Er regiert mit, bis zum Schluss. Als Vorsitzender der Forza Italia und Koalitionspartner von Ministerpräsidentin Georgia Meloni. Das von Silvio Berlusconi geschmiedete Mitte-Rechts-Bündnis gewinnt die Parlamentswahlen 2022. Zwar wird die extremrechte Fratelli d’Italia stärkste Partei, doch "Il Cavaliere" mischt wieder mit, ganz oben.
Vom Medienmogul zum Ministerpräsidenten
Der nun
verstorbene Silvio Berlusconi prägt Italien über drei Jahrzehnte. Vom Medienmogul zum Multimillionär bis zum Ministerpräsidenten Italiens - und das vier Mal. Parteitage waren die Ein-Mann-Show des Silvio Berlusconi. Italien führte er wie eine Firma mit einem Schlachtruf aus dem Fußballstadion: Forza Italia, Italien voran.
Seine Entscheidung in die Politik einzusteigen, teilt er der staunenden Nation 1994 per Fernsehansprache mit. Silvio Berlusconi beherrscht die Medien. Drei nationale Privatsender gehören zu seinem Unternehmen, außerdem zahlreiche Zeitungen, Verlage. Als Bauunternehmer ist er zu Geld gekommen - Anfang der achtziger Jahre erkennt er das Potential des aufkommenden Privatfernsehens, nutzt eine Gesetzeslücke und sichert sich für sein TV-Imperium Mediaset quasi eine Monopolstellung.
Wähler vertrauen dem Unternehmer - Fußballfans auch
Viele Wähler vertrauen dem erfolgreichen Unternehmer, der verspricht den Staatshaushalt zu sanieren - mit Erfolgsrezepten aus dem Marketing. Berlusconi selbst ist dabei sein bester Marketingstratege. Geld spielt keine Rolle. Im gecharterten Kreuzfahrtschiff gehts im Wahlkampf um den italienischen Stiefel. Als sich die jahrzehntelang regierenden Christdemokraten durch Korruptionsskandale ins Nichts auflösen, erobert Berlusconi scheinbar mühelos die politische Bühne.
Der ehemalige Trainer des AC Mailand, Arrigo Sacchi (v.l.), der Präsident des AC Mailand, Silvio Berlusconi, und Franco Baresi mit dem Intercontinental Cup 1990.
Quelle: AP/Luca Bruno
Als Präsident des AC Mailand nutzt er dabei die Infrastruktur des Fußballvereins. Die Fanclubs in ganz Italien werden zu regionalen Parteibüros von Forza Italia. Der Milliardär demonstriert bei den Fußballspielen Volksnähe.
Auf sein öffentliches Bild, sein Aussehen legt Berlusconi immer viel wert. Seine Begabung als Alleinunterhalter legendär, als Student beispielsweise auf Musikdampfern. Auch später trällert er gerne ein Liedchen, besingt, wie kann es anders sein, sich selbst und die Liebe.
Der italienische Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Der Politiker, Unternehmer und Fußball-Boss war an Leukämie erkrankt.12.06.2023 | 2:01 min
Erste Amtszeit endet nach nur sieben Monaten
Berlusconi schaffte das Unmögliche: Innerhalb von zwei Monaten stürmt er mit seiner neugegründeten Partei an die Spitze der Republik und wird 1994 zum ersten Mal Premierminister. Die erste Amtszeit beenden Justizaffären nach nur sieben Monaten. Beim zweiten Anlauf 2001 verspricht er die Mindestrenten zu erhöhen, die Steuern zu senken, Arbeitsplätze, Wohlstand, Sicherheit. Nur wenig davon kann er halten.
Richter und Staatsanwälte untersuchen dagegen, wie Berlusconi seinen eigenen Wohlstand mehrte. Von Mafia-Verbindungen und Geheimlogen ist die Rede. Angeklagt wird Italiens Regierungschef wegen Betrug, Korruption, Bestechung, Steuerhinterziehung und Amtsmissbrauch. Dutzende Verfahren laufen, einer Bestrafung kann sich Berlusconi jahrelang durch Gesetzesänderungen oder durch Verjährung entziehen.
Viele seiner Gesetzesvorlagen dienen nach Ansicht der Opposition nur Berlusconis eigenem Vorteil. So bescheinigt er sich per Gesetz Immunität und keinen Interessenkonflikt als Unternehmer im öffentlichen Amt.
Das politische Leben Berlusconis liest sich wie eine lange Liste von Skandalen. Bis auf zahlreiche Schlagzeilen blieben viele davon folgenlos - jedoch nicht alle. Ein Überblick.
Medien als Instrument und Machthaber als Freunde
Als Regierungschef hat er auch Einfluss auf das Staatsfernsehen RAI. Kritische Journalisten werden weitgehend ausgeschaltet oder während der laufenden Sendung wüst beschimpft. Nicht nur einmal verliert Berlusconi bei unangenehmen Fragen die Fassung. Doch in Wahlkampfzeiten nutzt er die Medien - vor allem die eigenen Privatsender, hier darf er ungehindert für sich Werbung machen.
Enge Freundschaft pflegte er vor allem zu
Wladimir Putin inklusive Lagerfeuerromantik in Sibirien. Auch nach dem
Überfall auf die Ukraine hält er an Putin fest. Wodka und Silberbesteck, das war ganz nach dem Geschmack von Silvio Berlusconi, dessen eigene großzügige Festtafeln und Geschenke für Politiker legendär waren.
Berlusconi (r.) mit Putin 2003
Quelle: AFP/Viktor Korotayev
Pompös inszeniert auch die Treffen mit dem libyschen Diktator Gaddafi. Von den engen Beziehungen verspricht sich Italien Öl und Aufträge, aber auch ein Abhalten der Flüchtlinge aus Nordafrika.
Privatleben des Milliardärs sorgt immer wieder für Schlagzeilen
Der märchenhafte Aufstieg des studierten Juristen wird von vielen Italienern bewundert. Auch wenn die Herkunft des Reichtums nie ganz geklärt wurde. Seine zweite Frau Veronika, eine ehemalige Schauspielerin, sieht man selten an seiner Seite. Seine fünf Kinder haben die Fäden im Firmenimperium des Vaters übernommen.
Das Privatleben des Milliardärs sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Von Partys mit jungen Frauen, unter anderem in den Villen auf Sardinien und in Mailand ist die Rede. Spekulationen gibt es auch über sein Verhältnis zu der jungen Noemi Letizia. Als er zu ihrem 18. Geburtstag erscheint, reicht seine Frau die Scheidung ein. Auch die Marokkanerin Karima el-Mahroug, genannt Ruby, ist noch nicht 18 als sie zu Gast bei Berlusconi ist. Der Ministerpräsident wird daraufhin angeklagt wegen Prostitution mit Minderjährigen.
Wirtschaftskrise setzt Berlusconis politischer Karriere ein Ende
Doch nicht Skandale um wilde Bunga-Bunga-Partys, sondern die Wirtschaftskrise - verursacht auch durch jahrelang verschleppte Reformen - treiben ihn schließlich Ende 2011 aus dem Amt. 2013 wird er zum ersten Mal rechtskräftig verurteilt. Wegen Steuerhinterziehung muss er zum Sozialdienst antreten in einem Altersheim bei Mailand. Eine Gefängnisstrafe bleibt ihm wegen seines Alters erspart.
Der Gesundheitszustand macht ihm zunehmend zu schaffen. Mehrmals hat Berlusconi Schwächeanfälle. Mit Anfang siebzig bricht er während einer live im Fernsehen ausgestrahlten Rede zusammen. Von Herzproblemen ist später die Rede.
Im hohen Alter kurz vor dem Comeback
Im hohen Alter von 85 Jahren bringt sich "Il Cavaliere" vor der anstehenden Wahl zum neuen Staatspräsident Italiens selbst für das Amt ins Gespräch. Gesucht wird eine moralisch integrere Persönlichkeit, die als Hüter der Verfassung Vorbild ist, für eine ganze Nation. Einer Stimmenmehrheit konnte er sich dabei dann wohl doch nicht sicher sein. Aber trotz seines Rückzugs hatte er noch einmal gezeigt, mit ihm musste Italien nach wie vor rechnen.
Berlusconi hat Italien gespalten, in Gegner und glühende Anhänger. In Italiens zersplitterter Parteienlandschaft brachte Berlusconi es auf die längste Amtszeit in der italienischen Nachkriegsgeschichte. Seine Anhänger behaupten, er habe sich für sein Land aufgeopfert, seine Gegner, er hätte das Land nur für seine Interessen ausgenutzt. Was bleibt, ist eine beispiellose Karriere, die so wohl nur in Italien möglich war.