Wie umgehen mit neuer Partei?:CDU zu Wagenknecht: Populistisches Potpourri
von Daniel Pontzen
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Für die CDU stellt sich nach der Debatte um die Brandmauer zur AfD die nächste Gretchen-Frage: Wie hältst Du's mit der Wagenknecht-Partei? Die Tendenz ist klar - vorerst.
Könnte Wagenknecht mit ihrer neuen Partei eine Gefahr für die CDU werden? Derzeit wird über den Umgang diskutiert.
Quelle: dpa
Die sommerliche Entspannung war dieses Jahr nachhaltig getrübt bei der CDU - durch die Debatte über den Umgang mit der AfD. Nun steht gleich die nächste unbequeme Frage ähnlicher Art im Raum: Wäre denn eine Zusammenarbeit, ein Bündnis gar, mit der Wagenknecht-Partei denkbar?
Der Parteichef Friedrich Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann mögen sich hierzu, vorläufig jedenfalls, nicht öffentlich äußern. Weitere Präsidiumsmitglieder tun es ihnen gleich, und verweisen hinter vorgehaltener Hand darauf, dass die Wagenknecht-Partei ohnehin viel zu viel Aufmerksamkeit bekomme - und das, obwohl sie noch nicht mal gegründet ist. Gleichwohl werden sich die Christdemokraten früher oder später (angesichts der im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen im Osten wohl eher früher) hierzu positionieren müssen.
CDU-Politikerin Prien: Wagenknecht ist "waschechte Kommunistin"
Das Ignorieren des "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) mancher Partei-Oberer flankieren daher andere mit gehöriger Skepsis. So warnt die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien gegenüber ZDFheute: "Jenseits des momentanen Medienhypes tun alle demokratischen Parteien gut daran, das Erstarken der politischen Ränder rechts wie jetzt auch links sehr ernst zu nehmen", so die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein:
Priens Chef, Ministerpräsident Daniel Günther, hatte seiner CDU vor einigen Jahren im Umgang mit Wagenknechts bisheriger Partei, der Linken, zu mehr Offenheit geraten - nötigenfalls auch für Koalitionen. Je nach Wahlergebnis müsse "die CDU pragmatisch sein", so Günther 2018 - was ihm seinerzeit einiges an parteiinterner Kritik eintrug (und den in Unions-Kreisen wenig schmeichelhaften Spitznamen "Genosse Günther").
CDU-Politiker Mohring: Menschen wissen nicht, was sie wählen sollen
Schon damals gab es vor allem in den ostdeutschen Bundesländern vereinzelt allerdings auch Zustimmung zu solchem Pragmatismus. Und auch jetzt verlauten Stimmen, die vor allzu frühem und kategorischem Ausschließen warnen. So sagt der ehemalige Landesvorsitzende der Thüringer CDU, Mike Mohring, mit Blick auf die hohen Zustimmungswerte des BSW:
Die Positionen der Wagenknecht-Partei seien noch völlig unklar, "aber ich würde jedenfalls raten, nicht schon wieder von vornherein jegliches Wort zueinander ausschließen. Unsere Demokratie braucht den Diskurs und die Mehrheit der Wähler in Thüringen will diese Debatten unter den Parteien erleben."
CDU-Politiker Wanderwitz schließt Kooperation mit BSW aus
Man kann das als Anzeichen dafür deuten, dass der Union durchaus noch eine Diskussion hierzu ins Haus steht. Denn so überzeugt Mohring davon ist, sich wandelnde Realitäten anerkennen und sich ihnen anzupassen zu müssen, so überzeugt sind andere - auch im Osten - von ganz prinzipieller Ablehnung.
So sagte der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, dem ZDF-Hauptstadtstudio: "Populisten von Linksaußen, die beispielsweise in der Migration und bei Feindseligkeit gegen Europa und das westliche Militärbündnis Positionen von Rechtsaußen nahtlos adaptieren, machen die politische Landschaft in Deutschland nicht besser." Daher gelte:
Hieraus leitet Wanderwitz auch die Forderung ab, den parteiintern festgelegten Grundsatz, nicht mit AfD und/oder Linke zu kooperieren, zu erweitern. "Es gilt den Unvereinbarkeitsbeschluss dahingehend anzupassen", so Wanderwitz.
Union: Zusammenarbeit mit Linkspartei wäre "Angriff auf Identität"
Vor fast fünf Jahren hatte die Union offiziell notiert - und 2020 noch einmal bekräftigt: "Eine Zusammenarbeit mit Linkspartei oder AfD wäre nicht nur ein Angriff auf unsere Identität und ein Verrat an unseren christdemokratischen Werten. Sie würde auch unser wichtigstes Gut beschädigen: unsere Verlässlichkeit und unsere Glaubwürdigkeit."
Jenseits solcher grundsätzlichen Fragen stünden freilich auch immense inhaltliche Hürden - etwa wirtschafts- und finanzpolitisch. "Die Talkshow-Politikerin Wagenknecht kann Probleme mitunter sogar gut beschreiben", sagt etwa Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. "Lösungen aber sind von ihr nicht zu erwarten. Wirtschaftlich lockt sie mit einigen interessanten Stichworten, das Konzept aber bleibt der Sozialismus, der schon viele Volkswirtschaften zu Grunde gerichtet hat."
CDU-Politiker Knoerig: Nicht mit "ungelegten Eiern" beschäftigen
Auch innerhalb des sozialpolitischen Flügels scheint niemand auf die neue Partei zu warten - wenngleich die Ablehnung etwa bei Axel Knoerig weniger schroff klingt: "Das Bündnis von Frau Wagenknecht steckt noch in den Kinderschuhen:
Es gibt noch kein Programm, geschweige denn eine Partei oder Landesverbände mit entsprechenden Köpfen", so der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion: "Ich halte es zum jetzigen Zeitpunkt für angebracht, den Blick vor allem auf unsere Inhalte zu richten, statt sich zu sehr mit ungelegten Eiern zu beschäftigen."
Überraschende Signale von Mohamed Ali
Die Gegenseite signalisierte unterdessen schon vor Wochen so etwas wie vorauseilendes Wohlwollen. Die bislang prominenteste Weggefährtin Wagenknechts, Amira Mohamed Ali, hatte die CDU Mitte September - damals für viele überraschend - in Schutz genommen, nachdem die Christdemokraten in Thüringen mit Stimmen der AfD einen Antrag durchgebracht hatten, zum Thema Grunderwerbssteuer. "Was die Union hier gemacht wird, ist einfach ganz normales parlamentarisches Vorgehen", so die damalige Co-Fraktionsvorsitzende der Linken. Die CDU habe als Opposition einen Antrag eingebracht, über den sei dann abgestimmt worden.
Im Nachhinein klingt es, als habe Mohamed Ali schon mal vertrauensbildend in Vorleistung treten wollen. Ob es sich eines Tages auszahlen wird? Derzeit scheint es äußerst unwahrscheinlich, aber noch, wie gesagt, ist die Wagenknecht-Partei ja nicht mal gegründet. Und im Osten noch nicht gewählt.
Anmerkung der Redaktion: Redaktionell wurde in der Verarbeitung dieses Autoren-Beitrags der CDU-Generalsekretär falsch benannt. Der Fehler wurde korrigiert und die Stelle angepasst.
Sahra Wagenknecht hat die Gründung ihres Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht" bekanntgegeben. Politologe Faas ordnet ein, ob sie die politische Landschaft nachhaltig verändern kann.