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FAQ
Hochradioaktiver Atommüll:Endlagersuche ohne Ende? Das sind die Folgen
von Kevin Schubert
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Ein neues Gutachten zeigt: Deutschlands Suche nach einem Endlager für Atommüll könnte noch länger dauern. Warum das längst bestehende Probleme noch verschärft - ein Überblick.
Seit Jahren wird ein Endlager für den hochradioaktiven Atommüll in Deutschland gesucht. Nun könnte es laut einer Studie noch länger dauern, bis ein Standort feststeht – bis 2074.07.08.2024 | 2:17 min
Wohin mit hochradioaktiven Abfällen? Eigentlich sollte diese Frage bis 2031 beantwortet werden. Doch ein neues Gutachten zeigt: Die Suche nach einem Endlager in Deutschland könnte sich - ohne Planungsänderungen - um Jahrzehnte verzögern.
"Selbst bei einem idealen Projektablauf muss damit gerechnet werden, dass das Verfahren erst im Jahr 2074 abgeschlossen werden kann", heißt es in der Untersuchung des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Der Deutschlandfunk hatte zuerst über das Gutachten berichtet.
- Das neue Gutachten im Detail: Warum die Endlagersuche länger dauert
Auch wenn das Umweltministerium gegenüber ZDFheute optimistisch ist, dass es am Ende doch schneller geht: Experten für Endlagersysteme warnen deutlich vor bestehenden Herausforderungen und Problemen, die sich durch die Verzögerung noch verschärfen. Eine Übersicht.
Die nun errechnete Verzögerung ist nicht die erste bei der Endlagersuche. Bereits 2022 hatte das Umweltministerium aufgrund einer anderen Studie eingeräumt, das Datum 2031 sei kaum zu halten. Damals wurde ein Zeitraum zwischen 2046 und 2068 genannt.
Ein Sprecher des Umweltminsteriums verweist gegenüber ZDFheute darauf, bereits 2022 Optimierungen gefordert und Gespräche mit den Akteuren aufgenommen zu haben. "Hier wurden bereits Fortschritte erzielt", die im neuen Gutachten noch nicht berücksichtigt werden konnten. "So begleitet das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorung (BASE) seit März 2024 die Arbeiten der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) kontinuierlich und wird daher die in der Studie angenommenen langen Prüfzeiten stark verkürzen können." Das Umweltministerium strebe zudem weitere Verfahrensoptimierungen an.
Die BGE werde Ende 2027 Standortregionen vorschlagen. "Dies ist der richtige Zeitpunkt, umfassendere weitere Beschleunigung transparent zu diskutieren und zu regeln", erklärt der Sprecher. "Besonders bei der dann nach 2027 folgenden ober- und untertägigen Erkundung können große Zeiten eingespart werden." Dazu führe das Ministerium bereits Evaluierungen mit allen Beteiligten durch. Diese Potenziale seien im Gutachten des Öko-Instituts "nicht ausreichend berücksichtigt" worden.
Ein Sprecher des Umweltminsteriums verweist gegenüber ZDFheute darauf, bereits 2022 Optimierungen gefordert und Gespräche mit den Akteuren aufgenommen zu haben. "Hier wurden bereits Fortschritte erzielt", die im neuen Gutachten noch nicht berücksichtigt werden konnten. "So begleitet das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorung (BASE) seit März 2024 die Arbeiten der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) kontinuierlich und wird daher die in der Studie angenommenen langen Prüfzeiten stark verkürzen können." Das Umweltministerium strebe zudem weitere Verfahrensoptimierungen an.
Die BGE werde Ende 2027 Standortregionen vorschlagen. "Dies ist der richtige Zeitpunkt, umfassendere weitere Beschleunigung transparent zu diskutieren und zu regeln", erklärt der Sprecher. "Besonders bei der dann nach 2027 folgenden ober- und untertägigen Erkundung können große Zeiten eingespart werden." Dazu führe das Ministerium bereits Evaluierungen mit allen Beteiligten durch. Diese Potenziale seien im Gutachten des Öko-Instituts "nicht ausreichend berücksichtigt" worden.
Problem 1: Was passiert mit den Zwischenlagern?
Deutschlands Zwischenlager sind ab Betriebsbeginn für maximal 40 Jahre genehmigt. Es gibt also ein klar definiertes Ablaufdatum - und das naht bei allen Zwischenlagern: Für die großen Zwischenlager Gorleben (2034) und Ahaus (2036) etwa laufen die Genehmigungen bereits in etwas mehr als zehn Jahren aus, nach 2047 gibt es keine Genehmigung mehr.
Wohin mit dem hochradioaktiven Atommüll? Darüber streiten Politik und Atomkraftgegner seit Jahren. Die Endlagersuche soll jetzt mit Bürgerbeteiligung vorangehen. Kann das klappen?25.04.2023 | 43:50 min
"Eine moderate Verlängerung der Genehmigungen ist kein Problem", beruhigt Klaus-Jürgen Röhlig, Professor für Endlagersysteme an der TU Clausthal. "Es gibt auch keine unmittelbare Gefahr nach Ablauf der Genehmigung." In der Schweiz funktioniere die Zwischenlagerung im Prinzip wie in Deutschland. "Dort gibt es zum Beispiel gar keine Begrenzung auf 40 Jahre", sagt Röhlig.
Bei einer Endlagersuche bis 2074 brauche es aber keine "moderate" Verlängerung, sondern eine "radikale Änderung der Zwischenlagerstrategie", mahnt Röhlig. Dabei gehe es nicht nur um Fragen der Behältersicherheit. "Das betrifft auch viele Standorte, viele Gemeinden", sagt der Experte.
Wohin mit dem Atommüll?16.05.2023 | 9:08 min
Selbst wenn 2074 ein passender Standort für ein Endlager gefunden ist: Deutschland könnte noch deutlich länger auf Zwischenlager angewiesen sein, sagt Klaus-Jürgen Röhlig. "Das Endlager muss genehmigt werden, dann gibt es vielleicht noch Klagen, dann muss das Endlager noch gebaut werden", erklärt der Clausthaler Professor. "Erst dann können die Abfälle aus den Zwischenlagern in ein Endlager transportiert werden."
Der Leiter der Abteilung "Radioaktive Abfälle und Endlagerbarrieren" am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Volker Metz, schätzt deshalb, dass sich die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle "bis weit ins nächste Jahrhundert verlängert". Die Entsorgungskommission des Bundesministeriums für Umwelt habe bereits vor einem Jahr Zwischenlagerzeiten "von bis zu 120 Jahren" abgeschätzt.
Ein Sprecher des Umweltministeriums verweist darauf, dass die zeitlich begrenzten Aufbewahrungsgenehmigung nie technische Gründe hatte, sondern "durch die damalige Entsorgungsplanung (Endlagerung am Standort Gorleben) begründet" war. "Nach bisherigen Kenntnissen kann davon ausgegangen werden, dass eine sichere Zwischenplanung deutlich über die bislang genehmigte Aufbewahrung für 40 Jahre gewährleistet werden kann." Die verwendeten Behälter seien für die trockene Zwischenlagerung auch länger geeignet, "das radioaktive Material sicher einzuschließen und abzuschirmen".
Problem 2: Wann wird Zeit zum sicherheitsrelevanten Faktor?
120 Jahre sind eine lange Zeit - und "Zeit ist ein sicherheitsrelevanter Einflussfaktor", sagt KIT-Experte Metz. Bei der Zwischenlagerung würden "die Sicherheitsfunktionen der Gebäude, der Behälter und der Abfallmatrizes mit fortschreitender Zeit alterungsbedingt geschwächt", erklärt Metz. Das unterscheide Zwischenlager von geologischen Endlagern mit mehreren Barrieren, in denen "die natürlichen Isolationseigenschaften des Gesteins und des mineralischen Verfüllmaterials den Einschluss der radioaktiven Abfälle übernehmen und somit stabilisieren".
Neben technischen Sicherheitsaspekten verweist Metz auch auf ungewisse gesellschaftliche, wirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen bis zum Ende des Jahrhunderts.
Der Rückbau der abgeschalteten deutschen AKW würde sofort gestoppt, wenn es nach der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht. Vor dem Jahrestag des Ausstiegs fordert sie ein Moratorium.16.04.2024 | 7:29 min
Problem 3: Wird es genug Fachkräfte für atomare Sicherheit geben?
Der Clausthaler Professor für Endlagersysteme, Klaus-Jürgen Röhlig, hält es für möglich, dass die Endlagersuche am Know-How-Verlust scheitern könnte.
"Das bedeutet, das Fachleute verloren gehen", sagt der Experte. Die Zwischenlager müssten überwacht, Messwerte erhoben, die Behältersicherheit geprüft werden. "Die Behälter sind zwar massiv gebaut", sagt Röhlig, "potenzielle Schwachpunkte wie die Deckeldichtungen müssen aber im Auge behalten werden." Mängel könnten zwar jederzeit behoben werden. "Aber gibt es in 50 Jahren noch die Leute, die das machen?"
Warum ist die Endlagersuche in Deutschland überhaupt so kompliziert?
Finnland hat bereits ein Endlager für hochradioaktive Abfälle errichtet, auch in Frankreich sind die Planungen weit fortgeschritten. Dass es in Deutschland so lange dauere, begründet Röhlig auch historisch. "Jahrzehntelang wurde versucht, den Standort Gorleben politisch durchzusetzen", sagt der Experte. "Das ist auf erheblichen Widerstand gestoßen - und am Ende ja auch gescheitert."
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) wies den Standort des Salzstocks in ihrem Zwischenbericht 2020 nicht als Teilgebiet aus. Damit schied Gorleben gemäß Standortauswahlgesetz aus dem Suchverfahren aus.
Nun sei die Poltik "von einem Extrem ins andere gefallen", sagt Röhlig. Aus der Konflikterfahrung um Gorleben heraus versuche sie nun "alles ganz vorsichtig und extra ordentlich und dadurch behäbig" zu machen.
Diese deutsche Gründlichkeit werde zweitens durch eine Reihe geologischer Besonderheiten bestärkt, sagt Röhlig. "Wir haben unterschiedliche geologische Möglichkeiten, in was für einem Wirtsgestein wir ein Endlager bauen könnten", erklärt der Experte für Endlagersysteme. "Andere Länder haben diese Auswahl nicht, aber dann sagen wir in Deutschland eben: Wir suchen jetzt das bestmögliche Endlager und beschäftigen uns in aller Ausführlichkeit mit allen denkbaren Varianten." Und wenn es 50 Jahre dauert.
Quelle: mit Material von Reuters
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