6:11 min
Streit in der Ampel:"Lisa Paus stellt den Kanzler bloß"
von Dominik Rzepka
|
Fehlstart nach der Sommerpause: Die Ampel streitet, Ministerin Paus blockiert Minister Lindner. Das ist ein Affront auch gegen den Kanzler, sagt Politikwissenschaftlerin Römmele.
Es ist noch nicht einmal eine Woche her, da kritisiert Olaf Scholz (SPD) im ZDF-Sommerinterview den Tonfall in der Ampel. Und gelobt Besserung. Der Streit in der Ampel möge im Ton doch bitte anders stattfinden. Aber jetzt habe er "den Eindruck, dass über den Sommer sich viele vorgenommen haben, das genau zu ändern".
Lisa Paus gehört nicht dazu. Die grüne Familienministerin blockiert am Mittwoch ein Gesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und stürzt die Ampel-Koalition damit zielsicher in die nächste Krise. Denn das, was Paus diese Woche im Kabinett hingelegt hat, ist neu. Ist besonders. Ist "maximal unklug", sagt Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele.
Was den Ampel-Streit so besonders macht
Wenn Minister den Gesetzen ihrer Kollegen zustimmen sollen, dann prüfen sie diese "mit der eigenen Ressortbrille", sagt Römmele:
Keinesfalls aber mache man die Zustimmung davon abhängig, ob man selbst etwas dafür bekomme. Dass Paus ihre Zustimmung zu Lindners Gesetz also mit der Kindergrundsicherung verknüpfe, einem Projekt aus ihrem eigenen Ministerium, sei "total ungewöhnlich". Sachliche Kritik an Lindners Gesetz äußert Paus nicht.
Ähnliche Beispiele muss man lange suchen. 2012 etwa machte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer seine Zustimmung zu den Gesetzen der anderen Ministerien und den Fortbestand der schwarz-gelben Koalition von der Einführung des Betreuungsgeldes abhängig, auch "Herdprämie" genannt. Die Ampel jetzt also auf CSU-Niveau?
Koalition: "Keine vertrauensvolle Zusammenarbeit"
Zweifelsohne hat der Streit die Ampel in eine neue Krise gestürzt. SPD-Chef Klingbeil ist fassungslos. FDP-Chef Lindner nennt den Konflikt nicht hilfreich. Und bei den Grünen kritisieren sie die Schärfe im Ton mancher Koalitionsmitglieder - allerdings ohne Namen zu nennen.
"Das ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr", sagt Politikwissenschaftlerin Römmele. So wie sich die Ampel gerade präsentiere, könne ein Dreierbündnis nicht funktionieren. Eigentlich hätte die Koalition nach der Sommerpause einen Neustart hinlegen können, aber:
Ein Angriff auf Scholz und Habeck
Römmele macht für den Zustand der Koalition auch deren Chef verantwortlich. "Wer führt diese Koalition eigentlich? Olaf Scholz ist der Chef im Ring und das muss er jetzt mal zeigen. Das muss besser werden", sagt sie. Paus habe ihre Blockade erkennbar nicht mit dem Kanzler abgestimmt. Es ist, als würde sie ihn herausfordern. "Man kann sogar sagen, Lisa Paus stellt den Kanzler bloß", so Römmele.
Und nicht nur ihn. Ihr Veto ist auch ein Angriff auf Robert Habeck. Der grüne Wirtschaftsminister hatte Lindners Gesetz bereits zugestimmt. Gibt Habeck noch den Kurs der Grünen vor? Kämpft er innerhalb der Koalition noch für die grünen Herzensthemen? Brennende Plädoyers für die Kindergrundsicherung hat man von Habeck in der jüngsten Vergangenheit jedenfalls nicht vernommen. Es ist kein Geheimnis, dass so mancher linker Grüner von Habeck zuletzt enttäuscht war.
Paus kündigt Gesetz an
Es scheint, als entdeckte Paus jetzt jenen Kampfesmut, den sich viele linke Grüne von Habeck wünschen. Nur: Wie klug ist das? Führt das am Ende zum Erfolg? Zu mehr als zwei Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung? Dass Paus mit ihrer Blockade in der Sache etwas erreichen werde, glauben selbst bei den Grünen längst nicht alle. Geht es Lisa Paus am Ende vielleicht einfach um Lisa Paus?
Es wäre eine Frage, die man der Ministerin gerne gestellt hätte. Doch Fragen sind nicht erlaubt, als Paus am Nachmittag vor die Presse tritt und verkündet, ihr Ministerium habe einen Gesetzesentwurf für die Kindergrundsicherung erstellt. Auch das Finanzministerium habe daran mitgearbeitet. Ob es künftig mehr Geld für Kinder gibt, sagt Paus nicht. Details müssten noch geklärt werden.