Dauerhafte Kontrollen an deutschen Grenzen?

    Innere Sicherheit:Dauerhafte Kontrollen an deutschen Grenzen?

    von Philipp Dietrich
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    Über den Schutz der deutschen Außengrenzen wird heftig debattiert: Brauchen wir dauerhafte Kontrollen? Grünen-Politikerin Irene Mihalic und Mechthilde Wittmann (CSU) im moma-Duell.

    Irene Mihalic, Andreas Wunn und Mechthilde Wittmann (v.l.n.r.)
    Thema "Dauerhafte Grenzkontrollen?": Das "moma-Duell" zwischen CSU-Politikerin Wittmann und Grünen-Politikerin Mihalic in voller Länge im Video05.09.2024 | 11:12 min
    Mechthilde Wittmann, Bundestagsabgeordnete der CSU, fordert dauerhafte Grenzkontrollen und zwar so lange, "bis die EU-Außengrenzen ausreichend geschützt sind". Erst dann könne man den "Schengen-Raum und die Errungenschaft des freien Personenverkehrs wirklich wieder nutzen", sagt die Politikerin im moma-Duell.
    Vorbild ist für sie das Vorgehen zur Fußball-Europameisterschaft. Wittmann sagt: "Ich selbst habe einen Wahlkreis, der eine lange Außengrenze hat, in erster Linie zu Österreich und dann direkt angrenzend die Schweiz. Und da hat es sehr gut funktioniert." Es gebe da keinen klassischen Schlagbaum und Kontrollen rund um die Uhr, sondern Polizeibeamte "in einer Art Zelt", dazu einen Container mit Computern. Da staue die Polizei "immer mal wieder den Verkehr kurz auf, kontrolliert und lässt den Verkehr dann auch wieder fließen", berichtet die CSU-Politikerin.

    Grünen-Politikerin: Vorschlag nicht realistisch

    Die Polizeibeamtin Irene Mihalic, für die Grünen seit 2013 im Bundestag, hält dieses Vorgehen für "nicht besonders realistisch". Man sehe heute schon, dass das "wahnsinnig viel Personal bindet, was natürlich auch woanders gebraucht wird".
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    Nach der Attacke von Solingen haben Bund, Länder und Union heute über illegale Migration gesprochen. Die Union pocht auf einen harten Kurs und Grenzkontrollen.03.09.2024 | 1:42 min
    Die Beamten seien gleichzeitig auch für Flughäfen und Bahnhöfe zuständig. Gerade Bahnhöfe seien aktuell "besondere Kriminalitätsschwerpunkte", an denen die Brutalität zunehme. "Deswegen halten wir es für effektiver und vor allen Dingen auch personalschonender, wenn wir die Kontrollen flexibilisieren", sagt Mihalic.

    CSU und Grüne "im Ziel einig"

    Im Ziel sieht sich die Grünen-Abgeordnete Mihalic mit der CSU einig, "dass wir natürlich auch etwas für den Grenzschutz tun müssen". Sie fordert aber "intelligentere Methoden, die ressourcenschonend sind und kein Personal binden".

    Das Bundesinnenministerium hat die Neu-Anordnung der vorübergehenden Binnengrenzkontrollen an den Landgrenzen zur Republik Polen, zur Tschechischen Republik und zur Schweiz auf EU-Ebene notifiziert. Ziel ist weiterhin, Schleusungskriminalität zu bekämpfen und die irreguläre Migration zu begrenzen. Auf der Grundlage von Artikel 25 des Schengener Grenzkodexes werden die derzeit bis zum 15. Juni 2024 angeordneten vorübergehenden Kontrollen bis zum 15. Dezember 2024 fortgesetzt.

    Die Bundesministerin des Innern und für Heimat hat mit Blick auf die migrations- und sicherheitspolitischen Herausforderungen entschieden, dass vorübergehend wiedereingeführte Binnengrenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Landgrenze auf der Grundlage der Artikel 25 und 27 des Schengener Grenzkodex weiter bis zum 12. November 2024 angeordnet werden.

    Quelle: BMI

    Wittmann lobt bayrischen Weg bei Grenzkontrollen

    CSU-Politikerin Wittmann widerspricht und verweist auf den besonderen bayrischen Weg. Die eigene bayrische Grenzpolizei sei "hier personell besser ausgerüstet" und könne es deswegen besser machen. Auch mobile Kontrollen, wie sie Mihalic vorschlage, seien ein guter Weg - das werde von Bayern und Österreich bereits seit 2018 gemeinsam umgesetzt. "Österreichische und bayrische Beamte gemeinsam schützen die Grenze und versuchen eben derer habhaft zu werden, die nicht einreisen dürfen in unser Land."
    An erster Stelle stehe die Sicherheit der Menschen in Deutschland. Es sei bedauerlich genug, dass es dafür immer mehr Polizeikräfte benötige, wie die Kriminalstatistik zeige.
    Grenzkontrollen: Kein Ende in Sicht
    Seit zehn Monaten gibt es an den deutschen Grenzen stichprobenartige Kontrollen - Bundesinnenministerin Faeser will diese nun verlängern, bis die irreguläre Migration "merklich" zurückgegangen ist.19.08.2024 | 2:30 min

    CSU-Politikerin: Deutschland darf Geflüchtete abweisen

    Aber dürfte Deutschland seine Grenzen im nationalen Alleingang überhaupt dauerhaft kontrollieren und auch Geflüchtete abweisen? CSU-Politikerin Wittmann sieht darin keine Probleme.
    "Es geht hier überhaupt nicht um einen Gesetzesbruch. Ganz im Gegenteil, denn die EU Gesetze erschöpfen sich ja nicht in Dublin III. Die nationalen Gesetze - Paragraf 18 Asylgesetz und Artikel 16a Grundgesetz - geben beide die Zurückweisung (von Geflüchteten) klar und unmissverständlich her." Zudem regele Artikel 72 der Arbeitsweise der Europäischen Union: "Wenn die Sicherheit eines Landes so nicht mehr gewährleistet werden kann, das Land seine nationale Gesetzgebung nutzen."
    Sebastian Fiedler, SPD, Mitglied im Innenausschuss
    "Wir müssen gucken, wie entwickelt sich die Migration", danach müsse entschieden werden, an welchen Stellen, "stationäre Binnengrenzkontrollen" erforderlich seien, so Sebastian Fiedler, SPD, Mitglied im Innenausschuss.19.08.2024 | 5:36 min

    Grünen-Politikerin mahnt Einheit in Europa an

    Grünen-Politikerin Irene Mihalic warnt vor nationalen Alleingängen in dieser Frage.

    Wir müssen doch aufpassen, dass wir mit nationalen Alleingängen nicht dafür sorgen, dass wir die europäischen Errungenschaften gefährden.

    Irene Mihalic, Grüne

    CSU-Politikerin Wittmann dreht den Spieß um: Deutschland wäre erst durch seine nationalen Alleingänge zum "Attraktionspunkt für Flucht und Migration" geworden, worüber seine Nachbarstaaten nicht glücklich seien.

    Das erste Argument für Europa war Sicherheit. Und die ist in unserem Land gefährdet.

    Mechthilde Wittmann, CSU

    Deutschland befinde sich in der zweithöchsten Gefährdungsstufe - das allein begründe schon eine "Notlage". Mihalic hält dagegen: Im EU-Parlament sei acht Jahre lang über ein "gemeinsames europäisches Asylsystem verhandelt worden und wir sollten alles dafür tun, das auch in Kraft zu setzen und es auch durchzusetzen und nicht durch nationale Alleingänge zu gefährden."

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