Verschwinden einer Mitarbeiterin:Beben im russischen Verteidigungsministerium?
von Sebastian Ehm
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Die Meldung eines russischen Mediums legt nahe, dass eine Verteidigungsmitarbeiterin nach Frankreich übergelaufen ist. Der Vorgang sagt viel über den Zustand im Ministerium.
Ex-Verteidigungsminister Sergej Schoigu und seine frühere Stellvertreterin Tatjana Schewtzowa
Quelle: Imago
Es ist eine Nachricht, die das Zeug hat, in Russland wie eine Bombe einzuschlagen. Das "Zargrad TV"meldet, dass die ehemalige stellvertretende Verteidigungsministerin Tatjana Schewzowa nach Frankreich geflohen ist und nicht nur das: Sie sei übergelaufen, heißt es. Das wäre, gelinde gesagt, eine Sensation.
Schewzowa war zuständig für Finanzfragen innerhalb des Ministeriums. Sie dürfte genau Bescheid wissen, wie viel Militärgerät in den letzten Jahren angeschafft, wie viele Waffen ge- und verkauft wurden. Sie wäre im aktuellen Kriegsgeschehen wertvoll.
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Schewzowa soll auch Geld veruntreut haben
Der Bericht suggeriert, dass Schewzowa nicht nur mit großen Summen innerhalb des Verteidigungsministeriums hantierte, sondern auch viel Geld in die eigene Tasche wirtschaftete. Zumindest besäße sie mehrere teure Immobilien, unter anderem in Moskau. Sie habe außerdem in den gerade stattfindenden Ermittlungen gegen die festgenommenen hochrangigen Militärs ausgesagt. Seit Wochen bleibt im russischen Verteidigungsministerium kein Stein mehr auf dem anderen.
Bereits Ende April war einer der damaligen Stellvertreter Timur Iwanow wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden. Mitte Mai hatte Wladimir Putin dann den langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu entlassen und Andrej Beloussow installiert. Wenig später wurde mit Juri Kusnetzow ein weiterer hochrangiger General wegen Bestechlichkeit festgenommen.
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Putin sortierte mit eisernem Besen Generäle aus
Die Korruption in Russlands Verteidigungs- und Rüstungsindustrie ist zwar seit Jahren ein offenes Geheimnis. Doch unter Beloussow scheint nun ein anderer Wind zu wehen. Vor einigen Tagen entließ Putin vier weitere ehemalige Stellvertreter Schoigus, darunter Schewzowa.
Laut Margarete Klein, Russland-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, kann man im Moment nur spekulieren, was da hinter den Kulissen im Verteidigungsministerium los ist.
"Damit stünde die noch nicht bestätigte Flucht im Zusammenhang der Konfliktlinie 'neuer Verteidigungsminister gegen Mitarbeiter des alten Verteidigungsministers'", erklärt die Expertin.
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In Moskau hieß es aus FSB-Kreisen schon vor Wochen, dass noch Dutzende hochrangige Militärs im Visier des Inlandsgeheimdienstes sind. War darunter auch Schewzowa? Der neue Verteidigungsminister Andrej Beloussow soll geschäumt haben vor Wut als er erfahren hat, dass Schewzowa ausgereist sei. Es würde kein gutes Licht auf ihn werfen, sollte einer solch hochkarätigen Person die Flucht gelungen sein.
Vorgänge im Verteidigungsministerium undurchsichtig
Doch hier ist man schnell beim Ausgangspunkt der Nachricht: "Zargrad TV". Ein nationalistisches Sprachrohr des ultraradikalen Militärflügels. Das Ziel von "Zargrad TV" ist es, das Establishment vor sich herzutreiben. Das Narrativ: Die korrupte Elite verhindert einen russischen Sieg in der Ukraine.
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Könnte es also sein, dass die Verfasser der Nachricht nun auch dem neuen Verteidigungsminister Beloussow schaden wollten und ihm vorwerfen, seinen Laden nicht im Griff zu haben? Ist Schewzowa gar nicht übergelaufen? Wie vieles im Machtapparat Putins bleiben auch die Vorgänge im Verteidigungsministerium undurchsichtig.
Fakt ist: Tatjana Schewzowa ist seit Tagen verschwunden. Sie besitzt wohl mehrere Häuser in Europa. Doch, ob sie tatsächlich übergelaufen ist, ist fraglich. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der Kreml mit Überläufern dieses Kalibers nicht gerade zimperlich umgeht.
Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.