Kabinett stellt Strategie vor:Gegen Einsamkeit und soziale Isolation
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Kurz vor Weihnachten nimmt das Bundeskabinett Menschen in den Fokus, die einsam sind oder unter sozialer Isolation leiden. Für sie soll es Unterstützung geben.
"Wenn ich mir die Maßnahmen durchlese, sind das überwiegend Maßnahmen, die es schon gibt", so Elke Schilling, Gründerin Silbernetz, zur gerade vorgestellten Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung.14.12.2023 | 6:06 min
Die Bundesregierung will einsame Menschen stärker unterstützen und gegen soziale Isolation vorgehen. Dazu verabschiedete das Kabinett eine "Strategie gegen Einsamkeit". Sie umfasst über hundert Maßnahmen.
Paus: Drängendes Thema
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bezeichnete Einsamkeit als "eines der drängendsten Themen unserer Zeit". Wege gegen Einsamkeit aufzuzeigen, sei gerade jetzt wichtig, wenn es draußen dunkel und ungemütlich sei und viele Menschen sich nach Gemeinschaft und Familie sehnten. Sie betonte:
Sie habe negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und das soziale Miteinander. Paus: "Unser Ziel ist es, das Thema Einsamkeit in Deutschland stärker politisch und wissenschaftlich zu beleuchten".
Wenig Aufwand, wenig Geld, ganz viel Emotion – so ging der Spot von Charlie’s Bar viral. Um Menschen zu berühren, braucht es nicht viel.08.12.2023 | 2:08 min
Der Bericht definiert Einsamkeit als ein "schmerzhaftes Gefühl, das Menschen haben, wenn ihre gewünschten sozialen Beziehungen nicht mit den tatsächlich geführten übereinstimmen". Nach den Worten von Paus sollte Einsamkeit kein Tabuthema mehr sein.
Einsamkeit kann krank machen
Durch die Corona-Pandemie sei die Einsamkeit unter sehr alten und jüngeren Menschen deutlich gestiegen, sagte sie im Deutschlandfunk. Paus verwies darauf, dass Großbritannien und Japan bereits Einsamkeitsministerien hätten. Einsamkeit sei keine Krankheit, könne aber langfristig die mentale und körperliche Gesundheit beeinträchtigen, so die Ministerin.
Experten-Tipps: Was tun gegen Einsamkeit?
Einen alten Freund mal wieder anrufen, die neue Nachbarin begrüßen oder einen Klassenkameraden anchatten - viele kleine Bausteine können einen großen Unterschied machen. Die Alzheimer Forschung Initiative räumt ein: "Vielleicht braucht es einen kleinen Ruck", aber der könne sich lohnen.
Über gemeinsame Interessen trifft man schnell Gleichgesinnte. Die Initiative weist auch auf die Angebote von Volkshochschulen, Sportvereinen oder Musikschulen hin.
Zwar muss man unterscheiden zwischen vorübergehendem Alleinsein und Einsamkeit, unter der Betroffene leiden. Wenn jemand gut allein sein kann, ist eine "Positivspirale" möglich, sagt der Psychiater Rainer Gross: "Je weniger ich verzweifelt auf andere angewiesen bin, desto weniger werde ich an anderen kleben und sie erdrücken." Wichtig sei, den Wunsch nach Nähe zu verteilen und nicht zu hoffen, "dass ein Mensch alle Bedürfnisse erfüllt", das sagte er der Zeitschrift "Psychologie Heute".
Dies nannten junge Menschen in einer Studie der Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann als wirksamste Methode gegen Einsamkeit. Für positive Gefühle sorgt demnach auch Musik hören.
Resignieren und eine Fassade aufsetzen - das benannten die Jugendlichen dagegen als wenig wirksam. Auch eine sogenannte passive Lähmung, also hilfloses Abwarten, sorge eher noch für mehr Verzweiflung, warnt Psychologin Luhmann.
Dies kann online erfolgen oder auch bei einer Gruppentherapie. Letztere bieten Psychologinnen und Psychologen an, zum Beispiel Franca Cerutti. Sie weiß, dass Betroffene oft das Gefühl haben, mit ihnen stimme etwas nicht. Über ihre Gruppen habe sich jedoch schon manche Freundschaft entwickelt.
Quelle: KNA
Durch den Vertrauensverlust gegenüber der Umgebung gefährde sie auch die Teilnahme an der Demokratie. Vor Corona habe sich jeder Zehnte einsam gefühlt, der Anteil sei dann auf bis zu 40 Prozent gestiegen.
Frauen stärker betroffen als Männer
Laut Bericht leiden zudem bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Alleinerziehende, Flüchtlinge, Migranten oder Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranke besonders an Einsamkeit. Frauen seien tendenziell stärker als Männer betroffen.
Über große Distanzen ein Gefühl von Nähe vermitteln. Das versuchen Forscher in Oldenburg mithilfe einer VR-Brille. In Sessel oder Kleidung integrierte Sensoren können zudem Berührungen imitieren.11.07.2023 | 2:02 min
Nun will die Bundesregierung die Forschung und Information stärken, etwa durch ein Expertennetzwerk und ein "Einsamkeitsbarometer", das sich an Umfragen orientiert. Die Strategie bezieht nach den Worten der Grünen-Politikerin auch andere Ministerien ein und umfasst über hundert Maßnahmen.
Breites Förderprogramm
Dazu gehören etwa eine Sensibilisierungskampagne mit Aktionstagen und -wochen sowie die Unterstützung unterschiedlicher Angebote. Das betrifft Lebensbereiche, die menschliche Kontakte ermöglichen, vom Sportverein bis zur Pflege. Gegen zunehmende Einsamkeit will die Bundesregierung weiter Modellprojekte in den Kommunen fördern und die Wartezeiten auf Therapieplätze verkürzen.
Mit der Individualisierung der Gesellschaft gehe "ein größeres Einsamkeitsrisiko" einher, so der Stressforscher Dr. Mazda Adli. Er appelliert ans Reden.10.01.2023 | 5:40 min
Der Bericht verweist auf mehr als 20 Förderprogramme und Projekte wie den sogenannten Digitalpakt, in dem älteren Menschen digitale Kompetenzen vermittelt werden, Projekte für Menschen mit Demenz oder zur Förderung von generationenübergreifenden Wohnformen.
Die Caritas begrüßte den Bericht, warnte aber vor reiner Symbolpolitik. Die angekündigten Maßnahmen müssten auch hinreichend finanziert werden. Das gelte etwa für die Projekte zur Stärkung der Altenhilfe.
KeinerBleibtAllein: Eine ehrenamtliche Initiative, die einsame Menschen für die Weihnachtstage zusammenbringt mit Menschen, die Gesellschaft anbieten.
Gemeinsame Weihnachtsfeiern: Bunt zusammengewürfelt an Heiligabend feiern, essen, backen, singen - das geht bei Projekten wie "Gemeinsames Weihnachten" in Erfurt oder "Heiligabend nicht allein" in Eisenach. Ähnliche Angebote gibt es auch in vielen anderen Städten.
Weihnachtsbriefe gegen Einsamkeit: Lokale und bundesweite Aktionen sammeln Weihnachtsgrüße bis Mitte Dezember und verteilen sie an Menschen in Pflege- und Seniorenheimen - unter Titeln wie "Wichtelpost", "Post mit Herz" und "Briefe gegen Einsamkeit".
Warme Mahlzeit und Gemeinschaft: Im "Restaurant des Herzens" in Erfurt erhalten bedürftige Menschen im Dezember und Januar nicht nur ein warmes Essen, sondern erleben auch Gemeinschaft, soziale Begleitung und ein kulturelles Unterhaltungsprogramm.