Das Kanzlerkandidaten-Karussell der Union

Seit rund zwanzig Monaten regieren SPD, Grüne und FDP in Berlin. Doch bereits seit dem Frühjahr 2023 überwiegt bei den Befragten des ZDF-Politbarometers die Unzufriedenheit mit der Ampel.

Das schlägt sich auch in der Sonntagsfrage nieder: Die SPD käme dann nämlich nur noch auf 17 Prozent, die Grünen auf 16 Prozent, die FDP auf 6 Prozent - das wären in Summe nur noch 39 Prozent - und die Ampel hätte keine Mehrheit mehr. Stärkste Kraft wäre nun die Union mit 26 Prozent (Stand: 15.09.23). Der nächste Bundeskanzler könnte also wieder aus den Reihen der CDU oder CSU kommen. Wer käme infrage?

Markus Söder ist Parteivorsitzender der CSU und seit 2018 Ministerpräsident im Freistaat Bayern; laut Politbarometer extra bleibt er das wohl auch nach der Landtagswahl am 8. Oktober. Vor zwei Jahren hätte sich Markus Söder gut vorstellen können, Bundeskanzler zu werden - musste sich aber Armin Laschet geschlagen geben.

Söder selbst lehnte allerdings eine weitere Kanzler-Kandidatur bereits im Mai dieses Jahres im ZDF ab und empfiehlt Friedrich Merz. Söders Ambitionen und Chancen dürften auch vom CSU-Ergebnis bei der Landtagswahl abhängen: Sollte er für seine Partei mehr als beim letzten Mal einfahren, würde das Söder, auch in Berlin, stärken. Umgekehrt wäre er geschwächt.

Friedrich Merz ist seit 2022 Parteivorsitzender der CDU und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag. Als Oppositionsführer polarisiert er besonders gern. Er fällt immer wieder mit populistischen Tönen auf und eckt auch in den eigenen Reihen an. Politiker der Ampelparteien aber auch eigene Parteifreunde werfen ihm vor, die von ihm selbst beschworene Brandmauer gegen rechts aufzuweichen.

Kanzler werden: Für Merz eine Frage der Verantwortung, wie er im ZDF-Sommerinterview sagte.

Ausgerechnet aus seiner Heimat Nordrhein-Westfalen kommt Merz' aktuell größter Konkurrent: Hendrik Wüst. Seit 2021 Ministerpräsident von NRW und Vorsitzender des mitgliederstärksten Parteiverbands. Mitte Juni druckte die Frankfurter Allgemeine einen Gastbeitrag von Wüst ab, indem er den Charakter der CDU als Volkspartei betont und spalterischen Populismus ablehnt.

Das kann durchaus als Seitenhieb in Richtung Friedrich Merz verstanden werden. In einem Zeitungsinterview antwortet Wüst im Juni ausweichend auf die Frage, ob er sich die Kanzlerkandidatur vorstellen könnte. Betont lediglich, seine Aufgaben lägen "aktuell" in Nordrhein-Westfalen. Eine Absage klingt anders.

Daniel Günther hält Wüst für einen der wichtigsten Köpfe der Union. Gleichzeitig gilt Günther selbst als potenzieller Kandidat. Seit 2017 ist er Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und gilt als eher unauffällig. Ähnlich wie Hendrik Wüst - aber im Gegensatz zu Söder und Merz - sieht Günther in den Grünen keinen politischen Gegner, sondern einen Koalitionspartner. Günther möchte enttäuschte Ampel-Wähler für die CDU gewinnen und zwingend vermeiden, dass die zur AfD abwandern.

Ende Juni hat das ZDF-Politbarometer nach allen vier potenziellen Kandidaten der Konservativen gefragt. Damals lagen Hendrik Wüst und Markus Söder bei den Befragten mit je 22 Prozent gleichauf, Friedrich Merz hielten nur 16 Prozent für den chancenreichsten Kandidaten, Daniel Günther 11 Prozent. Bei den Unionsanhängern liegt Hendrik Wüst sogar vor Söder und Merz. Daniel Günther schreiben nur 10 Prozent die größten Chancen zu.

Laut ZDF-Politbarometer vom 18. August meinen nur 22 Prozent der Befragten, Friedrich Merz eigne sich als Bundeskanzler, 69 Prozent sehen das nicht so. Selbst von den Unionsanhängern trauen Merz nur 39 Prozent das Kanzleramt zu.

Im Beliebtheitsranking der wichtigsten Politiker Deutschlands liegt Söder Mitte September vor Merz. Während beide bei den Befragten Sympathiewerte im negativen Bereich ernten, genießen sie weiterhin den Rückhalt bei den eigenen Anhängern. Weitere Unionspolitiker tauchen momentan im Ranking der zehn wichtigsten Politiker gar nicht auf - auch Hendrik Wüst und Daniel Günther sind nicht unter den Top Ten.