Gerichtsurteil: "Stromautobahnen" bleiben unter der Erde
Bundesverwaltungsgericht urteilt:"Stromautobahnen" bleiben unter der Erde
von Daniel Heymann
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Für die Energiewende braucht es neue Stromleitungen. Die verlaufen oft unterirdisch – zum Leidwesen von Landwirten, deren Klage das Bundesverwaltungsgericht heute abgewiesen hat.
In einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts ist entschieden worden, dass neue Stromtrassen weiter unter der Erde verlaufen dürfen. Landwirte hatten dagegen geklagt. 08.01.2025 | 1:20 min
Immerhin hat Georg von Kerssenbrock nun die gewünschte Klarheit: Die Verlegung von Stromkabeln durch seine Felder im ostwestfälischen Borgholzhausen ist rechtmäßig. Gemeinsam mit zwei weiteren Landwirten hatte er sich vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Erdkabel gewehrt, doch die obersten deutschen Verwaltungsrichter wiesen ihre Klage heute ab.
Mit der heutigen Entscheidung bestätigte das Leipziger Gericht einen Umschwung, den die Politik schon 2015 eingeleitet hatte: Große neue Stromtrassen, für das Gelingen der Energiewende unerlässlich, verlaufen auch in Zukunft meist unter der Erde - Bodenbeeinträchtigungen und hohen Kosten zum Trotz.
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Verlegung dient Umsetzung der Energiewende
Bei der Erzeugung des Stroms rücken alternative Energien immer weiter in den Vordergrund, sie sollen ein Haupttreiber der Transformation sein. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei die Windenergie, die im vergangenen Jahr einen Anteil von rund 30 Prozent an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland hatte.
Der Strom kommt vor allem aus dem windigen Norddeutschland. Von dort aus fließt er durch kilometerlange Leitungen in die deutschen Ballungszentren im Westen und Süden.
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Diese verliefen in der Vergangenheit in der Regel überirdisch durch Freileitungsmasten. Im Jahr 2015 dann jedoch die Kehrtwende unter der damaligen Großen Koalition, vor allem auf Drängen der bayrischen Landesregierung unter Horst Seehofer (CSU), der "Monstertrassen" in seinem Bundesland fürchtete: Die Weiterleitung soll, so der neue gesetzliche Standardfall für die großen "Stromautobahnen, primär durch unterirdische Erdkabel erfolgen - auch wenn das im Vergleich zur Freileitung Mehrkosten in Milliardenhöhe verursacht.
So viele Haushalte versorgt ein Windrad mit Strom.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Erhebliche Belastungen für Landwirte
Die seitdem vorrangig genutzten Erdkabel werden in etwa zwei Metern Tiefe im Boden verlegt. Für Landwirte eine massive Beeinträchtigung, denn der obere Boden ihrer Äcker muss durch Bagger großflächig abgetragen werden. In Borgholzhausen ist dadurch eine rund vier Kilometer lange Schneise mit einer Breite von knapp 50 Metern entstanden.
Und auch nach Abschluss der Bauarbeiten ist fraglich, ob die Felder sich erholen können. Die Landwirte beklagen eine Bodenverdichtung und eine zerstörte Wasserführung. Außerdem strahlen die unter der Erdoberfläche liegenden Leitungen Wärme aus, die die Bodenqualität beeinträchtigen kann.
Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch
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Weil der Gesetzgeber sich aber auf die Erdkabel festgelegt hat, waren die Erfolgsaussichten für die Landwirte von vornherein gering. Auf diese politische Richtungsentscheidung beruft sich auch das Gericht in seinem Urteil:
Die Richterinnen und Richter weisen außerdem darauf hin, dass die aktuelle Planung eine Vielzahl von Interessen besser berücksichtigt, als es bei einer Freileitung der Fall gewesen wäre:
Erdkabel: Neue Bewegung in politischer Debatte
In der Politik ist unterdessen die Diskussion um die "Stromautobahnen" im letzten Jahr neu aufgeflammt. Ausgerechnet in Teilen der Union, die damals mit der unterirdischen Verlegung neuer Stromleitungen höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erkaufen wollte, regt sich inzwischen Widerstand gegen die teuren Erdkabel: Zustimmung zur Energiewende sei nur mit Kosteneffizienz zu erreichen, so der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont hingegen die Fortschritte bei neuen Stromleitungen. Er sehe den Kostenpunkt, aber eine Rückkehr zur Freileitungen würde den gerade beschleunigten Netzausbau wieder ausbremsen.
Für Georg von Kerssenbrock kommt die neue Debatte ohnehin zu spät: Die Bauarbeiten auf seinem Grundstück lassen sich nicht mehr rückgängig machen.
Daniel Heymann ist Mitarbeiter der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: ZDF
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