Von "kleinen Paschas" zu Zahnarztterminen: Das Muster Merz

    Analyse

    Debatte über Asylbewerber:Sozialtourismus bis Zahnarzt: Das Muster Merz

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
    |

    CDU-Chef Merz irritiert mit einer Aussage zu Asylbewerbern, die den Deutschen die Zahnarzttermine wegnähmen. Selbst in der CDU fragen sie sich, welche Strategie Merz verfolgt.

    VKU-Tagung: Rede Merz
    Sehen Sie hier die Zahnarzt-Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz im Original (Quelle: Welt Talk).28.09.2023 | 0:32 min
    Es ist genau ein Jahr her, da wirft Friedrich Merz ukrainischen Geflüchteten "Sozialtourismus" vor. Sie würden nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland und wieder zurück in die Ukraine fahren.
    Den Vorwurf hat Merz höchstwahrscheinlich aus einem Fake-Chat bei WhatsApp. Einem Faktencheck hält er jedenfalls nicht stand. Wenig später rudert Merz zurück.
    Es ist ungefähr neun Monate her, da schaltet sich Merz in die Debatte nach den Silvesterkrawallen ein. Der CDU-Chef nennt arabischstämmige Schüler "kleine Paschas". Beobachter werfen Merz blanken Populismus vor. Wenig später rudert er zurück. Ein Muster.
    Neueste Episode: Seine Aussage zu Migranten und Zahnarztterminen. "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine", sagt Merz im Fernsehsender Welt.

    Wirbel um Merz-Aussagen
    :Wie Asylbewerber beim Arzt versorgt werden

    "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen", sagte Friedrich Merz über abgelehnte Asylbewerber. Welche Ansprüche auf Leistungen haben Migranten tatsächlich?
    von Nils Metzger und Oliver Klein
    Behandlungszimmer beim Zahnarzt
    FAQ

    Kritik aus der CDU

    Es ist das Muster Merz. Provozieren, Grenzen verschieben, zurückrudern. Halbiert man so die AfD? Selbst in der CDU fragen sie sich, ob das eine erfolgversprechende Strategie sein kann.
    Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) wagt sich am lautesten aus der Deckung: "Dieser Debattenbeitrag bringt uns keinen Schritt weiter. Wir müssen als Demokraten sachlich und verantwortungsvoll miteinander diskutieren und nicht negative Stimmungen weiter anheizen und gar Falsches verbreiten", schreibt Hans bei X (früher Twitter).
    Der Vorwurf: Merz sei unsachlich, er verbreite Fake-News. Und vor allem: Seine Strategie sei gescheitert. Hans sagt:

    Auch wenn ich mich wiederhole: Damit wird die AfD nicht kleiner.

    Tobias Hans, CDU

    Politikwissenschaftler: Merz klingt wie die AfD

    Auch Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte teilt diese Einschätzung. Er wirft Merz vor, wie die AfD zu klingen - das aber könne strategisch gesehen keinen Erfolg haben.
    "Wohlstandschauvinismus, Abgrenzung und Ausgrenzung sind Stilmittel der Populisten, nicht von bürgerlichen Parteien", sagt Korte ZDFheute. Und weiter:

    Wenn die Sprache der politischen Mitte sich nicht mehr von der AfD unterscheidet, warum sollten enttäuschte Wähler der Mitte dann nicht die AfD wählen?

    Karl-Rudolf Korte

    Erfolgversprechend wäre aus Kortes Sicht, einen modernen Konservatismus zu verfolgen. Also zum Beispiel Klimaschutz zu wagen, Institutionen für Minderheiten zu öffnen, die Inflation zu bekämpfen oder auch Zuwanderung zu steuern.

    Wer Merz unterstützt

    Längst finden sie auch in der CDU, dass Merz sich auf derartige Inhalte konzentrieren müsste. Allerdings will niemand den CDU-Chef kurz vor den wichtigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen angreifen. Am deutlichsten wird noch Daniel Günther (CDU).
    Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hatte Merz im ZDFheute-Interview vorgeworfen, unklar in Bezug auf die AfD zu kommunizieren - auch wegen umstrittener Äußerungen im ZDF-Sommerinterview. Merz tut das als Einzelmeinung ab.
    Aus CDU und CSU kommt inzwischen auch Unterstützung für Merz, etwa vom gesundheitspolitischen Sprecher der Union. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer finden, Merz habe Recht. In Bayern wird in anderthalb Wochen gewählt. Dort steht die CSU unter Druck - unter anderem wegen Freien Wählern und der AfD.
    Sollte die CSU ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfahren, ginge das dann auch auf das Konto von Friedrich Merz.

    Mehr zu Merz und der CDU