Demos gegen Rechtsextremismus: Strategie der Fake-Gerüchte
Demos gegen Rechtsextremismus:Wie mit Fake-Vorwürfen Stimmung gemacht wird
von Nils Metzger
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Alternativmedien und AfD verbreiten falsche Gerüchte über manipulierte Bilder der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Sie wollen Zweifel säen, neue Technologien helfen dabei.
Am Wochenende demonstrierten deutschlandweit rund 900.000 Menschen gegen Rechtsextremismus, heute gehen die Proteste weiter.22.01.2024 | 1:30 min
Mit den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sah Deutschland am vergangenen Wochenende eine der größten landesweiten Kundgebungen der vergangenen Jahrzehnte. Zu ihnen hatten vielerorts breite Bündnisse aus Parteien, Kirchen und Organisationen aufgerufen - von Bundesliga-Vereinen bis hin zu radikalen Klimaschützern, in Nordrhein-Westfalen gar die Gewerkschaft der Polizei. Hunderttausende folgten den Aufrufen.
Eine ganze Reihe von großen deutschen Alternativmedien versucht hingegen ein anderes Narrativ der Proteste im Netz zu etablieren: Dort sind Demo-Fotos womöglich manipuliert und Demonstranten bezahlte Statisten. Beide Falschbehauptungen sind schnell widerlegt, doch dahinter steckt eine größere Strategie.
Demo-Bilder aus Hamburg: Auf die Perspektive kommt es an
Vor allem ein von ZDFheute verwendetes Bild von der Kundgebung in der Hamburger Innenstadt erfährt seit Samstag große Aufmerksamkeit. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke behauptete dazu: "Bestellte Massen demonstrieren gegen die AfD. Doch bei den in den Medien veröffentlichten Bildern fallen inzwischen zahlreiche Fälle von Bildmanipulationen auf. Warum haben sie das nötig?".
Richtigstellung der dpa gegenüber Björn Höcke
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Anders als von Höcke unterstellt, wurden in das Bild jedoch keine Menschen künstlich eingefügt. Niemand musste "in der Alster stehen", wie Höcke es formulierte, es war lediglich die Perspektive des Fotografen, die die Binnenalster im Hintergrund klein erscheinen ließ. Obwohl die Nachrichtenagentur dpa nach kurzer Zeit auf die Falschbehauptung hinwies, steht der Höcke-Post weiter online.
Alternativmedien verbreiten falsche Gerüchte
Trotz der Richtigstellung griffen zahlreiche Alternativmedien aus dem rechten Spektrum das vermeintlich manipulierte ZDFheute-Bild auf. Der AfD-nahe "Deutschland-Kurier" titelte "Mit dem Zweiten fälscht man besser" und verlinkt ein Video eines YouTube-Bloggers mit Hunderttausenden Aufrufen, der dem ZDF eine "krasse Bildfälschung" unterstellt.
Fotos, die ZDFheute-Beiträge illustrieren, stammen vor allem aus zwei Quellen: Aufnahmen von ZDF-Kameras und Bilder der großen Nachrichtenagenturen wie der Deutschen Presse Agentur (dpa). Dazu kommen Fotos aus anderen Quellen wie beispielsweise Privatnutzern auf Social Media. Diese müssen vor Verwendung verifiziert werden.
Die Bildquelle ist dabei unterhalb des Fotos angegeben. In manchen Fällen muss auf Symbol- oder Archivbilder zurückgegriffen werden, weil es kein aktuelles, passendes Bildmaterial zu einem Thema oder Ereignis gibt. Darauf wird in der Bildunterschrift grundsätzlich hingewiesen.
Auch ein Text auf der Seite des umstrittenen Bloggers Boris Reitschuster bezeichnet das Foto als "schamlos" und "Manipulation". In einem weiteren Artikel streute Reitschuster das Gerücht, Demo-Teilnehmer in Hamburg seien Schauspieler und hätten Geld für eine Teilnahme erhalten. Sein einziger Beleg: eine bereits seit 2022 im Netz stehende Stellenanzeige für Statisten einer Videoproduktion in Hamburg. Im Fließtext räumt Reitschuster zwar ein, dass es keine Beweise für einen Zusammenhang zwischen Anzeige und Demonstration gebe - der Titel seines Beitrags erweckt weiterhin diesen Eindruck, in der Dachzeile ist weiter von "Manipulation" die Rede.
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Welche Strategie steckt hinter den Fake-Behauptungen?
Für die Extremismus-Forscherin Julia Ebner steht hinter dieser Vielzahl an Falschbehauptungen eine klare Strategie: "Dass Hunderttausende am Wochenende protestiert haben, ist der AfD ein Dorn im Auge. Als sogenannte 'Partei des Volkes' sieht sie den einzigen Ausweg darin, die Größe und Relevanz des Protests in Frage zu stellen." Die Methode sei dabei altbekannt, so Ebner zu ZDFheute: "Misstrauen gegen die Berichterstattung schüren und eine Opferrolle aufbauen".
Dass es auch in Ostdeutschland und in ländlichen Regionen Proteste gab, erschwert diesmal die Verbreitung. "Je näher Proteste an der eigenen Heimat sind, umso mehr Menschen kennt man auch selbst, umso schwieriger ist es für das AfD-Umfeld, diese Narrative und Desinformation zu verbreiten", betont Ebner.
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Das Ziel: Nicht mehr wissen, was wahr und was falsch ist
Die AfD profitiert nun von einem über Jahre aufgebauten Ökosystem an Bloggern und Alternativmedien. Viele ihrer Sympathisanten würden tatsächlich an die Manipulation der Fotos aus Hamburg oder Köln glauben, so Ebner. "Das passt in ein Narrativ, das davon ausgeht, dass die etablierten Medien versuchen, das sogenannte Volk zu täuschen".
Das Aufkommen neuer Technologien erschwert die Bewertung von Quellen auch für den Rest der Bevölkerung. Einerseits kann künstliche Intelligenz (KI) zum Erstellen von Fake-Inhalten genutzt werden. "Viel größer und schwieriger zu behandeln ist aber das Problem, dass KI alles in Frage stellt. Zweifel und Misstrauen in Medien kann es verstärken", sagt Ebner.
Am Ende ginge es um die Verbreitung so vieler Informationen und Falschinformationen, dass man gar nicht mehr wisse, was wahr ist, betont Ebner. "Es ist eine Strategie, die Putin und der Kreml schon lange nutzen".
Im Osten Deutschlands regt sich Widerstand gegen Rechtsextremismus und die AfD. Tausende gingen in der vergangenen Woche auf die Straße, darunter in Stralsund, Jena und Potsdam.