Seit einem Monat verschwunden:Weiter keine Spur von Chinas Außenminister
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Chinas Außenminister Qin Gang hat viele politische Verpflichtungen - dennoch taucht er seit Wochen bei keinem seiner Termine mehr auf. Der Grund für seine Abwesenheit: unklar.
Chinas Außenminister Qin Gang wurde seit Wochen nicht mehr gesehen (Archivbild).
Quelle: Reuters
Das letzte Foto des chinesischen Außenministers ist einen Monat alt. Seitdem fehlt von Qin Gang jede Spur, obwohl er eigentlich wichtigen Verpflichtungen nachkommen müsste.
Spekulationen über Verbleib von Qin Gang
Qin Gang, der unter Staats- und Parteichef Xi Jinping eine steile Karriere hingelegt hat und seit März Außenminister ist, soll die Großmacht China weltweit repräsentieren.
Angefeuert wurden die Spekulationen über Qin Gangs Verbleib auch durch eine Ankündigung am Montagabend. Der Ständige Ausschuss des Volkskongresses sollte demnach kurzfristig an diesem Dienstag tagen. Einer der beiden Punkte auf der Tagesordnung sollte sich demnach mit Personalentscheidungen beschäftigen. Ob es dabei tatsächlich um Qin Gang gehen würde, war jedoch unklar.
Spitzendiplomat Wang Yi vertritt Außenminister Qin Gang bei mehreren Terminen
Dass etwas nicht stimmte, bekam der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Anfang Juli als einer der ersten zu spüren. Nur wenige Tage vor einem geplanten Treffen mit Qin Gang in Peking sagten die Chinesen plötzlich ab. Auch an einem Gipfeltreffen der Außenminister der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean nahm er nicht teil.
Stattdessen reiste Chinas Spitzendiplomat Wang Yi an, der in der Machthierarchie noch über dem Außenminister steht. Wang Yi vertrat Qin Gang zuletzt bei einer ganzen Reihe von Terminen, so auch diese Woche bei einem Treffen der Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in Johannesburg.
Man habe "keine Informationen" wird zur Standardantwort des Außenministeriums
Auf die Frage, warum Qin Gang nicht am Asean-Treffen teilgenommen habe, antwortete ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums, dies sei aus "gesundheitlichen Gründen" nicht möglich gewesen. Doch zugleich kursieren Spekulationen, Qin Gang sei wegen einer außerehelichen Affäre samt Baby aus dem Verkehr gezogen worden.
Auf die unbewiesenen Gerüchte angesprochen, er habe eine Affäre mit einer Journalistin des Hongkonger Fernsehsenders Phoenix, sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums lediglich, sie habe "keine Informationen" zu diesem Thema. Sie wiederholte jedoch nicht, dass Qin Gang krank sei. Man habe "keine Informationen", heißt es inzwischen routinemäßig im Außenministerium, wenn nach dem Chef gefragt wird.
Kritik an Pekings "Black-Box-Ansatz"
Im Protokoll der täglichen Pressekonferenz, das jeden Abend auf der Website des Ministeriums veröffentlicht wird, sind die Fragen zu Qin Gang herausgestrichen. Dieses Verhalten stößt auch in China auf Kritik. Die Führung in Peking verfolge einen "Black-Box-Ansatz", sagt Wu Qiang, ehemaliger Politikprofessor an der renommierten Tsinghua-Universität. Für ihn ist es bereits eine Tatsache, dass gegen den Außenminister ermittelt wird.
"Jeder ist über etwas besorgt, kann es aber nicht öffentlich sagen", schrieb Hu Xijin, ein sonst eher für nationalistische Töne bekannter Kommentator im sozialen Netzwerk Weibo, nachdem Qin Gang nicht mehr öffentlich auftrat.
Verschwinden von hohen Beamten, Prominenten und Geschäftsleuten nicht ungewöhnlich
Der Fall des Außenministers erregt großes Interesse. Allerdings ist das Verschwinden von hohen Beamten, Prominenten und Geschäftsleuten in China nicht ungewöhnlich. Oft stellt sich später heraus, dass sie in Ermittlungen oder andere Kontroversen verwickelt waren.
Einer der bekanntesten Fälle der letzten Jahre ist der des ehemaligen chinesischen Interpol-Chefs Meng Hongwei, der 2018 während einer Reise in seine Heimat China verschwand. Zwei Jahre später verurteilte ihn ein chinesisches Gericht wegen der Annahme von Bestechungsgeldern zu einer langjährigen Haftstrafe.
Ob der Grund für Qin Gangs Abwesenheit überhaupt kommuniziert werde, sei unklar, sagt Nils Grünberg vom China-Institut Merics in Berlin. Informationskontrolle habe für Peking oberste Priorität.
Quelle: Jörn Petring, dpa
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