Berlusconi: "Vater aller Populisten" und Pate der Politik

    Zum Tod von Silvio Berlusconi:"Vater aller Populisten" und Pate der Politik

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    Das politische Leben Berlusconis liest sich wie eine lange Liste von Skandalen. Bis auf zahlreiche Schlagzeilen blieben viele davon folgenlos - jedoch nicht alle. Ein Überblick.

    Ex-Premierminister von Italien Silvio Berlusconi
    Milliardär, Gesetzesbrecher, Politikphänomen: Silvio Berlusconi polarisierte über Jahrzehnte. (Archivbild)
    Quelle: epa

    Silvio Berlusconi ist tot. Der frühere italienische Ministerpräsident starb am Montag im Alter von 86 Jahren in einem Krankenhaus in Mailand. Mit seinem Tod endet auch die Geschichte der Skandale, die die Karriere des jahrzehntelang mächtigsten Manns Italiens überschatteten.
    Die lange Liste der Vorwürfe reichte von Wirtschaftsdelikten und Korruption über Verbindungen zur organisierten Kriminalität bis hin zur Prostitution Minderjähriger. Rechtskräftig verurteilt wurde Berlusconi jedoch nur ein einziges Mal - im Jahr 2013 wegen Steuerbetrugs.
    Für den früheren Regierungschef Mario Monti war Berlusconi der "Vater aller Populisten", er selbst nannte sich einmal "Jesus Christus der Politik".
    Die vielen Skandale im Leben von Silvio Berlusconi:

    Eigene Gesetze schützen Berlusconi oft vor Justiz

    Berlusconi selbst beteuerte über all die Jahre seine Unschuld und stellte sich als Justizopfer dar. Unablässig wiederholte er, linksgerichtete Staatsanwälte und Richter veranstalteten eine politische Hetzjagd gegen ihn. Berlusconi sah sich in einer Opferrolle. Dabei musste er sich nur für einen Teil der ihm vorgeworfenen Vergehen überhaupt vor Gericht verantworten.
    Dazu trugen Gesetzesänderungen bei, die die Parlamentsmehrheiten hinter Berlusconi während seiner Regierungszeiten verabschiedeten - und die in Italien als "leggi ad personam" bezeichnet wurden: als offensichtlich auf die Person Berlusconi ausgerichtete Gesetze, die den Regierungschef vor der Strafverfolgung oder zumindest einer Verurteilung bewahren sollten.
    Dazu zählten etwa ein Gesetz, das die Inhaber der obersten Staatsämter - darunter den Regierungschef - vor Prozessen schützte, die faktische Abschaffung des Straftatbestands der Bilanzfälschung, mehrere Straferlasse und Amnestien sowie verkürzte Verjährungsfristen für bestimmte Straftaten.

    Berlusconi: Dienst im Pflegeheim statt Haftstrafe

    Zur einzigen rechtskräftigen Verurteilung Berlusconis kam es am 1. August 2013: Damals bestätigte das Kassationsgericht, die oberste Instanz im italienischen Rechtssystem, eine vierjährige Haftstrafe und eine sechsjährige Ämtersperre wegen Steuerbetrugs im Zusammenhang mit seinem Medienkonzern Mediaset.
    Berlusconi, der knapp zwei Jahre zuvor als italienischer Regierungschef hatte zurücktreten müssen, verbrachte aber keinen einzigen Tag im Gefängnis. Drei Jahre seiner Strafe wurden ihm dank einer Amnestie erlassen, die restliche Haftzeit wurde in einjährigen gemeinnützigen Dienst umgewandelt. Diesen Dienst absolvierte Berlusconi, natürlich medienwirksam, in einem Pflegeheim für Alzheimer-Kranke in der Nähe seiner Heimatstadt Mailand.

    2022 Rückkehr in den Senat in Rom

    Seine Ämtersperre kostete ihn zwar den Sitz im italienischen Senat, Jahre später wurde Berlusconi aber erneut zum Parlamentarier: 2019 zog er ins Europaparlament ein, 2022 wechselte er nach den Parlamentswahlen zurück in den Senat in Rom.
    Viele andere Verfahren gegen Berlusconi blieben für ihn am Ende juristisch folgenlos: 2015 verurteilte ihn ein Gericht wegen der Bestechung von Abgeordneten, die 2008 zum Sturz der damaligen Mitte-Links-Koalition beitrug - und auf die ein Wahlsieg Berlusconis und dessen Rückkehr an die Regierungsspitze folgte. Verbüßen musste Berlusconi die Strafe nie, sie fiel schließlich unter die Verjährung.

    Ex-Premier Italiens gestorben
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    "Bunga Bunga"-Affäre bis auf Schlagzeilen folgenlos

    Auch wegen der mutmaßlich mit seiner Beteiligung organisierten Sexpartys, die unter dem Namen "Bunga Bunga" weltweit berühmt-berüchtigt wurden, wurde Berlusconi letztlich nicht juristisch belangt. Im Raum stand der Vorwurf, Berlusconi sei an der Prostitution Minderjähriger beteiligt gewesen.
    Im März 2015 bestätigte das Kassationsgericht den im Jahr zuvor erfolgten Freispruch in der Angelegenheit. Eine Begründung damals: Berlusconi konnte nicht wissen, dass die Marokkanerin Karima el-Mahroug, bekannt unter dem Namen "Ruby", zum Zeitpunkt ihrer Teilnahme an den Festen minderjährig war.
    Im Februar 2023, kurz vor seinem Tod, wurde Berlusconi dann in einem weiteren "Bunga Bunga"-Verfahren freigesprochen. Ihm konnte nicht nachgewiesen werden, junge Frauen dafür bezahlt zu haben, vor Gericht über die Partys zu lügen. Der Freispruch komme für ihn nach "elf Jahren des Leids, der Verleumdung und unermesslichen politischen Schadens", erklärte Berlusconi damals.
    Silvio Berlusconi vor dem Krankenhaus in Mailand.
    Silvio Berlusconi vor dem Krankenhaus in Mailand. Schon 2020 hatte der Gesundheitszustand des Ex-Ministerpräsidenten für Schlagzeilen gesorgt.
    Quelle: Luca Bruno/AP/dpa

    Berlusconi und Cosa Nostra: Urteil spricht von Schutzgeld

    Während seiner politischen Karriere haftete Berlusconi auch lange der Verdacht an, Verbindungen zur Mafia zu haben. Die Ermittlungen dazu führten nie zu einem Prozess gegen ihn. Verurteilt und inhaftiert wurde dagegen sein Vertrauter und Geschäftspartner Marcello Dell'Utri, einer der Mitbegründer von Berlusconis Partei Forza Italia. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Dell'Utri in den 1970er Jahren der Mittelsmann zwischen Berlusconi und der Cosa Nostra, der sizilianischen Mafia, gewesen war.
    Dell'Utri soll Berlusconi dazu gebracht haben, den Mafioso Vittorio Mangano als Pferdepfleger in seinem Anwesen in Arcore nahe Mailand einzustellen. Berlusconi habe der Mafia über zwei Jahrzehnte hinweg "erhebliche Summen" an Schutzgeld gezahlt, hieß es im Urteil des Kassationsgerichts gegen Dell'Utri.
    Quelle: Sebastian Heinrich (AFP), dpa