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Vor Bundesverwaltungsgericht:Landwirte klagen gegen Stromtrassen im Acker
von E. Weisenbach und D. Heymann
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Für die Energiewende braucht es neue Stromleitungen, die oftmals unterirdisch verlegt werden. Zum Leidwesen von Landwirten, die nun dagegen geklagt haben.
Erdkabel für Stromtransport: Für die Energiewende muss das Stromnetz ausgebaut werden. Doch dagegen wehren sich Landwirte in Ostwestfalen. (Symbolbild))
Quelle: dpa
Eigentlich hätte Landwirt Georg Graf von Kerssenbrock im Herbst bereits Weizen, Getreide und Mais ausgesät. Doch auf seinen Feldern kann er - wie viele andere Landwirte - vorerst keine Feldfrüchte mehr anbauen. Denn hier, in dem ostwestfälischen Ort Borgholzhausen, haben zahlreiche Bagger eine Schneise geschlagen, so breit wie ein halbes Fußballfeld - zur Verlegung von Stromleitungen.
Dagegen wehrt sich Kerssenbrock, gemeinsam mit zwei weiteren Landwirten, nun vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Entscheidung könnte Auswirkungen auf viele ähnlich gelagerte Projekte bundesweit haben.
Stromkabelverlegung notwendig für Energiewende
Um die Energiewende voranzutreiben, soll für die Stromerzeugung vermehrt auf alternative Energien zurückgegriffen werden. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei die Windenergie, die im vergangenen Jahr einen Anteil von rund 30 Prozent an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland hatte.
Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch
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Der Strom kommt dabei vor allem aus dem windigen Norddeutschland. Von dort aus führen kilometerlange Stromleitungen in die deutschen Ballungszentren im Westen und Süden. In der Vergangenheit wurden diese Stromleitungen vor allem als Freileitungen verlegt - überirdisch durch Freileitungs- oder Strommasten.
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Im Jahr 2016 hat dann jedoch die damalige Große Koalition unter Angela Merkel (CDU) gesetzlich festgeschrieben: Die Stromweiterleitung soll vorrangig durch unterirdische Erdkabel erfolgen. Dieses Verfahren der sogenannten "offenen Erdverkabelung" sieht vor, dass die Kabel in etwa zwei Meter Tiefe im Erdboden verlegt werden.
Leistungsstarke Stromleitungen sollen die Energie vom windstarken Norden in den industriestarken Süden bringen. Dafür muss das Stromnetz um- und ausgebaut werden.27.09.2024 | 1:00 min
Erhebliche Belastungen für Landwirte
Für Landwirte bringt dieses Verfahren große Beeinträchtigungen mit sich. Denn der obere Boden ihrer Äcker muss durch Bagger breitflächig abgetragen werden. Dadurch entsteht eine rund vier Kilometer lange Schneise mit einer Breite von knapp 50 Metern.
Und auch nach Abschluss der Bauarbeiten erholen sich die Felder nicht. Die Landwirte beklagen eine Bodenverdichtung und eine zerstörte Wasserführung. Außerdem strahlen die unter der Erdoberfläche liegenden Leitungen Wärme aus, die die Bodenqualität beeinträchtigen kann.
Im Eilverfahren bereits gescheitert
Doch die Erfolgsaussichten der Klage sind gering. Im Eilverfahren sind die Kläger bereits gescheitert. Dabei gibt es durchaus Alternativen zum Verfahren der offenen Erdverlegung: Die Kläger sprechen sich für die Rückkehr zur oberirdischen Freileitung aus - trotz der damit einhergehenden Gefahren für Vögel. Außerdem sind die Masten für einige Kritiker auch aus ästhetischer Sicht die schlechteste Variante.
So viele Haushalte versorgt ein Windrad mit Strom.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Eine weitere Option könnte die sogenannte Bohrlösung sein. Bei diesem Verfahren bohren Spezialmaschinen in einer Tiefe von ca. zwölf Metern Kanäle in die Erde. So wird die Erdoberfläche nur an der Ein- und Austrittsstelle belastet - die von den Stromleitungen ausgehende Wärme erreicht nicht die Erdoberfläche und lässt Feldfrüchte wie Kleintierwelt unberührt.
Urteil ist eine Grundsatzentscheidung
Die Bauarbeiten auf dem Grundstück von Kerssenbrock lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Für die Kabelverlegung in seinem Boden erhält er eine gesetzlich festgelegte Entschädigung, die genaue Höhe wird in einem Gutachten noch ermittelt.
Doch darum geht es dem Landwirt nicht, ihn treibt - auch mit Blick auf nachfolgende Generationen - die Frage um, wie er seine Felder in Zukunft noch bewirtschaften kann. Deshalb möchte er grundsätzlich klären lassen, wie in Zukunft Strom durch Deutschland fließen soll - und welche persönlichen Nachteile dafür womöglich in Kauf genommen werden müssen.
Die Verhandlung findet heute in Leipzig statt, ein Urteil wird es wohl erst im Januar geben.
Emily Weisenbach und Daniel Heymann, ZDF-Redaktion Recht und Justiz
Quelle: ZDF
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