Referendum über Ureinwohner:Australien streitet über Aboriginies-Rechte
von André Groenewoud, Singapur
|
Die Aboriginies leben seit Jahrtausenden in Australien. Sollen ihre Rechte auch formal gestärkt werden? Darüber stimmt Australien am Samstag ab. Das Land ist gespalten.
Mit der "Yes"-Kampagne (Ja-Kampagne) werben die Befürworter für Zustimmung im australischen Referendum.
Quelle: dpa
Es gilt als historisch, war als ein Akt der Einigkeit geplant - könnte nun aber zum Bumerang werden, der die australische Gesellschaft nicht eint, sondern eher spaltet. Und der den Premierminister viel Reputation kosten könnte.
Das Referendum am Samstag polarisiert: Es geht um mehr Mitspracherecht für die indigene Bevölkerung. Der Volksentscheid, der in Down Under als "Australian Indiginous Voice referendum" firmiert, hat zum Ziel, die 122 Jahre alte australische Verfassung um einen Passus zu erweitern, der die Rechte der Ureinwohner auch formal berücksichtigt.
Kritik am Referendum: Nur von symbolischem Wert?
Die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien hatte die Aborigines und Torres Strait Islander im 19. Jahrhundert schlicht ignoriert. Was nur logisch erscheint, ist allerdings alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Selbst viele Indigene sind gegen eine Verfassungsänderung.
Sie bemängeln das Lippenbekenntnis des Referendums, bezeichnen es als symbolische Geste, die zu nichts führt. Einwände, die Premierminister Anthony Albanese (Labour) nicht gelten lässt. Schon kurz nach seinem Wahlsieg im vergangenen Jahr hatte Albanese die Bevölkerung auf dieses Referendum vorbereitet. Unter dem Jubel seiner Anhänger sagte er damals:
Gegner der Yes-Kampagne liegen in Umfragen vorn
Doch die Kampagne, die von Labour getragen wird, könnte erfolglos bleiben. In verschiedenen Umfragen liegen die Gegner zum Teil äußerst komfortabel in Führung, ganz zur Freude der oppositionellen Konservativen - und von Sky News, dem rechtslastigen Fernsehkanal aus dem Imperium von Rupert Murdoch.
Doch Albanese gibt sich unbeirrt. "Ich habe heute mit Ja gestimmt, und zwar voller Stolz, wohlwissend, dass dies der Wunsch der indigenen Australier ist", sagte er bei seiner Stimmabgabe. Und fügte hinzu, dass die Kampagne der Gegner auf Angst beruhe.
Australiens Premierminister Anthony Albanese bei seiner Stimmabgabe am 7. Oktober 2023.
Quelle: Imago
Ein "Nein" würde von außen als ein Votum einer ignoranten und rassistischen breiten Masse interpretiert werden, meint Menschenrechtsanwalt Geoffrey Robertson. "Die Welt guckt zu", so Premier Albanese.
Aboriginies - Minderheit mit hoher Arbeitslosenrate
Die Indigenen machen 3,2 Prozent der Einwohner Australiens aus - das sind 800.000 Menschen bei einer Bevölkerung von 26 Millionen. Ihre Probleme sind vielfältig: geringere Lebenserwartung, überproportional hohe Rate bei Arbeitslosigkeit, Selbstmord und Gefängnisaufenthalten, geringere Bildungschancen und eingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Themen, so behaupten Zyniker, die eben nicht die Mehrheit der Australier tangieren. Was eigentlich als Versöhnungsgeste gedacht war, endet nun im Streit und mit gegenteiligen Schuldzuweisungen. "Es gibt eine deutliche Parallele zum Brexit-Referendum in Großbritannien", sagte Paul Strangio, Politikprofessor der Monash-Universität in Melbourne, zu CNN.
Hoffnung, dass Mitspracherechte auch Lebensumstände verbessern
Craig Foster, Menschenrechtsaktivist, sagt dem ZDF:
Die Befürworter halten dagegen, ein "Ja" werde zur Verbesserung der Lebensumstände beitragen. Quantas, die nationale Fluglinie, hat sogar "YES" auf ihre Maschinen aufmalen lassen. "Das Referendum ist notwendig, um die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Australien über seine wahre Geschichte nachdenken kann", sagt Craig Foster zum ZDF.
Die Historie allerdings macht der Ja-Kampagne wenig Mut: Seit den 1970er Jahren ist kein Referendum in Australien erfolgreich gewesen.