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Joe Biden und seine Baustellen:Ein alter Herr im Wahlkampffieber
von Elmar Theveßen
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Joe Biden tut sich im Wahlkampf schwer. Sein Alter gilt als Hindernis, doch er und seine Berater sind überzeugt, dass sie Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus verhindern können.
US-Präsident Joe Biden in Michigan beim Streik von Autobauern.
Quelle: Reuters
Da brausen schwarze Staatskarossen mit dutzenden Polizeifahrzeugen durch die Felder nahe Detroit, Michigan. Joe Biden kommt in den kleinen Ortsteil Belleville, um sich einzureihen in den Streik der Arbeiter an einer Autofabrik. Es ist eine Verzweiflungstat, sagen Kritiker, weil Bidens Umfragewerte doch so schlecht sind. Nein, sagen seine Freunde, da kommt der echte Joe, ein Mann des Volkes.
Biden braucht Gewerkschaften für Wiederwahl
40 Prozent mehr Lohn fordern die Streikenden, unter ihnen Tracy Martinelli. "Ich habe gerade mal 1,29 Dollar mehr Stundenlohn als damals, als ich anfing", erzählt die Fließbandarbeiterin, "25 Jahre, ein Dollar und etwas mehr. Das steht in keinem Verhältnis." Und Justin Green freut sich: "Der ganze Auftrieb hier, das erzeugt Druck auf die Fabrik." Dass Joe Biden sich auf ihre Seite schlägt, hat es in den USA noch nie gegeben.
Joe Biden ist alt, das schadet seinen Umfragewerten. Auch die Grenzsituation zu Mexiko und die Causa Hunter Biden belasten. Aber der 80-Jährige hat auch Erfolge vorzuweisen.27.09.2023 | 9:49 min
Aber der Mann aus Washington braucht die Gewerkschaften für seine Wiederwahl. "Ihr habt Opfer gebracht, als die Konzerne in Schwierigkeiten waren", ruft Biden. "Jetzt geht es ihnen unglaublich gut, deshalb sollte es auch Euch unglaublich gut gehen." Sie jubeln und wissen dabei alle, dass er den Konzernen keine höheren Löhne diktieren kann. Aber ihnen nützt die Aufmerksamkeit und ihm der gute Eindruck. Denn vieles läuft für Biden derzeit gar nicht gut.
Hunter Biden im Visier der Republikaner
Ausgerechnet sein Sohn Hunter schadet Joe Biden erheblich - durch sein Strafverfahren, weil er über den Besitz einer Waffe gelogen hat, und durch die Ermittlungen gegen ihn wegen zwielichtiger Geschäftsbeziehungen. Kaum ein Termin, bei dem der Präsident nicht gefragt wird, ob er in Hunters Deals in der Ukraine und in China involviert war.
Die Beweislage dafür ist äußerst dünn, aber dick genug, dass die Republikaner im Wahlkampf nun das Gleiche wollen wie einst die Demokraten gegen Donald Trump: Ein Amtsenthebungsverfahren wegen Machtmissbrauchs, Strafvereitelung und Korruption.
Mehrheit findet Biden zu alt für Präsidentenamt
Und dann ist da noch der wirklich wunde Punkt des Präsidenten. An der Grenze zu Mexiko spitzt sich die Lage weiter zu. Im August wurden 330.000 illegale Einwanderer aufgegriffen, derzeit kommen täglich bis zu 11.000 neue dazu. Selbst demokratische Bürgermeister rufen den Notstand aus.
"Wir müssen etwas unternehmen, es unter Kontrolle bringen", sagt Rolando Salinas jr., der demokratischer Bürgermeister von Eagle Pass, Texas. "Es ist nicht normal, dass Menschen über die Grenze kommen, ohne Konsequenz." All das schürt Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Präsidenten. Und dann ist da noch sein Alter. 77 Prozent der Amerikaner finden, der 80-Jährige sei zu alt für eine zweite Amtszeit.
Biden mobilisiert Spender
Trotzdem geschah in Chicago letzte Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Wunder, von dem es keine Bilder gibt. Beim Dinner unter freiem Himmel im Millennium-Park scharten sich die 100 wichtigsten Spender der demokratischen Partei um Joe Biden und Kamala Harris. Über das Alter des Präsidenten wurde gewitzelt, eine kämpferische Präsentation seines Wahlkampfteams bejubelt.
Die beiden sollen zum Angriff übergehen, ihre Erfolge klarmachen - prompt tat Biden das bei einer Wahlkampfveranstaltung am Wochenende: "Leute, unser Plan funktioniert", sagte er unter Beifall, "mehr als 13,5 Millionen neue Jobs seit Amtsantritt. Mehr als jeder Präsident vorher in einer Amtszeit."
US-Industrie im Aufschwung
Es ist keine leere Prahlerei, wie man in Louisiana bestaunen kann. Menschen haben wieder Arbeit, sogar besser bezahlte als zuvor, in der Werftindustrie. Riesige neue Schiffe tragen zum Kampf des Landes gegen den Klimawandel bei.
"Es geht um ein Volumen von 370 Milliarden Dollar", um die "Transformation zu schaffen zu einem klimaneutralen Amerika", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. 07.02.2023 | 4:07 min
Denn die Offshore-Windräder, gefördert aus Bidens Klimapaket, müssen gewartet werden, fast 100 Spezialschiffe werden dafür gebraucht. Amerikas Industriebasis ist im Aufschwung - bei Wind- und Sonnenenergie, bei Halbleitertechnik, Batterien, Elektroautos und Schiffen.
Vizepräsidentin Harris: "Biden liefert"
Gleichzeitig wirkt Biden aber zerbrechlich, er stolpert, fällt schonmal hin, zum Schrecken seiner Berater. Die haben ihm jetzt tägliche Gleichgewichtsübungen verordnet. Er soll häufiger Turnschuhe tragen.
Und auch sonst, sagen sie, sei der Präsident seinem Amt jederzeit gewachsen: "Ich sehe ihn jeden Tag, und ich verbringe viel Zeit mit ihm im Oval Office", erzählt Vizepräsidentin Kamala Harris der Nachrichtenagentur AP. "Da sehe ich seine Fähigkeit, komplexe Themen zu durchdenken, wie kein anderer es kann, um kluge und wichtige Entscheidungen für das amerikanische Volk zu fällen, und was dann daraus wird."
Wahlkampf beginnt gerade erst
Das hoffen auch die Streikenden in Michigan. Mitten im Getümmel trifft der alte Herr Biden auf die ganz junge Generation - Jauzuah, 13-Jahre alt. "Toll, Joe Biden zu sehen, ihm die Hand zu schütteln", sagt Jauzuah hinterher. Viele der Arbeiter, die dabei waren, wollen den Präsidenten nächstes Jahr wiederwählen.
"Ich mache mir überhaupt keine Sorgen über sein Alter", meint Daniel Patterson. "Er hat vor allem Erfahrung, er hat breites Wissen und dann hat er gute Leute um sich rum, um ihm durch schwierige Zeiten zu helfen. Ich mache mir eher Sorgen um andere im Amt." Mit "andere" ist Donald Trump gemeint. Der wird Joe Bidens Auftritt am Streikposten als Verzweiflungstat verspotten. Doch bei den Menschen hier hat der alte Präsident tiefen Eindruck hinterlassen.
Elmar Theveßen ist Leiter des ZDF-Studios in Washington.
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