Strategie: Gegen Einsamkeit und soziale Isolation

    Kabinett stellt Strategie vor:Gegen Einsamkeit und soziale Isolation

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    Kurz vor Weihnachten nimmt das Bundeskabinett Menschen in den Fokus, die einsam sind oder unter sozialer Isolation leiden. Für sie soll es Unterstützung geben.

    Eine junge Frau steht in ihrer Wohnung an einem Fenster, aufgenommen am 13.07.2021 in Berlin
    "Wenn ich mir die Maßnahmen durchlese, sind das überwiegend Maßnahmen, die es schon gibt", so Elke Schilling, Gründerin Silbernetz, zur gerade vorgestellten Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung.14.12.2023 | 6:06 min
    Die Bundesregierung will einsame Menschen stärker unterstützen und gegen soziale Isolation vorgehen. Dazu verabschiedete das Kabinett eine "Strategie gegen Einsamkeit". Sie umfasst über hundert Maßnahmen.

    Paus: Drängendes Thema

    Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bezeichnete Einsamkeit als "eines der drängendsten Themen unserer Zeit". Wege gegen Einsamkeit aufzuzeigen, sei gerade jetzt wichtig, wenn es draußen dunkel und ungemütlich sei und viele Menschen sich nach Gemeinschaft und Familie sehnten. Sie betonte:

    Einsamkeit ist eine Herausforderung an die gesamte Gesellschaft .

    Lisa Paus (Grüne), Bundesfamilienministerin

    Sie habe negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und das soziale Miteinander. Paus: "Unser Ziel ist es, das Thema Einsamkeit in Deutschland stärker politisch und wissenschaftlich zu beleuchten".
    Einsamkeit zur Weihnachtszeit
    Wenig Aufwand, wenig Geld, ganz viel Emotion – so ging der Spot von Charlie’s Bar viral. Um Menschen zu berühren, braucht es nicht viel.08.12.2023 | 2:08 min
    Der Bericht definiert Einsamkeit als ein "schmerzhaftes Gefühl, das Menschen haben, wenn ihre gewünschten sozialen Beziehungen nicht mit den tatsächlich geführten übereinstimmen". Nach den Worten von Paus sollte Einsamkeit kein Tabuthema mehr sein.

    Einsamkeit kann krank machen

    Durch die Corona-Pandemie sei die Einsamkeit unter sehr alten und jüngeren Menschen deutlich gestiegen, sagte sie im Deutschlandfunk. Paus verwies darauf, dass Großbritannien und Japan bereits Einsamkeitsministerien hätten. Einsamkeit sei keine Krankheit, könne aber langfristig die mentale und körperliche Gesundheit beeinträchtigen, so die Ministerin.

    Experten-Tipps: Was tun gegen Einsamkeit?







    Durch den Vertrauensverlust gegenüber der Umgebung gefährde sie auch die Teilnahme an der Demokratie. Vor Corona habe sich jeder Zehnte einsam gefühlt, der Anteil sei dann auf bis zu 40 Prozent gestiegen.

    Frauen stärker betroffen als Männer

    Laut Bericht leiden zudem bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Alleinerziehende, Flüchtlinge, Migranten oder Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranke besonders an Einsamkeit. Frauen seien tendenziell stärker als Männer betroffen.
    Senior mit VR-Brille
    Über große Distanzen ein Gefühl von Nähe vermitteln. Das versuchen Forscher in Oldenburg mithilfe einer VR-Brille. In Sessel oder Kleidung integrierte Sensoren können zudem Berührungen imitieren.11.07.2023 | 2:02 min
    Nun will die Bundesregierung die Forschung und Information stärken, etwa durch ein Expertennetzwerk und ein "Einsamkeitsbarometer", das sich an Umfragen orientiert. Die Strategie bezieht nach den Worten der Grünen-Politikerin auch andere Ministerien ein und umfasst über hundert Maßnahmen.

    Breites Förderprogramm

    Dazu gehören etwa eine Sensibilisierungskampagne mit Aktionstagen und -wochen sowie die Unterstützung unterschiedlicher Angebote. Das betrifft Lebensbereiche, die menschliche Kontakte ermöglichen, vom Sportverein bis zur Pflege. Gegen zunehmende Einsamkeit will die Bundesregierung weiter Modellprojekte in den Kommunen fördern und die Wartezeiten auf Therapieplätze verkürzen.
    Dr. Mazda Adli | Psychiater und Stressforscher Fliedner Klinik Berlin
    Mit der Individualisierung der Gesellschaft gehe "ein größeres Einsamkeitsrisiko" einher, so der Stressforscher Dr. Mazda Adli. Er appelliert ans Reden.10.01.2023 | 5:40 min
    Der Bericht verweist auf mehr als 20 Förderprogramme und Projekte wie den sogenannten Digitalpakt, in dem älteren Menschen digitale Kompetenzen vermittelt werden, Projekte für Menschen mit Demenz oder zur Förderung von generationenübergreifenden Wohnformen.
    Die Caritas begrüßte den Bericht, warnte aber vor reiner Symbolpolitik. Die angekündigten Maßnahmen müssten auch hinreichend finanziert werden. Das gelte etwa für die Projekte zur Stärkung der Altenhilfe.

    • KeinerBleibtAllein: Eine ehrenamtliche Initiative, die einsame Menschen für die Weihnachtstage zusammenbringt mit Menschen, die Gesellschaft anbieten.

    • Gemeinsame Weihnachtsfeiern: Bunt zusammengewürfelt an Heiligabend feiern, essen, backen, singen - das geht bei Projekten wie "Gemeinsames Weihnachten" in Erfurt oder "Heiligabend nicht allein" in Eisenach. Ähnliche Angebote gibt es auch in vielen anderen Städten.

    • Weihnachtsbriefe gegen Einsamkeit: Lokale und bundesweite Aktionen sammeln Weihnachtsgrüße bis Mitte Dezember und verteilen sie an Menschen in Pflege- und Seniorenheimen - unter Titeln wie "Wichtelpost", "Post mit Herz" und "Briefe gegen Einsamkeit".

    • Warme Mahlzeit und Gemeinschaft: Im "Restaurant des Herzens" in Erfurt erhalten bedürftige Menschen im Dezember und Januar nicht nur ein warmes Essen, sondern erleben auch Gemeinschaft, soziale Begleitung und ein kulturelles Unterhaltungsprogramm.

    Einen Überblick über weitere Angebote an den Feiertagen gibt es beim Kompetenznetz Einsamkeit unter https://kompetenznetz-einsamkeit.de/angebote-gegen-einsamkeit-an-den-feiertagen-2023.

    Quelle: KNA, AFP

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