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Kommentar
Ampel-Koalition:Liberale spüren die Faust im Nacken
von Frank A. Buchwald
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Die FDP hadert mit der Ampel und will das Land per "Wirtschaftswende" aus einer Krise führen, für die die Wähler die Liberalen mitverantwortlich machen.
So viel Groll gab es selten. Wer in diesen Tagen mit Liberalen spricht, spürt eine tiefe Unzufriedenheit. Natürlich war das Bündnis mit SPD und Grünen für die FDP niemals eine Traumhochzeit. Eher ein Experiment; im Idealfall eine neue Kombination, nach sechzehn Jahren Merkel und zwölf Jahren Erstarrung in Großen Koalitionen.
Nicht wenige betrachten diesen Versuch mittlerweile jedoch als gescheitert. Die Koalition reibt sich auf in Scharmützeln über Nebenthemen ("Kindergrundsicherung") und findet bei zentralen Entscheidungen (Krieg und Frieden, Bundeswehr, Wirtschaft oder Migration) nur schwer zu einer gemeinsamen Linie - wenn überhaupt.
Ampel vor klassischen Dilemmata der Politik
Natürlich: Diese Regierung hat Aufgaben zu bewältigen wie nur wenige vor ihr. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der unmittelbar folgenden Energiekrise war klar: die meisten der schönen Pläne waren über Nacht Makulatur. Ein ambitionierter und auf fairen Ausgleich angelegter Koalitionsvertrag überstand nicht mal ein halbes Jahr.
Nicht mehr gesellschaftspolitisches Feintuning war jetzt gefragt, stattdessen stand die Ampel vor klassischen Dilemmata der Politik und mußte in ihrer Folge harte Entscheidungen treffen. Darauf war keiner der Partner vorbereitet, trotzdem gelang der Koalition überraschend schnell eine Antwort, nicht zuletzt mit einem hundert-Milliarden-Sonderprogramm für die Bundeswehr.
Die Energiepolitik der Grünen
Die Probleme begannen danach. Etwa als der grüne Wirtschaftsminister das Land - mitten in einer der schärfsten Energiekrisen der Nachkriegszeit - mit einem vollkommen unausgegorenen Heizungsgesetz schockierte. Oder als Deutschland, mit Rücksicht auf die "grüne Identität" trotz massiver Knappheit bei der Stromversorgung die letzten der für die Grundversorgung dringend nötigen Atomkraftwerke abschalten musste.
Die Liberalen widersprachen, sie entschärften viele Sprengsätze in Habecks Heizungsgesetz, am Ende aber stimmten sie zu - und wurden deshalb für die erratische Energiepolitik der Grünen mit in die Verantwortung genommen.
Deutschland wirtschaftlich in einer Strukturkrise
Besonders bitter für die FDP: Sie bekam in zwei wichtigen Landtagswahlen die Quittung dafür. In Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein, wo das Wahlergebnis zwar auch eine Christlich-Liberale Koalition ermöglicht hätte, Ministerpräsident Günther sich aber gegen die FDP und für die Grünen entschied - getrieben wohl auch von schwarz-grünen Phantasien im Konrad-Adenauer-Haus.
Seitdem dümpeln die Freien Demokraten im Umfragetief, gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde und begleitet von hämischen Kommentaren, auch aus der eigenen Koalition. Währenddessen rutscht das Land wirtschaftlich immer tiefer in eine Strukturkrise, die auch von minimal nach oben korrigierten Wachstumserwartungen und einem etwas angestrengt wirkenden Optimismus des Wirtschaftsministers kaum zu verschleiern ist. "Unternehmen hauen ab," nennt das der CDU Generalsekretär. Und bisher gelingt es auch den Liberalen nicht, sich von dieser Stimmung abzukoppeln.
Schafft die FDP die Trendwende?
Parteichef Christian Lindner versucht nun gegenzusteuern, dafür steht die griffige Losung von der Wirtschaftwende. In der FDP ist Lindner unumstritten, ob aber die Wähler diese Formel aufnehmen werde, angesichts zahlloser anderer "Wenden" in wirtschaftliche und politische Sackgassen, das steht dahin. Zum Lackmustest könnte die Europawahl Anfang Juni werden.
Es ist der letzte bundesweite Urnengang vor der Bundestagswahl, regionale Überlegungen spielen für die meisten Wähler keine Rolle. Die Spitzenkandidatin, Marie Agnes Strack-Zimmermann, ist beliebt und wegen ihrer scharfen Zunge auch gefürchtet. Von ihr wird es abhängen, ob die FDP die Trendwende schafft. Gelingt ihr dies jedoch nicht, dürften in der Partei jene Stimmen lauter werden, die einen Austritt aus der Ampel-Koalition und einen Neubeginn fordern. Und dann geriete wohl auch Lindner selbst unter Druck.
Frank Buchwald ist ZDF-Hauptstadtkorrespondent in Berlin.
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