EM in Deutschland: Warum Fußball doch politisch ist
EM in Deutschland:Warum Fußball doch politisch ist
von Karl-Rudolf Korte
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Immer wieder sprechen Funktionäre davon, dass der Sport unpolitisch bleiben müsse. Dabei zeigt auch diese Europameisterschaft: Fußball ist immer politisch.
Mit seinem Wolfsgruß beim Spiel Österreich - Türkei hat Merih Demiral für Empörung gesorgt.
Quelle: dpa
Wie unpolitisch ist eigentlich Fußball?
Fußball ist immer politisch. Er findet in einem politischen Raum statt: Standort, Infrastruktur, Erwartungen, Gespräche, Finanzierung, Rituale und kollektive Emotionen. Das ist der Stoff der Politik, denn alles wird ausgedeutet und interpretiert. Auch der Fußball lebt von der wechselseitigen Beobachtung.
Die Fußball-EM wirft mal wieder die Debatte auf, inwiefern politische Statements Platz auf dem Spielfeld haben. Wird der Fußball zur politischen Bühne? 16.06.2024 | 34:58 min
Wo zeigt sich die Vermischung von Fußball und Politik?
Nichts ist unpolitisch: der Ort der Austragung, die anwesenden Politiker und natürlich auch die provokante Symbolik, die einzelne Fußballer nutzen. Das kann der Wolfsgruß sein, aber auch das kollektive Auspfeifen eines Politikers im Stadion.
Umgekehrt wäre noch mehr zu durchdenken, wie können wir Demokratieerlebnisse in die Stadien einbringen. Wie können wir offensiver für Freiheit und die Lust am Fremden bei solchen politischen Großereignissen werben? Wie vergrößern wir durch Sport den Sog auf die offene Gesellschaft?
Der türkische Torschütze Demiral zeigte beim Torjubel den sogenannten Wolfsgruß. Die UEFA ermittelt nun. Demiral verteidigt die Geste als Ausdruck seiner Freude.03.07.2024 | 2:03 min
Wenn die Turniere in Unrechtsstaaten veranstaltet werden, ist es sehr schwer für die Mannschaften aus den demokratisch geprägten Landesverbänden, den Unterschied zwischen freien Gesellschaften und unfreien Gesellschaften zu zeigen. Sie sind dann alle - ebenso wie die weltweiten Zuschauer - gefangen im Beobachterstatus. Aber der Wettkampfsport wäre nur noch regional, wenn systematisch nur demokratische Länder aufeinandertreffen.
Quelle: Peter Frischmuth
... ist Politikwissenschaftler und seit 2002 Professor an der Universität Duisburg-Essen am Campus Duisburg und seit 2006 Direktor der NRW School of Governance.
Sollten und können Spieler unpolitisch sein?
Es ist extrem hilfreich für die Qualität unserer Freiheit, wenn sich Spieler als Meinungsführer offensiv für demokratische Institutionen aussprechen und gegen die AfD. Wenn Spieler werben für Vielfalt und Toleranz, sollten sie dies ergänzen: Unterstützt die politischen Parteien der Mitte und macht bei denen mit. So etwas verfängt in bestimmten Kreisen extrem, was wir aus der Wahlforschung konkret wissen.
Fußballer sollten somit auch Demokratiebotschafter sein, die davon abraten, verfassungsfeindliche Parteien zu wählen. Es wäre ganz einfach: Wer weiterhin bunte Turniere wünscht, mit bunter Vielfalt in den Stadien und außerhalb, der kann als Botschafter dazu beitragen, wenn er es auch artikuliert. Denn diese Vielfalt bleibt nur erhalten, wenn die moderate Mitte klar in der Mehrheit bleibt.
Gesänge, Gesten und Symbole - auch die EM in Deutschland ist nicht frei von Politik. Was ist erlaubt? Was nicht? Längst ist eine Diskussion darüber entbrannt.03.07.2024 | 2:49 min
Was macht so ein Turnier mit der Stimmung im Land?
Im besten Fall kann ein Turnier einen Verschlechterungsmechanismus stoppen. Das Gefühl des Immerschlimmerismus endet. Das gilt auch ohne Endspiel-Teilnahme. Denn das Spiel der deutschen Mannschaft zeigte, dass unkonventionell, experimentell und vor allem fröhlich-leicht Unerwartetes gelingen kann.
Insofern ist klar, es liegt an jedem selbst, wie wir veränderungszuversichtlich werden. Da passiert nichts, ohne dass wir es selbst wollen. Offenbar gibt es viel Potential und große Bereitschaft, Zuversicht anzunehmen. Die Berliner Ampel könnte davon lernen.
Quelle: ZDF
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