Berlin: Mieten-Krisengipfel gegen auslaufende Sozialbindung
Berliner Mieter wehren sich:Krisengipfel gegen auslaufende Sozialbindung
von Sylvia Bleßmann
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Durch die Zunahme von Eigenbedarfskündigungen droht in Berlin massive Verdrängung. Allein in Pankow sind aktuell 3.600 Haushalte betroffen. Mieter und Politik suchen Lösungen.
In Berlin steigen Eigenbedarfskündigungen nach Auslaufen der Mietpreisbegrenzung. Die Politik scheint das Problem bisher zu ignorieren.14.02.2024 | 2:07 min
Als die Mitteilung über den Verkauf ihrer Wohnung im Briefkasten lag, konnte Camilla Elle noch nicht abschätzen, was das für Folgen haben könnte.
Seit acht Jahren lebt sie in dem Haus im Prenzlauer Berg mit 30 Mietparteien. Drei von ihnen haben bereits eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten. Ihr Nachbar Michael zum Beispiel erwartet jeden Tag die Räumungsklage:
Ich wusste, dass es eine Eigentumswohnung ist. Aber ich wusste nicht, dass es eine Sozialbindung gibt.
„
Michael, Betroffener
Wohnungen, deren Neu- oder Umbau aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, unterliegen den Gesetzen des sozialen Wohnungsbaus. Das heißt, sie können im Gegenzug eine Zeit lang in der Miete begrenzt und von Eigenbedarfskündigungen ausgeschlossen werden.
Eine Mietsteigerung von circa 40 Prozent kann er sich nicht leisten. 120 Mal hat er Bewerbungen abgeschickt, um eine neue Wohnung zu finden. Keine Chance, in Berlin irgendetwas Bezahlbares zu finden.
Bezahlbarer Wohnraum fehlt überall und der Bau neuer Wohnungen kommt nicht voran. In Berlin werden Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt, in Mülheim an der Ruhr setzt sich die Stadt für bezahlbaren Wohnraum ein.09.03.2024 | 5:00 min
Verdrängungswelle in den Innenstadtkiezen
Wohnen sei ein Geschäftsmodell geworden, meint Camilla. Eigentümer erzielen in dieser Gegend bei Neuvermietungen fette Gewinne. Lag die Miete mit Sozialbindung bei etwa fünf Euro, verlangen Eigentümer nun 20 bis 30 Euro pro Quadratmeter.
In den letzten zehn Jahren wurden in Berlin fast 150.000 Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen umgewandelt - was zu einer Verdrängungswelle in den Innenstadtkiezen führte, besonders in den Altbauwohnungen im Ostteil der Stadt.
Nach der Wende wurde hier mit Millionen an Steuergeldern saniert. Im Gegenzug wurden Mieterhöhungen für 20 bis 30 Jahre begrenzt, Eigenbedarfskündigungen ausgeschlossen. Nun laufen viele der alten Verträge aus. Tausende Wohnungen fallen aus der Sozialbindung. Für eine Mieterstadt wie Berlin dramatisch, denn in den letzten zehn Jahren haben bereits 50.000 Wohnungen ihre Sozialbindung verloren. Neu gebaut wurden lediglich 9.800 im gleichen Zeitraum.
Camilla Elle will kämpfen. Sie hat gemeinsam mit anderen Betroffenen aus 123 Häusern im Kiez die Initiative "Pankow gegen Verdrängung" gegründet.
Sie haben sich vernetzt und den Senat zum Handeln motiviert. Ihre Forderungen:
ein Härtefallfonds für Mieter, die sich steigende Mieten nicht mehr leisten können
ein Verbot von Eigenbedarfskündigungen
Zweckentfremdung wie Leerstand und Ferienwohnungen sowie möbliertes Wohnen müssen stärker kontrolliert werden
ein Pilotprojekt für den Ankauf von betroffenen Wohnungen und Häusern durch gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen
Der Senat soll endlich mögliche Wege zur Verlängerung von Sozialbindungen und zur Schaffung dauerhafter Sozialbindung im Wohnungsbestand prüfen.
Trotz Wohnungsnot stehen in Deutschland Hunderttausende Wohnungen leer: Laut Bundesbauministerium sind es etwa 1,7 Millionen, andere Quellen sprechen von rund 550.000.23.01.2024 | 6:41 min
Diskussion mit Senatsvertretern
Den ganzen Tag diskutierten Arbeitsgruppen der mietenpolitischen Zivilgesellschaft mit Senatsvertretern über Handlungsmöglichkeiten auf Bundes-, Länder- und Bezirksebene, suchten nach Lösungen, wie Mietern geholfen werden kann, deren Wohnungen aus der Sozialbindung fallen.
In der Diskussion mit Senatsvertretern suchten Betroffene nach Lösungsansätzen für das Mietproblem.
Quelle: ZDF
Das erste Fazit: Die Fehler wurden schon vor Jahrzehnten gemacht. Kurzfristige Lösungen sind schwierig. An einem Wohnraumsicherungsgesetz wird in Berlin gearbeitet, genauso an Bundesratsinitiativen.
Der zuständige Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler (SPD), hatte kurzfristig abgesagt und seinen Staatssekretär geschickt. Diesem wurden 1.737 Unterschriften von Betroffenen überreicht, um die Politik endlich zum Handeln zu motivieren.
Sylvia Bleßmann ist Redakteurin und Reporterin im ZDF-Landesstudio Berlin.
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