Wales: Wie giftiges Blei durch Bergbau in die Umwelt gelangt

    Folgen des Bergbaus:Tödliches Blei: Was man von Wales lernen kann

    Wolf-Christian Ulrich
    von Wolf-Christian Ulrich, Cwmystwyth (Wales)
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    Wales hat ein Blei-Gift-Problem, die Folgen sind dramatisch. Experten warnen: Man müsse weltweit daraus lernen, um den Bergbau für die Herstellung von E-Autos sicherer zu machen.

    Toter Fisch in der Oder
    dpatopbilder - 18.08.2022, Brandenburg, Lebus: Ein toter Blei liegt am frühen Morgen im flachen Wasser vom deutsch-polnischen Grenzfluss Oder. Seit mehren Tagen beschäftigt das massive Fischsterben im Fluss Oder die Behörden und Anwohner des Flusses in Deutschland und Polen. Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
    Quelle: dpa

    Wales hat ein Blei-Problem. Das hat lange niemand bemerkt, bis plötzlich Vieh tot auf der Weide lag. Wissenschaftler kamen dem Gift auf die Spur. Und entdeckten: Es hängt mit dem Bergbau in Wales zusammen. Die Folgen für Mensch, Tier und Natur sind tödlich.

    Über 1.000 Kilometer vergiftet

    Geograf Mark Macklin führt uns im Dorf Cwmystwyth, mitten in Wales, zu einer der ältesten Bleiminen der britischen Inseln. Das Ausmaß der Vergiftung ist dramatisch.

    Etwa 1.600 Kilometer Flussbett sind durch die Bergbau-Reste vergiftet. So lang wie der Rhein!

    Mark Macklin, Geograf Universität Lincoln

    Seit 4.000 Jahren hat man hier Kupfer und Blei abgebaut. Die Wälder holzte man ab, um das Metall zu schmelzen. Bis heute sind die Hügel kahl. 1920 war mit dem Bergbau Schluss, doch der Abraum mit bleihaltigen Gesteinsreste ist bis heute eine große Gefahr. Denn: "Durch die Erosion gelangt Blei in den Fluss Ystwyth - und von dort dann weiter ins Tal", erklärt Macklin. Es geht um zwei Tonnen Blei jährlich.

    Zwei Tonnen Blei jährlich im Fluss

    Während sich das Schwermetall im Fluss schnell verdünnt, bleibt Blei im Sediment ein Problem, erklärt Mark Macklin. "Das ist der feine Sand aus den Minen, in dem die giftigen Metalle enthalten sind," zeigt er uns. Nachdem er den Schlamm berührt hat, wäscht er sich die Hände. "10 bis 15 Kilometer flussabwärts ist das immer noch gefährlich!"
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    Wie gefährlich, stellte sich erst durch Zufall heraus: im Labor von Ökologin Andrea Sartorius an der Universität Nottingham. "Bauernhöfe in den Flusstälern meldeten, dass ihre Tiere plötzlich krank wurden. Dass Enten und Gänse überraschend starben," erzählt sie. Vor allem bei der Flut 2012 schwemmte Bleischlamm aus den Flüssen über die Wiesen. Über das Heu gelangte das Schwermetall dann ins Vieh. Einige Tiere starben. Über Fleisch und Eier könne Blei auch für die Menschen in der Gegend gefährlich werden.

    Viele wussten nichts von der Gefahr

    "Viele wussten gar nicht, weshalb ihre Tiere plötzlich starben," berichtete Andrea Sartorius jüngst vor einem britischen Parlaments-Ausschuss. Das müsse sich ändern. "Es braucht mehr Information, damit die Leute dann mit dem Wissen umgehen können." So sieht es auch Geograf Mark Macklin. Es brauche bessere Regulierung - vor allem aber müssten wesentlich mehr Daten und Messungen her, um das Problem überhaupt ganz zu erfassen.

    Wir müssen das Problem managen, wir müssen Gefahrenkarten anlegen und wir müssen die Bauern und die Gemeinden über das Problem informieren.

    Mark Macklin, Geograf Universität Lincoln

    Die alten Minen seien nicht nur in Wales ein Problem, sondern auch in Europa, Nord-Amerika, Australien, vor allem im Zuge einer grünen Revolution.
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    Wir stehen vor einem Bergbau-Boom der noch größer wird als in der industriellen Revolution. Und wir dürfen beim Bergbau für die grüne Revolution nicht dieselben Fehler machen wie früher.

    Mark Macklin, Geograf Universität Lincoln

    Das sei die wichtigste Lehre - für alle - aus dem giftigen Bergbau-Erbe von Wales.
    Wolf-Christian Ulrich ist ZDF-Korrespondent für das Vereinigte Königreich und Irland.

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