Trumps USA: "So muss es sich 1933 in Berlin angefühlt haben"

    Interview

    Trump baut Behörden um:Angestellte bei USAID: Wie 1933 in Berlin

    von C. Harz, S. Riess, N. Aulbert, Washington D.C.
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    Kaum im Amt, beginnt Donald Trump einen rigorosen Staatsumbau. Eine USAID-Mitarbeiterin über den Abbau demokratischer Institutionen und die Angst vor dem, was noch kommt.

    Die Silhouette einer Person in einem Büro in Washington
    Der US-Präsident geht mit der Brechstange gegen zigtausende Bundesbeamte vor, die sein neuer Effizienz-Beauftragter, Tech-Milliardär Musk, "Marxisten" und "Amerika-Hasser" nennt.06.02.2025 | 2:29 min
    Ginge es nach US-Präsident Donald Trump, wären seit wenigen Stunden annähernd alle Mitarbeiter der amerikanischen Entwicklungshilfe freigestellt - wie bereits Zehntausende andere Bundesangestellte, die den Plänen des Republikaners im Weißen Haus weichen mussten.
    "Susan" arbeitete viele Jahre für die US-Entwicklungshilfe und wurde Anfang der Woche beurlaubt. Noch bevor ein US-Bundesrichter die Freistellungen vorerst stoppte, konnten wir mit ihr sprechen. Zeigen dürfen wir sie nicht, ihren wahren Vornamen nennen auch nicht. Nicht mal ihr Handy hat sie dabei. Zu groß ist die Sorge, dass ihr Arbeitgeber - der amerikanische Staat - von unserem Gespräch erfährt.
    Im Interview mit dem ZDF berichtet sie von ihren aufwühlenden letzten Tagen, den Ängsten vor ihrer eigenen Zukunft - und der Zukunft Amerikas.
    ZDFheute: Wie haben Sie die letzten Tage erlebt? Was wurde Ihnen mitgeteilt?
    Susan: Uns wurde gesagt, dass wir unsere Arbeit nicht mehr ausüben können, dass unsere Unterstützung im Ausland nicht mehr mit der Agenda des amtierenden Präsidenten übereinstimmt.

    Die jetzige Entscheidung steht mit Donald Trumps America-First-Agenda in Einklang.

    Nun wurde ich zunächst beurlaubt. Wir dürfen unsere Büros nicht betreten. Wir haben keinen Zugang zu unseren Computern, können nicht auf Dateien und E-Mails zugreifen - und die meisten von uns bereiten sich darauf vor, in den kommenden Wochen entlassen zu werden.

    Jeder der letzten Tag war härter als der vorherige, da immer wieder neue Informationen kamen, manchmal über das Wochenende oder spätabends - meistens mit vielen Unklarheiten.

    Die Dorfbewohnerin Zawadi Msafiri steht am 23. März 2022 auf einem verdorrten Maisfeld.
    In Kenia, das stark auf US-Unterstützung angewiesen ist, spüren die Menschen die Folgen des USAID-Shutdowns.06.02.2025 | 1:24 min
    ZDFheute: Welche Informationen erhalten Sie - und auf welche Weise?
    Susan: Es werden bewusst extrem komplexe Zusammenhänge vereinfacht und verschleiert.

    Es ist offensichtlich, dass wir nicht verstehen sollen, was vor sich geht.

    Wir sollen alles, was geschieht, einfach hinnehmen: Angst haben, nachgeben, schweigen und abwarten, bis sie ihre Entscheidungen getroffen haben. Und je mehr man innerhalb der Behörde versucht, sich dagegen zu wehren, desto härter wird der Druck. Es fühlt sich an, als würde jede Form des Widerstands die Situation nur noch verschlimmern.

    Es fühlt sich wie ein Kampf an, wie eine Form der Unterdrückung, die nicht einmal durch klare Kommunikation geschieht.

    Die angedrohten Disziplinarmaßnahmen sind vage formuliert, und für einen Regierungsangestellten, der viel zu verlieren hat, ist das beängstigend. So etwas erwartet man nicht von seinem Arbeitgeber - erst recht nicht von der eigenen Bundesregierung.
    Elmar Theveßen | ZDF-Korrespondent in Washington
    Beim Stellenabbau bei Behörden wie USAID, CIA und NSA ginge es für Trump darum, "dass niemand mehr da ist", der sich "seinen Anordnungen entgegenstellt", berichtet ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.07.02.2025 | 3:06 min
    ZDFheute: Haben Sie mit einer so drastischen Maßnahme gerechnet? Geht es tatsächlich um Auslandshilfe oder steckt mehr dahinter?
    Susan: Uns war bewusst, dass es mit dieser Regierung Veränderungen geben würde. Aber wir hätten nie gedacht, dass Menschen, die im Bildungswesen, im Gesundheitsbereich oder in der Armutsbekämpfung arbeiten, die Konsequenzen zu spüren bekommen würden.

    Das sind keine außenpolitischen Fragen - das ist humanitäre Unterstützung.

    Es geht nicht nur um die Auslandshilfe. Jede andere Behörde, die in der Vergangenheit in irgendeiner Weise Widerspruch oder Unabhängigkeit gezeigt hat, könnte als Nächstes ins Visier geraten - sei es das FBI, das Justizministerium, das Bildungsministerium, die CIA oder die Umweltschutzbehörde.

    Wir sind hier das Testobjekt - und die Botschaft, die damit gesendet wird, verbreitet Angst in allen Regierungsbehörden.

    Es scheint darum zu gehen, einfach schnell zur nächsten Behörde überzugehen. Je schneller das passiert, desto weniger Zeit bleibt dem Kongress und der amerikanischen Öffentlichkeit, um zu verstehen, was hier geschieht.
    Internationaler Gerichtshof
    US-Präsident Trump hat auch Sanktionen gegen Mitglieder des Internationalen Strafgerichtshofs angeordnet. Grund sei unter anderem der Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Netanjahu.07.02.2025 | 0:23 min
    ZDFheute: Wie erklären Sie sich das, was gerade geschieht?
    Susan: Es ist einfach unfassbar, wie offen und hemmungslos von allen Seiten gegen Gesetze verstoßen wird - und es gibt keine funktionierende Kontrolle.

    Die notwendigen Checks and Balances existieren gerade nicht.

    Wir bräuchten Checks and Balances im Kongress und eine Medienlandschaft, die jede einzelne Verfügung Trumps rund um die Uhr verfolgt - aber die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen reicht dafür nicht aus. Zudem bekommen falsche Narrative mehr Unterstützung als je zuvor. Sie kommen jetzt direkt von unserer Regierung.

    Diese Narrative sind einfach nicht korrekt - aber es gibt niemanden, der das klarstellt.

    Die Medien versuchen es, aber viele dieser Medien werden mittlerweile ausgeschlossen.

    Wer sich nicht an die Linie dieser Administration hält, wird nicht mehr zugelassen.

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    ZDFheute: Haben Sie das Gefühl, dass Sie heute in einem grundlegend anderen Amerika leben als in dem Amerika des Marshall-Plans?
    Susan: Wir erleben gerade einen Angriff auf unsere Institutionen, in einer derartig dramatischen und organisierten Weise, dass niemand in der Lage ist, effektiv darauf zu reagieren. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass es so schnell gehen könnte. Ich habe an unsere Institutionen geglaubt. Ich habe allen gesagt: Unsere Institutionen sind stark, sie können nicht so schnell zusammenbrechen.
    Jetzt glaube ich: So muss es sich 1933 in Berlin angefühlt haben. Warten wir ab, bis wir bald eine Rezession haben, dann wird es genauso laufen wie damals in Deutschland.

    Sie werden einen Sündenbock brauchen. Und sie haben ihn bereits identifiziert.

    Es ist, als ob sich Geschichte wiederholt. Und ich kann einfach nicht glauben, dass es jetzt hier passiert, und die Leute wachen einfach nicht schnell genug auf.
    SGS Theveßen Gellinek
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    ZDFheute: Ihre Behörde wurde per Gesetz vom Kongress geschaffen - jetzt wird sie von Personen aus dem Umfeld des Präsidenten wie Elon Musk ausgehöhlt. Wie kann das sein?
    Susan: Diese Menschen wurden nicht durch Sicherheitsverfahren überprüft. Sie haben sich einfach eingeschlichen. USAID ist eine gesetzlich unabhängige, vom Kongress vorgeschriebene Institution. Das nun ist eine Umkehrung all dessen, wir in den letzten vier Jahren erreicht haben.

    Es geht nicht um heute. Es ist, als ob es die Biden-Administration nie gegeben hätte.

    Als Zivilbediensteter haben wir einfach unseren Job gemacht. Ich habe in der letzten Administration gearbeitet. Ich habe in der davor gearbeitet. Aber jetzt sagen sie, dass alles, was wir in unserem Job getan haben, falsch war.
    ZDFheute: Was bedeutet das für die Menschen, die auf Ihre Hilfe angewiesen sind?
    Susan: Es fällt mir schwer, an all die Menschen zu denken, mit denen ich zusammengearbeitet habe - von Lateinamerika über Afrika bis Asien. Sie haben auf uns gezählt und stehen nun ohne Existenzgrundlage da. Das Erschütterndste überhaupt ist, dass die Länder, in denen wir arbeiten und die uns als Vorbilder für Demokratie, Integrität und Vertrauen sehen, plötzlich im Stich gelassen werden.
    Es dauert Jahre, dieses Vertrauen aufzubauen. Nun kehren wir denen den Rücken zu, die etwa auf antiretrovirale Medikamente zum Überleben angewiesen sind oder Schulgeld in einem Flüchtlingslager brauchen.

    Was wir gemacht haben, mag nur ein Prozent unseres Haushalts betreffen, aber er macht einen erheblichen Anteil der weltweiten Auslandshilfe aus.

    Beitrag lojewski USA Entwicklungshilfen Kenia
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    ZDFheute: Wie geht es jetzt für Sie weiter?
    Susan: Ich werde nun versuchen herauszufinden, wie ich Arbeitslosenhilfe bekomme. Ich werde klarkommen, weil ich privilegiert bin. Ich habe Freunde, die alleinerziehend sind, die schauen müssen, wie sie ihre Hypothek bezahlen. Das sind Menschen, die studiert haben, die ihr Leben der Auslandshilfe gewidmet haben, weil sie daran glaubten.

    Es gibt zwar viele Prozesse, um eine Kündigung anzufechten. Aber die Realität ist, dass das Jahre dauern wird.

    Vielleicht werden wir in fünf Jahren entschädigt, wenn eine Sammelklage abgeschlossen ist. Selbst wenn: Das Leid und die Traumatisierung bleiben.
    Auszüge aus dem Gespräch sendete das ZDF am Donnerstagabend im heute journal. Der Beitrag ist oben im Artikel zu sehen.
    Quelle: ZDF

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