatte werde zunehmend unsachlich geführt - und hasserfüllt. Die Anfeindungen, die er als trans Mann erfahre, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken, hätten seit einigen Monaten eine neue Dimension. "Inzwischen wird von vielen unsere Existenz in Frage gestellt."
Zugegeben - es ist keine alltägliche Konstellation, wie sie auf Strafvollzugsanstalten zukommen könnte, wenn denn das aktuell im Bundeskabinett beschlossene Selbstbestimmungsgesetz vom Bundestag so verabschiedet werden würde.
Das hierzulande geltende Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bestimmt in § 140 Absatz 2, dass Frauen getrennt von Männern in besonderen Frauenanstalten unterzubringen sind. Und: "Aus besonderen Gründen können für Frauen getrennte Abteilungen in Anstalten für Männer vorgesehen werden."
Der Strafvollzug ist in der föderalen Bundesrepublik Ländersache. Die allgemeine Regelung des StVollzG wurde von drei Bundesländern, Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein schon länger auch auf transgeschlechtliche Strafgefangene erweitert, dem in nächster Zeit wohl auch weitere Länder folgen werden. So heißt es im hessischen Strafvollzugsgesetz in § 70 Absatz 2 Satz 2: Bei Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen oder wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt dies erfordern, erfolgt die Unterbringung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.
Heißt: Ändert ein Strafgefangener mit dem Geschlechtseintrag "männlich" den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister in "weiblich", können je nach Umständen des Einzelfalls Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Inhaftierter der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen. Das bedeutet auch, dass sich die Unterbringung von Strafgefangenen nicht allein am Geschlechtseintrag orientiert, sondern jeder Einzelfall gesondert betrachtet werden muss.
Eine Regelungslücke bestünde jedenfalls auch nach einer erfolgten Gesetzesänderung nicht.
von Christoph Schneider, Redakteur in der ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz
Das hierzulande geltende Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bestimmt in § 140 Absatz 2, dass Frauen getrennt von Männern in besonderen Frauenanstalten unterzubringen sind. Und: "Aus besonderen Gründen können für Frauen getrennte Abteilungen in Anstalten für Männer vorgesehen werden."
Der Strafvollzug ist in der föderalen Bundesrepublik Ländersache. Die allgemeine Regelung des StVollzG wurde von drei Bundesländern, Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein schon länger auch auf transgeschlechtliche Strafgefangene erweitert, dem in nächster Zeit wohl auch weitere Länder folgen werden. So heißt es im hessischen Strafvollzugsgesetz in § 70 Absatz 2 Satz 2: Bei Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen oder wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt dies erfordern, erfolgt die Unterbringung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.
Heißt: Ändert ein Strafgefangener mit dem Geschlechtseintrag "männlich" den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister in "weiblich", können je nach Umständen des Einzelfalls Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Inhaftierter der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen. Das bedeutet auch, dass sich die Unterbringung von Strafgefangenen nicht allein am Geschlechtseintrag orientiert, sondern jeder Einzelfall gesondert betrachtet werden muss.
Eine Regelungslücke bestünde jedenfalls auch nach einer erfolgten Gesetzesänderung nicht.
von Christoph Schneider, Redakteur in der ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz
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