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Sachverständige legen Bilanz vor:Studie moniert Schärfe der Migrationsdebatte
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Deutschland hat eine Millionen ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Das hat Kommunen belastet und zu einer Verschärfung der Debatte geführt, so eine Studie von Migrationsexperten.
Der Sachverständigenrat Integration und Migration hat die Migrationsdebatte der vergangenen Jahre in Deutschland kritisiert. Durch den Angriffskriegs Russlands seien etwa vier Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in die EU geflüchtet, mehr als ein Viertel davon nach Deutschland.
In seinem Jahresbericht, der ZDFheute vorliegt, kritisiert der Sachverständenrat (SVR):
Mit der steigenden Zahl Schutzsuchender und der daraus entstandenen zunehmenden Belastung vor allem für Kommunen ist die öffentliche Debatte schärfer geworden und der politische Handlungsdruck gestiegen – auch in Deutschland.
Jahresbericht Sachverständigenrat
Die Politik habe auch wegen der Schärfe der Debatte "Maßnahmen ergriffen, um Rückführungen zu erleichtern", heißt es. Das habe aber nur geringe Auswirkungen gehabt. "Dass dadurch Fluchtzuwanderung deutlich abnimmt, sollte man nicht erwarten – und entsprechende Erwartungen nicht schüren", sagt der Chef des Sachverständigenrates, Hans Vorländer.
Kritik an Wohnsitzauflage
Die Aufnahme von Flüchtlingen habe oft zu Engpässen geführt. Grund dafür seien aber grundsätzliche Infrastrukturprobleme etwa im Bereich Wohnen, Bildung und beim Zugang zu Verwaltungsdiensten.
Zuwanderung verursacht die strukturellen Probleme in der Regel nicht, sie macht sie aber sichtbar.
Birgit Leyendecker, stv. Vorsitzende SVR
Kritik übt der Sachverständigentat an der sogenannten Wohnsitzauflage für Neuzugewanderte. Dass sie sich nicht niederlassen dürfen, wo sie wollen, sei wenig sinnvoll. Besser für die Integration sei es, die Kompetenzen und Bedürfnisse von Zugewanderten zu berücksichtigen, wenn sie auf Gemeinden verteilt werden.
Sorgenvoller Blick auf Kinder
Auch im Bereich Bildung laufe einiges falsch. Das Abschneiden neu zugewanderter Kinder gebe Anlass zur Sorge. Ihre Situation müsse stärker in den Fokus genommen werden, heißt es.
Dass alleine in Berlin Tausende geflüchtete Kinder nicht in die Schule könnten, weil Plätze fehlten, kritisiert die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD): "Das ist eine Problematik, die mir große Sorgen macht", sagte sie im ZDF morgenmagazin (das Gespräch sehen Sie oben im Video) und forderte unter anderem mehr ausländische Lehrerinnen und Lehrer:
Wir müssen unser Bildungssystem auf Zuwanderung aufstellen, da sehe ich noch großen Bedarf.
Reem Alabali-Radovan, SPD
Zweimal Lob für die Politik
Lob gibt es für die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, sie habe die Einbürgerung deutlich erleichtert. Dadurch, dass Mehrstaatigkeit möglich sei, werde eine wesentliche Einbürgerungshürde abgebaut. "Die Reform hat dadurch das Potenzial, Einbürgerungszahlen nachhaltig zu erhöhen", sagt Vorländer.
Auch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sei positiv zu bewerten, so die Experten. Die EU habe hier Handlungsfähigkeit bewiesen. "Der neue Solidaritätsmechanismus ist deshalb ein Fortschritt – vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten beteiligen sich daran wie vereinbart", heißt es.
Wer der Sachverständigenrat ist
In seinem Jahresbericht hat der Sachverständigenrat für Integration und Migration die Debatte der vergangenen fünf Jahre analysiert und bewertet. Es handele sich um eines der dynamischsten Politikfelder überhaupt. Viele Veränderungen seien auf den Weg gebracht worden, es gebe aber auch Probleme in der Umsetzung von Gesetzen.
Der Rat hat neun Mitglieder. Er bezeichnet sich selbst als unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten will das Gremium nach eigener Aussage zur Urteilsbildung etwa der Öffentlichkeit beitragen.
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