Gerichtsurteil: "Stromautobahnen" bleiben unter der Erde

    Bundesverwaltungsgericht urteilt:"Stromautobahnen" bleiben unter der Erde

    von Daniel Heymann
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    Für die Energiewende braucht es neue Stromleitungen. Die verlaufen oft unterirdisch – zum Leidwesen von Landwirten, deren Klage das Bundesverwaltungsgericht heute abgewiesen hat.

    Bau einer Stromtrasse
    In einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts ist entschieden worden, dass neue Stromtrassen weiter unter der Erde verlaufen dürfen. Landwirte hatten dagegen geklagt. 08.01.2025 | 1:20 min
    Immerhin hat Georg von Kerssenbrock nun die gewünschte Klarheit: Die Verlegung von Stromkabeln durch seine Felder im ostwestfälischen Borgholzhausen ist rechtmäßig. Gemeinsam mit zwei weiteren Landwirten hatte er sich vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Erdkabel gewehrt, doch die obersten deutschen Verwaltungsrichter wiesen ihre Klage heute ab.
    Mit der heutigen Entscheidung bestätigte das Leipziger Gericht einen Umschwung, den die Politik schon 2015 eingeleitet hatte: Große neue Stromtrassen, für das Gelingen der Energiewende unerlässlich, verlaufen auch in Zukunft meist unter der Erde - Bodenbeeinträchtigungen und hohen Kosten zum Trotz.
    Glühbirne mit den Umrissen Deutschlands und Stromtrassen als Glühfäden
    Leistungsstarke Stromleitungen sollen die Energie vom windstarken Norden in den industriestarken Süden bringen. Dafür muss das Stromnetz um- und ausgebaut werden.27.09.2024 | 1:00 min

    Verlegung dient Umsetzung der Energiewende

    Bei der Erzeugung des Stroms rücken alternative Energien immer weiter in den Vordergrund, sie sollen ein Haupttreiber der Transformation sein. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei die Windenergie, die im vergangenen Jahr einen Anteil von rund 30 Prozent an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland hatte.
    Der Strom kommt vor allem aus dem windigen Norddeutschland. Von dort aus fließt er durch kilometerlange Leitungen in die deutschen Ballungszentren im Westen und Süden.
    Windrad und Rotmilan
    Für die einen geht der Windkraftausbau nicht schnell genug. Für die anderen bedeutet er die Zerstörung der letzten Naturräume. Der Streit um den Ausbau spitzt sich zu.03.09.2023 | 28:54 min
    Diese verliefen in der Vergangenheit in der Regel überirdisch durch Freileitungsmasten. Im Jahr 2015 dann jedoch die Kehrtwende unter der damaligen Großen Koalition, vor allem auf Drängen der bayrischen Landesregierung unter Horst Seehofer (CSU), der "Monstertrassen" in seinem Bundesland fürchtete: Die Weiterleitung soll, so der neue gesetzliche Standardfall für die großen "Stromautobahnen, primär durch unterirdische Erdkabel erfolgen - auch wenn das im Vergleich zur Freileitung Mehrkosten in Milliardenhöhe verursacht.
    Die Grafik zeigt, dass ein Windrad im Schnitt 2.000 Ein-Personen-Haushalte beziehungsweise 800 3-Personen-Haushalte für ein Jahr mit Strom versorgen kann.
    So viele Haushalte versorgt ein Windrad mit Strom.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Erhebliche Belastungen für Landwirte

    Die seitdem vorrangig genutzten Erdkabel werden in etwa zwei Metern Tiefe im Boden verlegt. Für Landwirte eine massive Beeinträchtigung, denn der obere Boden ihrer Äcker muss durch Bagger großflächig abgetragen werden. In Borgholzhausen ist dadurch eine rund vier Kilometer lange Schneise mit einer Breite von knapp 50 Metern entstanden.
    Und auch nach Abschluss der Bauarbeiten ist fraglich, ob die Felder sich erholen können. Die Landwirte beklagen eine Bodenverdichtung und eine zerstörte Wasserführung. Außerdem strahlen die unter der Erdoberfläche liegenden Leitungen Wärme aus, die die Bodenqualität beeinträchtigen kann.

    Ich kriege eine 'Fußbodenheizung', die im Normalbetrieb ca. 40 Grad abgeben wird, im Höchstbetrieb auf bis zu 80 Grad ansteigen wird.

    Georg Graf von Kerssenbrock, Landwirt und Kläger

    Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch

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    Gericht folgt Entscheidung des Gesetzgebers
    Weil der Gesetzgeber sich aber auf die Erdkabel festgelegt hat, waren die Erfolgsaussichten für die Landwirte von vornherein gering. Auf diese politische Richtungsentscheidung beruft sich auch das Gericht in seinem Urteil:

    Der Gesetzgeber erlaubt die Führung von Hochspannungsleitungen als Erdkabel und gibt damit zu erkennen, dass er vorübergehende Schädigungen des Bodens […] für hinnehmbar erachtet.

    Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 3/2025

    Die Richterinnen und Richter weisen außerdem darauf hin, dass die aktuelle Planung eine Vielzahl von Interessen besser berücksichtigt, als es bei einer Freileitung der Fall gewesen wäre:

    Die Führung als Erdkabel schützt das Wohnumfeld etlicher Wohngebäude […]. Zudem kommt das Erdkabel dem Schutz von Biotopen zugute.

    Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 3/2025

    Erdkabel: Neue Bewegung in politischer Debatte
    In der Politik ist unterdessen die Diskussion um die "Stromautobahnen" im letzten Jahr neu aufgeflammt. Ausgerechnet in Teilen der Union, die damals mit der unterirdischen Verlegung neuer Stromleitungen höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erkaufen wollte, regt sich inzwischen Widerstand gegen die teuren Erdkabel: Zustimmung zur Energiewende sei nur mit Kosteneffizienz zu erreichen, so der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung.
    Collage: Harald Lesch hinter Windrad und Stromspeicher
    Wie speichern wir Strom aus erneuerbaren Energien? Zwischenzeitlich verwandeln oder speichern und am besten generell sparen, meint Harald Lesch.19.10.2022 | 0:48 min
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont hingegen die Fortschritte bei neuen Stromleitungen. Er sehe den Kostenpunkt, aber eine Rückkehr zur Freileitungen würde den gerade beschleunigten Netzausbau wieder ausbremsen.
    Für Georg von Kerssenbrock kommt die neue Debatte ohnehin zu spät: Die Bauarbeiten auf seinem Grundstück lassen sich nicht mehr rückgängig machen.
    Daniel Heymann ist Mitarbeiter der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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    Quelle: ZDF

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