Nachwuchssorgen bei der Bundeswehr: Wer will zur Truppe?

    Schnupperkurs in der Kaserne:Wer will noch zur Bundeswehr?

    von Jan-Frederik Fischer
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    Während die Bundeswehr schrumpft, wachsen die Aufgaben. Dazu kommt die Konkurrenz mit der Wirtschaft: Für den Nachwuchs gibt es attraktive Alternativen. Wer will noch zur Truppe?

    ZDFHeute Fallback Bild
    Verteidigungsminister Pistorius will gegen sinkende Bewerberzahlen ankämpfen. Mehr dazu im Video.02.08.2023 | 1:43 min
    Während in ganz Deutschland die Schulen geschlossen sind, stellen sich in baden-württembergischen Niederstetten zwölf junge Menschen im Spalier um einen Sandkasten auf. Die nächste Übung steht an: Minensuchtraining.
    Ein älterer Bundeswehrsoldat gibt Hinweise, wie man es in der Realität vermeidet, den Zünder einer Mine zu treffen - und lässt die 16- bis 27-Jährigen selbst nach Attrappen suchen. Kurze Zeit später knallt es - versteckte Ballons platzen. Eine fiktive Mine wurde getroffen. Im Ernstfall gebe es jetzt womöglich Schwerverletzte.

    Bundeswehr will Erfahrungen vor Ort vermitteln

    Alexa gefällts. Die 18-Jährige hat sich bewusst dafür entschieden, an einem fünftägigen Praktikum der Bundeswehr teilzunehmen. Es ist eine Art Schnupperkurs bei der Truppe.
    Mit solchen und anderen Veranstaltungen will die Bundeswehr im Buhlen um immer weniger Schulabgänger attraktiver werden. Der Vorteil: Die Soldaten können vor Ort Erfahrungen aus erster Hand vermitteln - und die Bewerber nach Tipps und Erfahrungen fragen.
    Wie hat sich das Verhältnis der Deutschen zur Bundeswehr geändert?
    Alexa macht im nächsten Jahr Abitur und will danach wohl zur Truppe - wenn auch erstmal zeitlich begrenzt. Denn obwohl sie überzeugt ist, sei es schließlich keine einfache Entscheidung:

    Für mich persönlich kommt gerade eher dieser freiwillige Wehrdienst in Betracht. Für zwölf Monate mal reingucken. (…) Und wenn ich danach sage: 'Nö - ist nichts für mich, dann kann ich ja immer noch gehen und was Anderes machen.

    Alexa, 18 Jahre alt

    Bundeswehr: Nachwuchs dringend benötigt

    Damit die ausgerufene Zeitenwende gelingt, braucht es Personen wie Alexa - oder besser: Personen, die sich langfristig verpflichten lassen. Denn die Bundeswehr steht vor Problemen. Die Truppe schrumpft immer weiter:
    Bundeswehr Nachwuchs

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    Hinzu kommen hohe Abbrecherquoten und ein Bewerbermangel. Erst gestern wurde bekannt, dass zwischen Januar und Mai rund sieben Prozent weniger Bewerbungen eingingen als im Vorjahreszeitraum. So stellt selbst der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mittlerweile das Ziel einer deutlichen Aufstockung auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis 2031 öffentlich auf den Prüfstand.
    Um neuen Nachwuchs zu gewinnen, fordert er jetzt etwa eine bessere Kontaktpflege, damit Bewerber im Bewerbungsprozess nicht abspringen. Gleichzeitig müsse ein realistischeres Bild gezeigt werden. Er will:

    Dass wir keine Mission Impossible-Filmchen drehen darüber, was bei der Bundeswehr alles passieren könnte, wie in Hollywood.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister

    Mehr zu Pistorius' Blick auf die Situation und seinem ersten Besuch in einem "Bundeswehr Karrierecenter" finden Sie hier:

    Bundeswehr: Bereit, Verantwortung zu übernehmen?

    Die Probleme sind in Niederstetten erst einmal zweitrangig. Hier will man den Nachwuchs begeistern. Doch seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine muss dabei jedem Bewerber klar sein: Schneller als bisher könnte ein Einsatz konkret werden.
    Die Teilnehmer wissen um ihre mögliche Verantwortung - auch Alexa. Wenn man sich für die Bundeswehr entscheide, dann entscheide sich jeder schließlich bewusst dazu. Doch der Ukraine-Krieg lässt auch sie nicht ganz kalt - für viele Jahre verpflichten, möchte sie sich nicht direkt:

    Krieg ist nicht schön. Vielleicht kommt das, was in der Ukraine ist, zu uns oder so. Und ich bin dann eigentlich komplett mittendrin. Also ich bin die erste, wenn was Schlimmes passiert. Ich bin die erste, die tot ist.

    Alexa, 18 Jahre alt

    Andere Arbeitgeber habe sich die Schülerin schon angeschaut, doch einen Job in der Pflege oder einen medizinischen Beruf könne sie sich nicht vorstellen. Sie schätze das Soziale, die Abwechslung und will "anpacken". Viele hier sehen das ähnlich - auch Pia. Sie erwartet von der Bundeswehr:

    Dass ich etwas leisten kann für mein Land, dass ich meine Familie stolz machen kann und dass es mir Spaß macht. (…) Ich glaube nicht, dass es mit keinem anderen Job geht.

    Pia

    Brauchen wir eine starke Bundeswehr?

    Reinschnuppern ins Soldatenleben

    Auch der 16-jährige Alexander tauscht eine Woche Schulferien gegen Tarnanzug. Kurz nachdem er einen Rettungshubschrauber von einem Piloten gezeigt bekommt, erklärt er, dass er später auch selbst fliegen möchte. Bei der Bundeswehr schätze er vor allem die Technik und - wie viele anderen - die Kameradschaft. Sorgen vor gefährlichen Situation habe er generell weniger:

    Jeder Beruf hat ein Risiko, klar jetzt nicht so groß wie zum Beispiel bei der Bundeswehr. Aber ich denke, wenn man es wirklich will und sich dafür interessiert, nimmt man es in Kauf.

    Alexander, 16 Jahre alt

    Vor einem echten Einsatz würde auch er nicht zurückschrecken - ganz im Gegenteil: Der Ukraine-Krieg habe das Interesse an die Bundeswehr doch eher bestärkt:

    Also ich find’s schon cool, dass ich helfen kann später, auch, wenn der Ernstfall kommt, mein Land zu verteidigen.

    Alexander, 16 Jahre

    Seine Mutter habe mit Blick auf seinen Jobwunsch "schon etwas Angst", erzählt der Schüler, aber sie akzeptiere es. Denn: Sie wisse, dass es Alexanders großer Wunsch ist.

    Zeitenwende braucht Personal

    Die Gedanken der Teilnehmer des Camps zeigen eine Seite der aktuellen Debatte. Menschen, die sich bewusst entscheiden und schon einen Schritt weiter sind. Die Bundeswehr muss aber noch viel mehr erreichen, um die eigenen Ziele nicht zu gefährden.
    Denn neues Material muss bedient werden. Mit Projektwochen, wie in Niederstetten, legt die Truppe sich ins Zeug, um geeignete Interessenten anzusprechen. Ob das wirklich ausreicht, ist unklar.

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