Abschlussbericht zu Attentat:Hanau-Ausschuss sieht "Fehler der Behörden"
von Susana Santina
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Über drei Jahre nach dem Anschlag in Hanau beendet der U-Ausschuss die Aufarbeitung. Kritik geht an Behörden, Hinterbliebene sind enttäuscht. Der Landtag diskutiert jetzt.
Seit dem Sommer 2021 haben sich Abgeordnete des hessischen Landtags in einem Untersuchungsausschuss mit dem Anschlag in Hanau beschäftigt. (Archivbild)
Quelle: Arne Dedert/dpa
Es war ein Untersuchungsausschuss, der vor allem dank der Angehörigen der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau zustande gekommen war. Sie hatten immer wieder darauf gedrängt, weil für sie viele Fragen nach dem Terroranschlag vom 19. Februar 2020 offen geblieben waren.
Zusammenfassend heißt es im Abschlussbericht:
Weiter heißt es in dem Bericht: "An einigen Stellen besteht Grund zu der Annahme, dass ein anderes Handeln der zuständigen Behörden, das Durchführen der Tat erschwert hätte. Dies gilt für die Erteilung der Waffenbesitzkarte, die Erreichbarkeit des Notrufs, die Verschlussverhältnisse des Notausgangs und den Umgang mit den Angehörigen der Opfer."
Nicht erreichbarer Notruf
Der in der Tatnacht nicht erreichbare Notruf war eines der wichtigen Themen im U-Ausschuss. Vili-Viorel Păun hatte den Täter nach seinen ersten Morden beobachtet und in seinem Auto verfolgt. Dabei hatte er mehrfach versucht, die Polizei zu erreichen, doch die hob nicht ab. Der 22-Jährige wurde schließlich von Tobias R. erschossen.
Am 19. Februar 2020 hatte Tobias R. in der hessischen Stadt neun Menschen mit Migrationshintergrund sowie seine Mutter und sich selbst getötet. Ende Dezember 2021 stellte die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen zu dem Anschlag ein. Es gebe keine Anhaltspunkte für Mittäter, Anstifter, Gehilfen oder Mitwisser des Attentäters, erklärte die Behörde. Unter den Angehörigen der Opfer sorgte das für Kritik.
Quelle: dpa, ZDF
Quelle: dpa, ZDF
Der Untersuchungsausschuss hat nun das bestätigt, was Angehörige, ihre Unterstützer und Medien schon vorher herausgefunden hatten. Die Polizeistation Hanau war völlig unterbesetzt, seit vielen Jahren, und das Notruf-System technisch veraltet, so dass bei hohem Aufkommen keine Weiterleitung an eine Leitstelle erfolgte, wie sonst üblich ist.
Vilis Eltern, Iulia und Niculescu Păun sind enttäuscht, dass keiner die Verantwortung für den nicht erreichbaren Notruf übernimmt. Sowohl CDU-Innenminister Peter Beuth als auch Jürgen Fehler, damaliger Leiter der Polizeidirektion Main-Kinzig, hatten im U-Ausschuss gesagt, dass sie nicht gewusst hätten, dass es im Polizeipräsidium Hanau keine automatische Weiterleitung der Anrufe gab. Die SPD spricht in ihrem Sondervotum von einer nicht plausiblen Schutzbehauptung.
Notausgang verschlossen
Der Untersuchungsausschuss stellt außerdem fest, dass der Notausgang der "Arena Bar" bereits in den Jahren vor der Tat regelmäßig verschlossen war. Die Verantwortung dafür liege in erster Linie beim Betreiber. Gleichwohl heißt es, dass die Stadt Hanau vielfache Hinweise auf den verschlossenen Notausgang ignoriert und so ihre Fürsorgepflicht vernachlässigt habe.
Said Etris Hashemi und Hamza Kurtović wurden von dem rassistischen Täter in der Arena-Bar erschossen. Hamzas Eltern, Dijana und Armin Kurtović, sind überzeugt, dass ihr Sohn leben könnte, wenn er zum Notausang gelaufen wäre. Da aber auch Hamza gewusst habe, dass der Notausgang zu sei, habe er es nicht versucht.
Im Untersuchungsausschuss hatten ehemalige Mitarbeiter der Bar ausgesagt, dass es einen Deal des Betreibers der Bar mit der Polizei Hanau gegeben habe, um Razzien zu erleichtern. "Diese Zeugen wurden als unglaubwürdig dargestellt", beklagt Armin Kurtović, der es bedauert, dass die Rolle der Polizei nicht ausreichend ausgearbeitet worden sei.
Vor drei Jahren wurden in Hanau neun Menschen bei einem rassistischen Anschlag getötet. Noch immer gibt es ungeklärte Fragen. Die Angehörigen fühlen sich alleingelassen. Wie geht die Aufarbeitung voran?20.02.2023 | 2:02 min
Ausschuss: Fehler im Umgang mit Angehörigen
Auch beim Umgang der Polizei mit den Angehörigen der Opfer seien Fehler gemacht worden, stellt der Untersuchungsausschuss fest. Kritisiert wird die Betreuung einiger Angehöriger kurz nach dem Attentat in einer Turnhalle und die Verlesung der Todesnachrichten dort. Bei der Anordnung der Obduktion sei es zu Versäumnissen bei der Information der Angehörigen gekommen.
Außerdem habe es "Kommunikationsbrüche" zwischen der Bundesanwaltschaft, der Staatsanwaltschaft Hanau, dem Hessischen Landeskriminalamt und den Opferschützern gekommen.
Kritik an Waffenbehörde
Kritisiert wird auch die Waffenbehörde Main-Kinzig. Dem späteren Attentäter Tobias R. waren von der Behörde Waffenbesitzkarten und ein Europäischer Feuerwaffenpass erteilt worden. Der U-Ausschuss stellt ein vielfaches Versagen der Waffenbehörde Main-Kinzig fest. So habe Tobias R fortlaufend Anfragen der Behörde ignoriert, ohne dass die Waffenbehörde Konsequenzen gezogen habe.
Außerdem hätte sie den Vorgang an die Münchener Waffenbehörde abgeben müssen, denn Tobias R. war zwischenzeitlich nach München gezogen. Aber weder die Münchener Meldebehörde noch die Münchener Waffenbehörde seien informiert worden.
Am Ende des Untersuchungsausschusses steht eine Entschuldigung. Wörtlich heißt es:
Susana Santina ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Hessen.
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