ZDF frontal und "Spiegel" deckten gemeinsam mit internationalen Partnern dubiose Geschäfte kremlnaher Oligarchen auf. Nun wird auf Zypern ermittelt.
Interne Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union genutzt haben.14.11.2023 | 40:51 min
Die investigativen Recherchen über die Geschäfte russischer Oligarchen auf Zypern zeigen Wirkung: Der zyprische Präsident Nikos Christodoulides hat jetzt eine umfangreiche Untersuchung angekündigt.
Zyprische Behörden sollen die Enthüllungen mit Hilfe von Experten aus den USA prüfen. Insgesamt sechs Mitarbeiter der zentralen US-Sicherheitsbehörde FBI und der Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität FinCEN sind seit Sonntag auf Zypern und sollen vor Ort die Untersuchung der zyprischen Behörden unterstützen.
Mitglieder des Europäischen Parlaments fordern schärfere Gesetze gegen Geldwäsche und eine Untersuchung der Rolle eines globalen Wirtschaftsprüfungsunternehmens.
"Cyprus Confidential" - weltweite Recherche
"Cyprus Confidential" ist eine vom ZDF und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) angestoßene weltweite Recherche. Sie zeigt in mehreren Fällen fragwürdige Geschäfte, die über und durch das EU-Mitgliedsland Zypern liefen.
Interne Dokumente zyprischer Finanzdienstleister legten offen, wie sanktionierte russische Oligarchen das Land als eine Art Hintertür zur Europäischen Union und dem Schengen-Raum genutzt haben. Die Recherchen deckten auch auf, wie die zyprische Finanzindustrie kremlnahen russischen Vermögenden bei der Verschleierung ihrer Vermögen und ihrer Geschäfte jahrelang geholfen hat.
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Zypern will eigenen Ruf wiederherstellen
"Wir nehmen die Fälle sehr ernst", sagte am Mittwoch der stellvertretende Regierungssprecher Zyperns Yiannis Antoniou im Gespräch mit ZDF frontal. Das Ziel der Untersuchungen sei es, den Ruf Zyperns wiederherzustellen.
Die zyprische Regierung wolle die Untersuchung möglichst zeitnah abschließen, denn die Unterstützung der US-Experten sei zeitlich begrenzt. Nach der Veröffentlichung der Recherchen forderten Mitglieder des Europäischen Parlaments schärfere Gesetze zur Geldwäschebekämpfung.
Europa-Abgeordnete: In Zypern wurde gegen EU-Gesetze verstoßen
Die niederländische EP-Abgeordnete Sophie in’t Veld sagte Ende November in einer extra anberaumten Sitzung zu "Cyprus Confidential" in Straßburg:
Die Europäische Kommission stehe nicht nur für die Übertragung der EU-Gesetze in den einzelnen Mitgliedstaaten in Verantwortung, sondern auch dafür, dass die Länder diese umsetzten.
"Zypern ist Teil der EU und es wurde gegen EU-Gesetze verstoßen", schrieb sie am Mittwoch auf der Plattform X, vormals Twitter. Dennoch gebe es keine sichtbaren Maßnahmen von der Europäischen Kommission oder von Europol, bemängelte die EP-Abgeordnete.
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Auch die Rolle des Wirtschaftsprüfers PwC soll untersucht werden
Wie ZDF frontal zusammen mit dem "Spiegel" und mit internationalen Partnern berichtete, soll der zyprische Ableger der Wirtschaftsprüfungs- und Beratergesellschaft PwC dem russischen Oligarchen Alexej Mordaschow dabei geholfen haben, Sanktionen zu umgehen.
Auf Anfrage teilte PwC mit, dass das Unternehmen alle Sanktionen umgesetzt habe, sanktionierte Personen seien keine Kunden mehr: "PwC Zypern hat nach der russischen Invasion in der Ukraine die Beziehungen zu etwa 150 Klientengruppen beendet."
Dennoch forderte der finnische EP-Abgeordnete der Sozialdemokratischen Fraktion, Eero Heinäluoma, eine Untersuchung der Rolle von PwC. Bei dem Fall geht es um das milliardenschwere Aktienpaket Mordaschows am deutschen Reisekonzern TUI, das der Oligarch offenbar trickreich vor Sanktionen retten wollte.
Mordaschow lässt Vorwürfe zurückweisen
Auch in der aktuellen Untersuchung mit FBI-Hilfe werden die Ermittler die Übertragung der TUI-Anteile gründlich prüfen. Alexej Mordaschow ließ über eine Sprecherin erklären, dass keines seiner Unternehmen gegen Gesetze verstoßen habe.
"Alles, was er aufgebaut und erreicht hat, wurde durch faire Geschäftspraktiken und die strikte Einhaltung von Vorschriften erreicht", heißt es in einer Antwort auf unsere Fragen. Dies gelte auch für die erwähnten Aktienübertragungen.
Verlag stoppt Verkauf von Seipel-Büchern
In Deutschland gab es erste Konsequenzen nach den Enthüllungen über den preisgekrönten deutschen Fernsehjournalisten Hubert Seipel. ZDF frontal und "Der Spiegel" berichteten im Rahmen der Kooperation "Cyprus Confidential" über Sponsorenverträge, die der Russland-Experte Seipel mit einem russischen Oligarchen abschloss.
Auszüge aus dem Sponsorenvertrag zwischen Hubert Seipel und der Briefkastenfirma "De Vere Worldwide Corporation".
Quelle: ZDF
Demnach erhielt Seipel für seine Bücher über den russischen Präsidenten Wladimir Putin von dem Milliardär Alexej Mordaschow über 600.000 Euro, die er nicht offengelegt hat. Auch der Sender NDR, für den der Journalist bis 2019 tätig war, soll von den Zahlungen aus Russland nichts gewusst haben.
Seipel räumte gegenüber NDR ein, über zwei "Sponsoring-Verträge" 2013 und 2018 Geld von Alexej Mordaschow für zwei Buchprojekte erhalten zu haben. Der NDR beauftragte nach der Veröffentlichung der Recherchen den ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Steffen Klussmann mit der Untersuchung der Vorgänge rund um Hubert Seipel. "Es besteht der Verdacht, dass wir und damit auch unser Publikum vorsätzlich getäuscht worden sind", teilte NDR-Intendant Joachim Knuth mit. Der Sender prüfe rechtliche Schritte im Fall Seipel.
von Sophia Baumann, Maria Christoph, Felix Klauser, Hans Koberstein, Hannes Munzinger, Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Marta Orosz, Timo Schober und Sophia Stahl