Cannabisfreigabe: "Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt"
Interview
Kritik an Cannabisfreigabe:"Ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt"
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Am 1. April tritt die Cannabisfreigabe in Kraft. Die Gewerkschaft der Polizei warnt im Gespräch mit ZDFheute vor den Folgen für die Strafverfolgung und fürchtet Konsumtourismus.
Alexander Poitz ist Polizeibeamter aus Brandenburg und kommt aus der Praxis. Wenn Cannabis ab Ostermontag im gesamten Bundesgebiet legalisiert wird, befürchtet der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) chaotische Zustände.
ZDFheute: Herr Poitz, Cannabis-Fans sind in Feierlaune. Wie groß ist die Freude über das neue Gesetz bei der Gewerkschaft der Polizei?
Alexander Poitz: Auf Seiten der GdP und auch der Polizei hält sich die Freude in Grenzen. Warum? Erstens, weil das Gesetz sehr viel Theorie, aber wenig Praxis enthält. Zweitens sendet das Gesetz Konsum-Signale. Das wird uns als Polizei vor Herausforderungen stellen, weil die Nachfrage an Cannabis in der ersten Anfangsphase, wir nennen sie die "Chaos-Phase", steigen wird und diese Nachfrage nicht legal gedeckt werden kann.
Darauf werden sich kriminelle Strukturen einstellen und ihren Gewinn erhöhen. Drittens werden die Regelungen im Gesetz zu Unsicherheiten, Unzufriedenheiten und auch Fehlern bei allen Beteiligten führen. Das birgt Konfliktpotenzial.
Alexander Poitz (Gewerkschaft der Polizei) mit einer Einschätzung zum Cannabis-Gesetz24.02.2024 | 4:44 min
ZDFheute: Die Entkriminalisierung soll den Schwarzmarkt austrocknen. Stellt das Gesetz dafür die richtigen Weichen?
Poitz: Das Gesetz wird ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt sein. Die kriminellen Strukturen werden sich auf die neuen Regelungen einstellen, werden am Anfang die Nachfrage decken können. Wir vermuten auch eine Unterwanderung der Anbauvereine, sodass der Schwarzmarkt hier deutlich gestärkt werden wird. Außerdem wird es einen Konsumtourismus aus angrenzenden Staaten geben.
ZDFheute: Was meinen Sie mit Konsumtourismus?
Poitz: Ab dem 1. April wird Cannabis legal sein in Deutschland. In angrenzenden Staaten um Deutschland herum ist es nicht der Fall. Somit sehen wir deutlich das Risiko eines Konsumtourismus, der hier einfallen wird. Leute werden kommen, um zu konsumieren.
Der Kauf wird natürlich in erster Linie auf den Schwarzmarkt erfolgen, weil das legale Cannabis nur einheimischen Mitgliedern der Anbauvereine zur Verfügung steht. Damit wird der Schwarzmarkt seinen Gewinn deutlich erhöhen, und wir werden einen Anstieg der Drogenkriminalität hier in Deutschland verzeichnen.
Cannabis soll in Deutschland nach 100 Jahren wieder legal werden. Die neue Bundesregierung will damit dem Schwarzmarkt endgültig den illegalen Boden entziehen. Eine gute Idee?31.05.2022 | 29:36 min
ZDFheute: Wünschen Sie sich nachträgliche Gesetzesänderungen?
Poitz: Wir haben als GdP immer Verbesserungen gefordert: eindeutige Rechtsbegriffe, klare Zuständigkeiten, einen eindeutigen THC-Grenzwert für den Straßenverkehr, eine klare Bekämpfung des Schwarzmarktes und des Konsumtourismus aus angrenzenden Staaten. Und: Der Bund hat bestellt, der Bund muss bezahlen.
Wir brauchen eine Fortbildungsinitiative der Polizei in den Ländern und Kommunen für die Kontrollen. Außerdem die Ausstattung mit Instrumenten, um die Cannabis-Analysen durchzuführen. Das sollte auch der Bund bezahlen.
Mit dem Cannabisgesetz, das am Ostermontag (1. April) in Kraft tritt, bleibt der Umgang mit Cannabis zwar weiterhin grundsätzlich verboten, aber mit genau definierten Ausnahmen für Volljährige. Das betrifft den Besitz bestimmter Mengen wie zum Beispiel 25 Gramm zum Eigenkonsum in der Öffentlichkeit, drei Pflanzen zur privaten Zucht sowie den geregelten Anbau und die Weitergabe des Rauschmittels in speziellen Vereinen.
Quelle: dpa
ZDFheute: Welche Rechtsbegriffe sind aus Ihrer Sicht nicht klar definiert?
Poitz: Zum Beispiel bei den Abstandsregelungen zu Schulen, Spielplätzen oder Kitas: Mindestens 100 Meter und "außer Sichtweite" für den Konsum und 200 Meter für Anbauvereinigungen. Das ist in der Praxis nicht kontrollierbar, weil schlichtweg die Instrumente fehlen. Es ist auch praxisfern, mit dem Zollstock 200 Meter abzumessen.
Das Interview führte Carsten Behrendt, Reporter im ZDF Landesstudio Berlin
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