Landtagswahl in Bayern: Die Debatten werden schriller
Landtagswahl in Bayern:Die Debatten werden schriller
von Alexander Poel, München
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Die CSU kann ihr (schlechtes) Ergebnis von 2018 kaum halten und steht vor schwierigen Koalitionsverhandlungen mit selbstbewussten freien Wählern. Größter Gewinner ist die AfD.
Markus Söder
Quelle: reuters
Die "Flugblatt-Geschichte". Könnte ein Buchtitel sein. Ein Märchen - so viel ist sicher - ist es für Markus Söder nicht. Unter anderem mit der "Flugblatt-Geschichte" begründet der CSU-Chef das Abschneiden seiner Partei bei der gestrigen Landtagswahl. Der Skandal um ein antisemitisches Flugblatt hat Hubert Aiwanger und seinen Freien Wählern ein sattes Plus beschert: über vier Prozent. Ein Solidarisierungseffekt, heißt es aus der CSU.
Sie dagegen konnte ihr Ergebnis aus 2018 gerade so halten. Angesichts der schlechten Umfragewerte für die Ampelkoalition und der heftigen Attacken gerade aus Bayern kann man die Frage stellen, warum da nicht mehr zu holen war.
Der CSU-Vorstand, der bis vor kurzem tagte, sieht über den geringen Stimmenverlust hinweg. Söder spricht von einer "guten, konstruktiven Sitzung". Als Konsequenz aus dem Wahlergebnis fordert er unter anderem "eine Umkehr der bisherigen Asylpolitik in Deutschland." Man müsse in diesem Zusammenhang auch über das Grundrecht auf Asyl neu diskutieren, so der CSU-Chef. In seiner Partei sind einige der Meinung, Söder hätte früher auf das Thema Migration setzen sollen.
CSU-Spitzenkandidat zum Sieg bei der Landtagswahl in Bayern.08.10.2023 | 6:12 min
Huber: "Strategischer Fehler"
Dass Hubert Aiwanger auch noch ein Direktmandat holt, macht die Sache für den CSU-Chef nicht einfacher. Die Freien Wähler sind nun die zweitstärkste politische Kraft in Bayern. "Hausgemacht" sagt dazu der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber. Im Deutschlandfunk konstatiert er, es sei ein "strategischer Fehler" gewesen, einen Koalitionswahlkampf zu führen.
Klar scheint: die Koalitionsverhandlungen dürften erheblich schwieriger werden, als 2018. Über vier Prozent hat Hubert Aiwanger für seine Partei dazugewonnen.
"Kein Anspruch ableitbar"
Und meint damit: vier statt bisher drei. Parteichef Söder lehnt das ab. "Den Freien Wählern steht kein weiterer Kabinettsposten zu", so der CSU-Chef. Hubert Aiwanger aber scheint sich seiner Sache sicher. Und er zieht seine Kraft offenbar längst nicht nur aus der Flugblatt-Affäre oder einem Auftritt bei einer Demonstration in Erding.
"Den Freien Wählern gelingt es, gerade im ländlichen Raum die Menschen glaubwürdig anzusprechen", stellt Professorin Jasmin Riedl von der Bundeswehruniversität in München fest. "Da ist Hubert Aiwanger ein super Zugpferd."
Grüne Themen verfangen nicht
Anders als die beiden Spitzenkandidaten der Grünen - Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Sie hatten für die Landtagswahl ein detailliertes Klimaschutz-Programm ausgearbeitet. Anders als von Markus Söder behauptet ("den Grünen fehlt das Bayern-Gen"), hatte es in vielen Punkten direkt mit Bayern zu tun.
So sollten Bürger an den Gewinnen von Windrädern oder Solaranlagen beteiligt werden. Katharina Schulze versprach gar, "alle Ausgaben des bayerischen Staatshaushalts am Klimaschutz auszurichten". Verfangen hat all das nicht. Umfragen haben gezeigt: Nicht Klimaschutz, sondern Migration war für viele Bayern das wichtigste Thema.
AfD im Siegestaumel
Genau da konnte die AfD offenbar punkten. In Bayern sind die Rechtsradikalen nun in der Rolle des Oppositionsführers. Die AfD wird also auf Markus Söder antworten, wenn der eine Regierungserklärung abgibt und nicht mehr die Grünen. Die politische Auseinandersetzung dürfte so nochmal an Schärfe gewinnen. Zumal in einer Zeit, in der die Union in der Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD uneins ist.
Markus Söder sieht sich selbst - trotz wiederholter Forderungen nach einer "Integrationsgrenze" - als personifizierte Brandmauer. Über Friedrich Merz heißt es in der CSU, ihm sei der Richtungsstreit in der CDU in der AfD-Frage völlig entglitten.
So schlecht das Ergebnis der Bayern SPD auch sein mag (das schlechteste bei einer bayerischen Landtagswahl): Ihr könnte noch eine spannende Rolle zukommen. Könnte(!) wohlgemerkt. Rein rechnerisch würde es nämlich für eine schwarz-rote Koalition in Bayern reichen. Und so könnte sich Markus Söder dazu entschließen, zumindest Sondierungsgespräche mit den Sozialdemokraten zu führen. Und sei es nur, um den Druck auf Hubert Aiwanger zu erhöhen.