Prigoschins Erbe: Ein Jahr nach dem Putsch-Versuch

    Ein Jahr nach versuchtem Putsch:Wie Prigoschins Erbe auf Russland lastet

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    Putins Spezialarmee in der Ukraine, die Wagner-Truppe, startete am 23. Juni 2023 einen Putsch-Versuch gegen den Kreml. Das Erbe ihres Chefs Prigoschin ist noch immer spürbar.

    An einer impovisierten Gedenkstätte in Kremlnähe erinnern Fotos an die Gründer der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin und Dmitri Utkin.
    Frische Blumen für die Gründer der russischen Privatarmee Wagner, Prigoschin (l.) und Utkin (r.).
    Quelle: dpa

    Jewgeni Prigoschin steht als Denkmal fast lebensgroß auf dem Friedhof Porochowskoje in St. Petersburg. Die Statue des Chefs der russischen Privatarmee Wagner mit ausgestreckter Hand zieht in Scharen Anhänger an.
    Viele legen rote Nelken nieder - auch Tage nach Prigoschins Geburtstag am 1. Juni. Das Grab auf einem Friedhof nahe des Kreml ist zu einer Pilgerstätte geworden. Auch in Prigoschins Heimatstadt St. Petersburg und in anderen Orten Russlands ist der Kult um den Unternehmer lebendig.

    Wagner-Söldner: weltweit Verbrechen gegen die Menschlichkeit

    Prigoschin - schwerreicher Geschäftsmann, verurteilter Dieb, enger Ex-Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin und Gründer des berüchtigten Wagner-Söldnerheers - galt als Meister der Desinformation und Täuschung. Mit seiner international tätigen Internet-Trollfabrik stand er in den USA im Verdacht, sich in Präsidentenwahlen eingemischt zu haben.
    Seine Wagner-Armee war nicht nur im Ukraine-Krieg im Einsatz, sondern mischte davor schon in Syrien kräftig mit - und dann auch in vielen Konflikten in Afrika. Dort galt Prigoschin stets als Putins Mann fürs Grobe. Und nicht nur dort stehen die Wagner-Söldner wegen schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Kritik.

    Machtkampf mit Putin: Rätsel um Prigoschins Tod

    Nicht wenige Russen glauben, dass Prigoschin noch am Leben sei und in Afrika oder sonst wo weiter seine Geschäfte mache. Allerdings meint ein 63-jähriger Besucher am Grab des Wagner-Chefs: "Ich glaube das nicht, er könnte doch nicht da irgendwo im Ausland ruhig sitzen, ohne sich einzumischen, er würde sich doch um Russland kümmern".
    Jewgeni Prigoschin
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    Aus Sicht des Mannes gäbe es "noch so viele Fragen". Er denkt, wie viele in Russland, dass es sich bei dem Flugzeugabsturz um einen Racheakt des russischen Machtapparates gehandelt habe, weil Prigoschin einen Aufstand gegen die korrupte Moskauer Militärführung angezettelt hatte.

    Putin: Militärapparat "gesäubert" nach Prigoschins Tod

    Putin selbst legte nahe, dass die Wagner-Führung an Bord der Maschine unsachgemäß mit einer dann explodierten Granate hantiert habe. Verbreitet ist auch die Sicht, die russische Flugabwehr könnte das Flugzeug gezielt abgeschossen haben. Eine internationale Untersuchung zum Absturz von Prigoschins Privatflugzeug über seinem Staatsgebiet hat Russland abgelehnt.
    Als würde er Prigoschin doch posthum Recht geben, hat Präsident Putin zuletzt dann doch Verteidigungsminister Sergej Schoigu ausgewechselt - und mehrere Vertreter der Militärführung wegen Korruption und Amtsmissbrauchs verhaften lassen.
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    Verbrechen in Russland durch Ex-Wagner-Söldner

    Aber auch ein anderes Erbe lastet weiter auf Russland. Mit Putins Erlaubnis hatte Prigoschin in Straflagern zu Zehntausenden Kämpfer rekrutiert, die sich durch den Kriegseinsatz in der Ukraine von ihrer Schuld freikaufen konnten. Die verurteilten Schwerverbrecher, darunter etliche Mörder, kamen, wenn sie überlebten, nach sechs Monaten in Freiheit. Putin begnadigte Zehntausende von ihnen.
    Seither wird die Gesellschaft immer wieder durch Verbrechen dieser Kriegsheimkehrer erschüttert. Oft greifen sie ihre Frauen, Mütter, Schwestern oder auch Nichtangehörige an.
    Im April nahmen Beamte im Gebiet Leningrad einen 42 Jahre alten Wagner-Söldner fest, der seine Freundin nach einem Streit getötet und zerstückelt hatte. Die Wagner-Armee hatte den zu zwölf Jahren Haft verurteilten Mörder aus einem Straflager rekrutiert.
    Experten der Organisation nasiliu.net - Nein zu Gewalt - befürchten in Zukunft noch eine Zunahme der häuslichen Gewalt, wenn mehr dieser Männer mit möglichen posttraumatischen Belastungsstörungen wieder in ihr altes Leben zurückkehren.
     Der ehemalige Wagner-Söldner Igor trägt einen grauen Bart und schaut zu Boden. Teile seines Gesichts sind verschwommen
    Igor kämpfte als Söldner und will nun über Kriegsverbrechen in der Ukraine aussagen.22.02.2024 | 36:10 min

    Enthüllungsbuch zu Prigoschin

    In ihrem Buch "Nasch Business Smert" (auf Deutsch: "Unser Business ist der Tod") über Prigoschin und seine Wagner-Truppe zeichnen die russischen Journalisten Ilja Barabanow und Denis Korotkow die Machenschaften der von Korruption geprägten Privatarmee nach.
    Prigoschin sei ein Mörder und Aufständischer gewesen, der Putin am Ende gehörigen Schrecken eingejagt habe - und deshalb beseitigt worden sei, heißt es da. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Prigoschins Leben ganz beispielhaft stehe für die "Mechanismen eines mafiosen Staates" unter Wladimir Putin.
    Quelle: dpa

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