Richtungswahl in der Slowakei: Comeback von Robert Fico?

    Richtungswahl in der Slowakei:Comeback von Kreml-Freund Robert Fico?

    Britta Hilpert
    von Britta Hilpert
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    Wenn Robert Fico in der Slowakei die Wahl gewinnt, kann das für EU und Nato ein Riesenproblem werden: Der pro-russische Linkspopulist hat gute Chancen - trotz zahlreicher Skandale.

    Robert Fico
    Der Linkspopulist Robert Fico will Premiermister der Slowakei werden.
    Quelle: reuters

    Wasser auf das Buch mit dem Bild von Robert Fico: Denn Wasser, so der Autor Peter Bardy, sei wie Wahrheit - ohne das könne der Mensch nicht leben.
    Die Wahrheit über Robert Fico ist komplex. In der Slowakei ist er der einflussreichste Politiker der letzten Jahrzehnte, mit einem politischen Leben voller Höhen und Tiefen. Nun will er Premierminister werden - zum vierten Mal.

    Robert Fico ist ein Homo politicus, ein enorm zynischer Pragmatiker, der alles dafür tut, um erfolgreich zu sein.

    Peter Bardy, Autor

    "Er findet immer eine Welle, die ihm hilft, so nah wie möglich an die Macht zu kommen", erläutert Bardy. "Er hat es immer geschafft, eine Stimmung in einem Teil der Gesellschaft zu erkennen, so dass dieser Teil ihn an die Macht bringt."
    Slowakisches Parlament in Bratislawa, Archivbild
    Am 30. September wird in der Slowakei ein neues Parlament gewählt. Viele junge Slowaken sind allerdings unschlüssig, ob sich der Gang zur Urne überhaupt lohnt. 14.09.2023 | 2:18 min

    Mord an Jan Kuciak in Regierungszeit von Fico 2018

    Es ist ein erstaunliches Comeback. Denn Fico war Premier, als die Slowakei 2018 ihren Demokratie-politischen Tiefpunkt erlebte: die Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnirova.
    Kuciaks investigative Arbeit zeigte Verbindungen auf zwischen der Ndrangheta und Regierungskreisen. Er erhielt Drohungen, ging damit zur Polizei, doch die ließ ihn damit allein.
    Der Mord hat mit seinen Recherchen zu tun, meint Peter Bardy, damals Kuciaks Chef bei Aktuality.sk:

    Es ist eben in Ficos Regierungszeit passiert. Ich kann das nicht löschen, das beeinflusst meine Meinung über ihn.

    Peter Bardy, Autor und 2018 Chef von Jan Kuciak

    Tausende verlangten Rücktritt von Fico

    Robert Fico ließ damals in einer Pressekonferenz einen Haufen Euro-Bündel aufschichten und versprach sie demjenigen, der stichhaltige Hinweise zur Aufklärung gibt. Das war nicht nur Populismus, meinten viele Slowaken, das war schlicht zynisch - denn viele sahen seine korrupten Regierungsmitglieder mitverantwortlich für die Zustände, die zu dem Mord geführt haben.
    Robert Fico beugte sich schließlich: Im März 2018 trat er zurück.
    proteste nach journalistenmord in der slowakei
    Der Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Partnerin löste 2018 Proteste aus.16.04.2018 | 0:19 min

    Fico: Hatte nichts mit Kuciak-Mord zu tun

    Heute versteht Fico nicht mehr, warum wir ihn im Interview überhaupt auf den Mord und die Folgen ansprechen:

    Weder ich noch meine Regierung hatten damit etwas zu tun.

    Robert Fico, Kandidat für Slowakei-Wahl, zum Kuciak-Fall

    Fico sagt, dass er in den letzten Jahren einen "enormen Missbrauch des Strafrechts zur Liquidierung der Opposition" erlebt habe.
    2022 wurden er und sein Innenminister angeklagt, eine kriminelle Vereinigung gebildet und sein Amt missbraucht zu haben. Es kam nie zum Prozess, ein umstrittener Paragraph und Generalstaatsanwalt halfen ihm, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
    Slowakei
    Reisende haben mit dem Start eines neuen Projekts die Möglichkeit, sich bei ihrer Hotel-Buchung vor Intransparenz und Korruption zu schützen.01.08.2023 | 2:07 min

    Wiederaufstieg durch Misstrauen der Bürger in die Konkurrenz

    Die "Unprofessionalität" der Regierenden seit 2018 habe die Leute schwer enttäuscht, meint Peter Bardy. Vier Jahre mit Koalitions-Streitereien und schließlich einer Expertenregierung und vorgezogenen Neuwahlen hätten "zum Anstieg des Misstrauens in demokratische Institutionen beigetragen", sagt Bardy.

    Fico hat das Misstrauen enorm genutzt für seine starke Desinformationskampagne, mit pro-russischen Trollen.

    Peter Bardy, Autor

    Fico gegen weitere Waffen an Ukraine

    Fico war schon immer russlandfreundlich, und selbst mit dem Ukraine-Krieg bleibt er es: Weitere Waffenlieferungen an die Ukraine schließt er kategorisch aus.
    Auch Sanktionen der EU will Fico "prüfen". "Die EU übernimmt blind die Sanktionspolitik der USA", sagt der Spitzenkandidat der Smer-Partei. Fico will nur weiteren Sanktionen zustimmen, wenn sie die Slowakei "nicht schädigen".
    Die Staatspräsidentin Zuzana Čaputová nennt Fico eine "amerikanische Agentin". Die verklagte ihn deswegen nun wegen Verleumdung.

    Wortgefacht mit Gegner Šimečka

    Dem stärksten Konkurrenten, dem liberalen Michael Šimečka von der PS, hielt Fico in der letzten Fernsehdebatte vor: "28 ihrer 40 Kandidaten sind von Nichtregierungsorganisationen, sogar vier Leute von Transparency International, das von der amerikanischen Botschaft finanziert wird! Gott schütze die Slowakei!"
    Šimečka erwiderte mit kühlem Kopf: "Das ist immer noch besser, als eine Partei zu haben, die Oligarchen geschaffen haben. Und vor allem haben unsere Leute eine saubere Weste."

    Bei der Wahl zum Slowakischen Nationalrat schließen die letzten Wahllokale am Samstag um 22 Uhr. Erste Hochrechnungen werden für Sonntagmorgen erwartet. Der Nationalrat wird auf vier Jahre gewählt. Er hat 150 Sitze, die per Verhältniswahlrecht vergeben werden. Insgesamt treten 25 Parteien und Wahlbündnisse zur Wahl an.

    Quelle: bpd.de

    Fico macht diese Wahl zur Richtungswahl

    Sollte Fico wieder Premierminister werden, so kann die Slowakei zum Bremser werden in der gemeinsamen EU-Außenpolitik, zum Brückenkopf für russische Interessen.
    Politologen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Fico und Šimečka voraus - beide liegen in Umfragen bei rund 18 Prozent. Fico hat aber die besseren Chancen, eine Regierung zu bilden, denn ihm geht es um die Macht. Er hätte keine Skrupel auch mit dem nationalistischen rechten Rand zu koalieren.
    Umso wichtiger sei es, meint der Buchautor Peter Bardy, über ihn zu informieren. Denn viele fürchten, dass mit Fico an der Macht und rechtsextremen Koalitionspartnern die Slowakei in der EU zu einer Art zweitem Ungarn werden könnte.

    Hetze, Prügeleien, Drohungen
    :Slowakei: Wahlkampf mit harten Bandagen

    Der Wahlkampf in der Slowakei ist in vollem Gange, geprägt von Hetze und sogar Handgreiflichkeiten. Jungwähler schreckt das ab - dabei geht es um ihre Zukunft, meint eine Kampagne.
    von Britta Hilpert
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