Anschlag in Hanau: Fünf Jahre Warten auf Gerechtigkeit
Rassistischer Anschlag:Hanau: Fünf Jahre Warten auf Gerechtigkeit
von Susana Santina
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Auch fünf Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau warten die Angehörigen auf Aufklärung. Von Behörden und Politik fühlen sie sich im Stich gelassen.
Vor fünf Jahren ermordete ein Mann in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven. Die Hinterbliebenen kritisieren weiterhin eine unzureichende Aufklärung der Tat.19.02.2025 | 1:45 min
Die Angehörigen hielten ihre eigene Gedenkfeier zum 5. Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau ab. Im Congress Park, wo heute ab 12 Uhr unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) an den rechten Terror vor fünf Jahren erinnerten.
Auch beim Gedenken im vergangenen Jahr lehnten die Angehörigen offizielle Reden von Politikern ab. 19.02.2024 | 2:07 min
Die Angehörigen und ihre Unterstützer wollten unter sich sein, sagt Newroz Duman von der Initiative 19. Februar, die die Gedenkfeier am vergangenen Samstag organisiert hat. Mit dabei waren unter anderem auch Angehörige anderer rechtsterroristischer Anschläge, wie Semiya Şimşek, deren Vater von den NSU-Terroristen ermordet wurde.
Vater enttäuscht von der Politik
Die separate Gedenkfeier zeigt, wie sehr sich viele Angehörige bis heute auch von der Politik im Stich gelassen fühlen. Armin Kurtović und seine Frau Dijana erzählen uns, dass sie nicht zu der heutigen Gedenkfeier mit den Politikern kommen werden.
Sie haben uns alles versprochen, aber nichts gehalten. Und Mitleid brauchen wir nicht.
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Armin Kurtović, Vater von Hamza Kurtović, der in Hanau starb
Die beiden wünschen sich "echte Ermittlungen". Wer ist für den verschlossenen Notausgang in der Arena-Bar verantwortlich, der für ihren Sohn Hamza und für Said Nesar Hashemi zur Todesfalle wurde?
Hoffnung auf Gerechtigkeit aufgegeben
"Wir hatten keine Zeit zum Trauern. Und das, was festgestellt wurde, unter anderem durch den Untersuchungsausschuss, zählt alles nicht. Wir waren gezwungen, Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, von zwei renommierten Professoren, und eine neue Strafanzeige. Das wurde wieder alles eingestellt", sagt Armin Kurtović.
Seine Frau Dijana fügt hinzu, dass es schwer sei, daszu akzeptieren. Sie habe immer gedacht, Fakten würden zählen:
Und Fakt ist, dass der Notausgang zu war. Wieso wird das alles ignoriert?
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Dijana Kurtović, Mutter von Hamza Kurtović
Ohne einen Prozess, der Klarheit über die Verantwortlichen für den verschlossenen Notausgang bringt, fällt es Familie Kurtović schwer, den Verlust ihres Sohnes Hamza zu verarbeiten. "In Deutschland werden wir keine Gerechtigkeit erfahren", sagen sie. "Wir werden nach Straßburg ziehen müssen, vor den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte."
Armin Kurtović verlor beim Anschlag in Hanau 2020 seinen Sohn. Ein Jahr später sprach das ZDF mit ihm darüber, wie seine Familie versucht, mit der Situation zurechtzukommen. 19.02.2021 | 6:14 min
Warum war der Notruf nicht erreichbar?
Ein weiterer Punkt ist der nicht erreichbare Notruf am Abend des 19. Februars 2020. Iulia und Niculescu Păun sind gerade erneut mit einer Anzeige gescheitert, diesmal gegen namentlich genannte Polizisten. Die Staatsanwaltschaft Hanau sieht keinen Grund für ein neues Ermittlungsverfahren.
Der Notruf im Polizeirevier Hanau war technisch veraltet und in der Tatnacht unterbesetzt, das hatte auch der Untersuchungsausschuss in Wiesbaden bestätigt. Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten sieht die Staatsanwaltschaft trotzdem nicht.
Nach dem Anschlag in Hanau im Februar 2021, bei dem neun Menschen getötet wurden, wurde im Dezember 2023 der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses vorgestellt. Angehörige sind enttäuscht.05.12.2023 | 1:52 min
Iulia und Niculescu Păun können das nicht verstehen. Sie haben durch den Terror in Hanau ihr einziges Kind Vili verloren. Auch sie wollen, dass jemand Verantwortung übernimmt. Denn wäre der Notruf für Vili in der Tatnacht erreichbar gewesen, wäre ihm abgeraten worden, den bewaffneten Täter zu verfolgen. Das hatten Polizisten im Wiesbadener Untersuchungsausschuss selbst ausgesagt. Deswegen ist sich Familie Păun sicher, dass ihr Sohn leben würde, wenn es "diesen Missstand" nicht gegeben hätte.
Familie wartet bis heute auf Konsequenzen
Fünfmal hatte es Vili in der Tatnacht versucht, während er den Täter verfolgte. Zweimal hatte er sich wohl aus Nervosität verwählt, dreimal aber die richtige Nummer gewählt. Er kam nicht durch und wurde von dem Rechtsterroristen erschossen. In Hanau, wo Vili in seinem Auto starb, hat er seine eigene Gedenkstätte bekommen. Weil er Zivilcourage gezeigt hatte. Auf Konsequenzen wartet Familie Păun bis heute.
Alle haben gewusst, dass der Notruf nicht funktioniert. Alle sagen, ja, Familie Păun hat recht, die Generalstaatsanwaltschaft, der neue Innenminister Roman Poseck, aber ohne Konsequenzen. Ich verstehe das nicht.
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Niculescu Păun, Vater von Vili-Viorel Păun
"Es waren fünf Jahre voller Traurigkeit, Schmerz und Trauer um unseren geliebten Sohn Vili", sagt seine Frau Iiulia. In den letzten fünf Jahren mussten die Angehörigen selbst um Aufklärung und Konsequenzen kämpfen. Sie werden es weiterhin tun, sagen viele, bis sie endlich Gerechtigkeit erfahren.
Der Attentäter Tobias R. eröffnet gegen 21.55 Uhr das Feuer auf die nebeneinander liegenden Shisha-Bars "La Votre" und "Midnight" am Hanauer Heumarkt - drei Menschen sterben: Kaloyan Velkov und Sedat Gürbüz werden in den Innenräumen von Schüssen getroffen, Fatih Saracoglu auf der Straße.
Anschließend fährt der Täter zum Kurt-Schumacher-Platz: Auf dem Parkplatz tötet er Vili Viorel Paun.
In der "Arena Bar & Café" sowie dem angeschlossenen Kiosk schießt R. um sich: Fünf Menschen sterben: Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar im Kiosk, Said Nesar Hashemi und Hamza Kenan Kurtovic in der Bar.
Tobias R. macht sich auf den Weg zu seinem Elternhaus in Hanau. Dort tötet er seine Mutter und suizidiert sich. Der Vater bleibt unverletzt.
Zwischen drei und vier Uhr am Morgen des 20. Februar 2020 durchsucht die Polizei das Haus und entdeckt die beiden Leichen.
Tobias R. hat vor der Tat Schriften und ein Video ins Internet gestellt, aufgrund der Inhalte übernimmt noch in der Nacht die Generalbundesanwaltschaft den Fall. - R. äußerte sich islamfeindlich, antisemitisch und rassistisch.
Einem Gutachten des forensischen Psychiaters Henning Saß im Auftrag der Bundesanwaltschaft zufolge litt R. an einer paranoiden Schizophrenie.
Mai 2020: Die Opfer und Hinterbliebenen erhalten von der Bundesregierung insgesamt rund eine Million Euro an Entschädigungsgeldern.
April 2021: Die hessische Landesregierung verleiht dem getöteten Vili Viorel Paun die Medaille für Zivilcourage - Paun hatte den Attentäter mit dem Auto verfolgt und mehrfach den Notruf gewählt, der nicht erreichbar war. Paun wurde schließlich erschossen.
Dezember 2021: Die Bundesanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen zu dem Anschlag ein - unter den Angehörigen der Opfer sorgt das Vorgehen für Kritik.
Juli 2021-November 2023: Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss befasst sich mit dem Anschlag von Hanau - im Abschlussbericht heißt es: "Sowohl vor als auch nach der Tat sind von Behörden Fehler gemacht worden."
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