Demo in München: Mit Ampel-Bashing gegen Rechtsextremismus?

    "Völlig indiskutabel":Demo in München - warum es Kritik gibt

    Christoph Wiesel
    von Christoph Wiesel, München
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    Mehr als 100.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in München gegen Rechtsextremismus. Doch in den Stolz über den enormen Zulauf mischt sich inzwischen Unmut.

    Protest
    Die deutschlandweiten Proteste gegen rechts haben viele Menschen zum Demonstrieren angeregt. Es gibt aber auch Kritik an den Inhalten, die einige Gruppen auf den Demos äußern.26.01.2024 | 2:35 min
    Wer in der Woche nach der Münchner Großdemo durch die Online-Kommentarspalten scrollt, für den ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite ist da die Begeisterung über die Teilnehmerzahlen, den großen Zulauf, der sogar zum Abbruch der Veranstaltung führte. Mindestens 100.000 Menschen kamen, womöglich noch deutlich mehr. Sicher ist: Es war eine der größten Demonstrationen in München seit Jahrzehnten.
    Doch es gibt eben auch die andere Seite. Er sei "bitter enttäuscht", schreibt ein User auf der Instagram-Page von "Fridays for Future München", die die Demonstration mitorganisiert hatten. Die Verantwortlichen hätten "der Sache einen Bärendienst geleistet". Und ein anderer kommentiert: Er habe sich "unwohl gefühlt" - trotz aller Freude über die vielen Menschen, die "gegen Rechts" aufgestanden seien.

    Großdemo in München: Rufe gegen Ampel und Union

    Es ist ein Unbehagen, begründet vor allem durch das, was bei der Großdemo am Sonntag von der Bühne schallte. Denn dort mischte sich in den lauten Protest gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie plötzlich auch Kritik an Unions- und Ampel-Parteien. Ein Rundumschlag, für den zumindest ein Teil der Teilnehmer offenbar nicht gekommen war.
    Auf dem Bild sieht man eine Demo in Thüringen gegen Rechts.
    In Jena hat sich am Donnerstag ein breites Bündnis aus Vereinen, Kirchen und Privatpersonen formiert, um gemeinsam gegen Rechtsextremismus und für Weltoffenheit einzutreten.25.01.2024 | 3:10 min
    "Die AfD will Millionen deportieren und die Ampel setzt diese Politik mit freundlichen Worten drauf", trug Versammlungsleiterin und Klimaaktivistin Lisa Poettinger etwa zu Beginn der Veranstaltung vor - und ergänzte:

    Schön, dass auch die CSU hier heute aufrufen will. Wir sind sehr gespannt auf ihre Brandmauer nach rechts, die sie damit scheinbar sein möchte.

    Versammlungsleiterin und Klimaaktivistin Lisa Poettinger

    Mit den Christsozialen hatte sich Poettinger dabei schon im Vorfeld der Demo eine Stichelei geliefert. Auf X, vormals Twitter, hatte sie CSU-Politiker - genau wie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger - für unerwünscht erklärt.

    Post von Lisa Poettinger

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    Demonstranten mit Handytaschenlampen vor dem Reichstag in Berlin.
    Wie reagiert das politische Berlin auf die Proteste?22.01.2024 | 1:30 min

    Münchens Oberbürgermeister: "Das war einigermaßen daneben"

    Nach der Demonstration sah sich Bayerns Justizminister und Münchens CSU-Vorsitzender Georg Eisenreich in seinen Erwartungen bestätigt: "Der Veranstalter hat sich als ungeeignet erwiesen, weil er selbst die Ampel wegen 'rechter Politik' angegriffen hat. Das ist einfach unpassend."

    Ein allgemeines Politik- und Parteien-Bashing ist völlig indiskutabel.

    Georg Eisenreich, Vorsitzender CSU München

    Und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der wie Eisenreich selbst an der Demonstration teilnahm, sagte, es sei "überragend", dass so viele Menschen gegen jede Art von Rassismus und Antisemitismus auf der Straße waren. Über einige Wortbeiträge auf der Bühne sei er aber "nicht wirklich glücklich" gewesen: "Das war einigermaßen daneben." Ähnliche Stimmen kamen aus anderen Fraktionen.
    Björn Höcke bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD in Sachsen-Anhalt.
    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke darf laut Gerichtsurteil Faschist genannt werden. In einer Rede nennt er Demonstranten, die gegen die AfD protestieren, Fackelträger von 1933.21.01.2024 | 0:10 min

    "Fridays for Future" will Kritik aufarbeiten

    Bei den Organisatoren von "Fridays for Future" heißt es in der Woche nach der Demo, man nehme die Kritik ernst und wolle sie nun gemeinsam aufarbeiten. In der Tat habe es Momente gegeben, in denen "bei inhaltlich legitimer Kritik der Tonfall verrutscht" sei, so Sprecherin Ronja Hofmann.
    Es dürfe dabei aber nicht vergessen werden, dass die Veranstaltung in sehr kurzer Zeit und mit vielen unterschiedlichen Organisationen geplant worden sei. Bei über 270 Bündnispartnern und der enormen Teilnehmerzahl sei es "klar, dass nicht alle einer Meinung sind".
    Und dennoch: Prinzipiell habe man die Demonstration bewusst nicht nur gegen die extreme Rechte, sondern auch gegen den Rechtsruck im Allgemeinen gerichtet, so Hofmann. Dieser werde in Teilen auch durch die demokratischen Parteien verursacht - "durch ihre Rhetorik, indem sie Sachen salonfähig machen". Daher sei es richtig, auch diese Parteien in die Verantwortung zu nehmen.
    Nancy Faeser  SPD  | Bundesinnenministerin
    "Wir sehen, dass am rechten Rand ausgegrenzt wird. Das ist grob verfassungswidrig", so Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD. "Wir wollen eine offene und tolerante Gesellschaft."25.01.2024 | 9:34 min

    Neues Bündnis gegen Rechtsextremismus?

    Münchens Oberbürgermeister Reiter will nach den Erfahrungen vom Wochenende unterdessen ein neues Bündnis formen, um den Kampf und Protest gegen Rechtsextremismus auf eine möglichst breite Basis zu stellen.

    Wir müssen schauen, dass Politik und Zivilgesellschaft in diesem Bereich zusammenwachsen.

    Münchens Oberbürgermeister Reiter

    Man brauche den Input und die Beteiligung beider Seiten. Für den Februar plant Reiter ein erstes Treffen von Parteien, Vereinen, Organisationen und Religionsgemeinschaften. Ergebnis könnten weitere Demonstrationen sein, aber auch andere gemeinsame Aktionen.
    Experten geben dabei jedoch zu bedenken, dass eine zu große Rolle der Politik den Protesten gegen Rechtsextremismus die Wucht nehmen könnte. Es seien eben nicht die Parteien gewesen, die die aktuelle Protestwelle organisiert hätten, sagt Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel.

    Das ist die Antwort von Mitbürgern. Und die zählt in einer solchen Situation tatsächlich mehr, weil sie nicht von oben kommt, sondern direkt aus der Gesellschaft.

    Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel

    Demokratieforscher Merkel
    :Was die Proteste bewirken können

    Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie im ganzen Land. Was sie so bedeutend macht und was sie bewirken können, erklärt Demokratieforscher Wolfgang Merkel.
    von Alexandra Hawlin
    Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Cottbus, aufgenommen am 21.01.2024
    Interview
    Thema

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