Was aus Schuldenpaket und Friedrich Merz' Wende folgen muss

    Kommentar

    Merz, die Schulden und die Historie:Aus "Wortbruch" muss politische Führung werden

    von Eckart Gaddum
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    Von "historischen Tagen" war diese Woche die Rede. Mag stimmen. Nicht aber, weil Deutschland in eine Art All-in-Verschuldung geht. Geld allein schreibt noch keine Geschichte.

    Friedrich Merz
    CDU-Chef Friedrich Merz dürfte als Kanzler vor gewaltigen Aufgaben stehen.
    Quelle: ddp

    "Historisches" Potenzial haben die Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat, weil sie ein politisches Statement setzten, auf das das freie Europa dringlichst und mit Recht gewartet hat. Die politische Mitte in Deutschland hat sich entschlossen, für Freiheit und Wehrhaftigkeit eines demokratisch geeinten Europas in Verantwortung und deshalb in massive Verschuldung zu gehen.

    Drei Botschaften an Partner, "Freunde" und Gegner

    Erste Botschaft an die europäischen Partner: Wir sind wieder da! Zweite Botschaft an die amerikanischen "Freunde": Wir haben verstanden. Dritte Botschaft nach Moskau: Rechnet mit uns!
     Berlin: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundesrat am Rednerpult. Die Länderkammer beschäftigt sich in ihrer Sitzung unter anderem mit der vom Bundestag beschlossenen Reform der Schuldenbremse als Voraussetzung für das geplante milliardenschwere Finanzpaket der zukünftigen Bundesregierung für Verteidigung, Infrastruktur, und Klimaschutzmaßnahmen. Berlin: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundesrat am Rednerpult. Die Länderkammer beschäftigt sich in ihrer Sitzung unter anderem mit der vom Bundestag beschlossenen Reform der Schuldenbremse als Voraussetzung für das geplante milliardenschwere Finanzpaket der zukünftigen Bundesregierung für Verteidigung, Infrastruktur, und Klimaschutzmaßnahmen.
    Der Bundesrat hat das milliardenschwere Paket für Verteidigung und Infrastruktur gebilligt. Den wohl künftigen Kanzler Friedrich Merz hat es politischen Kredit gekostet.21.03.2025 | 3:12 min
    Nur diese außenpolitische Aufladung, die mit der weltöffentlich inszenierten Niedermachung Selenskyjs im Weißen Haus ihr erschreckendes Momentum gefunden hat, macht es nachvollziehbar, was sich quasi seit Tag eins nach der Wahl in Berlin abspielte: So schnell wie noch nie fanden die drei Parteien der Mitte nach den Härten des Wahlkampfs zurück in einen professionell-konstruktiven Umgang.
    So radikal wie nie vollzog ein Kanzlerkandidat eine Kehrwende in seinen Grundpositionen. So konsequent wie nie rang sich das sonst so behäbige, föderale Deutschland zu folgenreichen Schritten durch. Der Zahl- und Zuchtmeister Europas lässt wissen: "Whatever it takes."
    Bundestag - Sondersitzung zur Grundgesetzänderung
    Aufgrund des Finanzpakets von Union und SPD grummelt es an den CDU-Stammtischen. Forscher befürchten eine weitere Demokratieverdrossenheit.20.03.2025 | 2:49 min

    Die Weltlage als Politikbeschleuniger

    Vielleicht bedarf es größeren zeitlichen Abstands, um die Vorgänge der vergangenen knapp vier Wochen tatsächlich historisch angemessen einzuordnen. Im Eifer des Gefechts und im fiebrigen Schwindel angesichts der vielen Euro-Milliarden diskutierte Deutschland aus guten Gründen über die politische Versuchung, sie nicht zielgerecht zu verschleudern.
    Es strafte Friedrich Merz im Umfrage-Ranking ab, empörte sich über seinen "Wortbruch", seine Machtversessenheit und Stilfragen. Das verstellte freilich den Blick auf den eigentlichen Anstoß zu diesem zweiwöchigen Berliner Speed-Dating: jenes gefährliche Gemisch aus realer russischer Bedrohung, amerikanischer Abwendung und europäischer Handlungsschwäche.
    Friedrich Merz
    Vor der Wahl hat Friedrich Merz die Schuldenbremse verteidigt, nun hat auch der Bundesrat den Weg für eine Reform freigemacht. Merz' Zustimmungswerte sinken. Und nicht nur das.21.03.2025 | 3:12 min

    Milliarden für ein handlungsfähiges Europa

    Es blieb nahezu unbemerkt, als Merz am Dienstag im Bundestag plötzlich vom Zielbild einer "Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" sprach. Das - und danach kommt lange nichts - ist ein passender Schlüssel zum Verständnis des ganzen Vorgangs. Deutschland muss handlungsfähig sein, um eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen.
    Deutschland wird sich einmal mehr und im eigenen Interesse finanziell kraftvoller engagieren müssen, als andere es wollen und können. Noch ist viel Luft im Milliarden-Füllhorn der EU. Erst mit Deutschland bekommt es Substanz.
    Friedrich Merz und Saskia Esken geben sich die Hand vor dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Im Hintergrund sind Lars Klingbeil und Markus Söder zu sehen.
    Im Wahlkampf noch sprach sich Friedrich Merz gegen neue Schulden aus. Jetzt will der CDU-Chef Investitionen auf Pump in Milliardenhöhe. In den eigenen Reihen wächst die Kritik.09.03.2025 | 4:23 min
    Marode Brücken, kaputte Schulen und 500 Milliarden Euro zu deren Sanierung schrumpfen in diesem Kontext zu einem kostspieligen, sicher notwendigen Beiwerk. Ohne die außenpolitische Lage hätte es das Milliarden-Manöver in dieser Dynamik und in dieser Phase kaum gegeben.

    Merz muss und will liefern

    Merz ist überzeugter Europäer, vielleicht wie kein Kanzler seit Helmut Kohl. Ihm, dem Altkanzler, war Europa immer näher als die deutsche Krämerseele. Er überzeugte die Deutschen, ihre geliebte D-Mark für den Euro herzugeben. Er brachte Bundesbanker, Experten und strenge Ökonomen zur Verzweiflung. Das war politische Führung.
    Merz, der anders als Kohl etwas von Geld versteht, dennoch einen ähnlichen Antrieb zu unterstellen, lässt sich vielfach belegen. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" räumt er die Kehrtwende ein, hat sie dafür in Kauf genommen.
    Jetzt müsse er liefern, sagt er selbst. Das stimmt und seine Agenda muss vor allem heißen: mehr Europa! Erst in diesem Licht wird sich zeigen, ob aus seiner Volte politische Führung und die vergangenen Tage "historisch" werden.
    Eckart Gaddum ist Leiter der ZDF-Hauptredaktion Wirtschaft, Recht und Umwelt.

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