Ärmelkanal statt Côte d’Azur:Urlaub: Warum Frankreichs Norden boomt
von Lukas Nickel
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Laut einer EU-Studie machen immer mehr Menschen im Norden Europas Urlaub. Der Grund: der Klimawandel. Das spürt auch der Norden Frankreichs. Gehen dem Süden bald die Urlauber aus?
Urlaub im Norden Frankreichs: Le Crotoy an der Atlantikküste.
Quelle: ZDF
Es ist Nachmittag in Le Crotoy. Am Strand spazieren die Urlauber im feuchten Sand, sonnen sich und spielen Strandtennis. Gegen Abend kommt die Flut und der Strand steht unter Wasser, doch bis dahin ist hier viel Platz.
Die Menschen liegen, ganz untypisch für Ferienorte, weit auseinander. Es wirkt nicht so, doch die Hotels und Ferienwohnungen hier in Le Crotoy im Norden Frankreichs sind weitestgehend ausgebucht.
Hitzerekorde im Süden, mildere Temperaturen im Norden
Auch Fréderique André liegt mit ihrer Tochter am Strand. Die Pariserin hat sich zusammen mit ihrem Mann ein Haus in Le Crotoy gekauft.
Der Strand bei Le Crotoy, Nordfrankreich.
Quelle: ZDF
Dieses Jahr wurden Hitzerekorde von über 40 Grad an der Côte d’Azur gemeldet, im Norden sind es dagegen selten mehr als 30 Grad. Hinzu komme die Nähe zur Hauptstadt, die in zwei Autostunden erreichbar ist.
Reisebuchungen: Norden profitiert vom Klimawandel
Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission stellte dieses Jahr "ein klares Nord-Süd-Muster bei der Veränderung der touristischen Nachfrage" fest. Die nördlichen Regionen, so die Forscher, würden vom Klimawandel profitieren.
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Die südlichen Regionen müssten hingegen mit einem erheblichen Rückgang der touristischen Nachfrage rechnen. Je stärker sich das Klima erwärme, desto heftiger die Auswirkung auf den Tourismus.
Das spürt auch Bertrand Hallbach. Direkt über dem Strand von Le Crotoy betreibt er ein kleines Hotel. Den rot leuchtenden Turm des Hotels erkennt man schon von Weitem.
Hotel in Le Crotoy, Nordfrankreich.
Quelle: ZDF
Seine Besucher schätzen vor allem die belassene Natur, im Gegensatz zu den dicht bebauten Küsten im Süden Frankreichs. Auch die milderen Temperaturen spielten eine große Rolle, so Hallbach:
Auch Camping boomt im Norden Frankreichs
Vor allem Campingplätze sind im nördlichen Frankreich beliebt. Vergleicht man das Vor-Covid-Jahr 2019 mit dem vergangenen, ist die Zahl der Übernachtungen auf Campingplätzen in der Region Hauts-de-France um mehr als ein Drittel gestiegen.
Auch dieses Jahr sind die Aussichten gut, wenngleich aufgrund des regnerischen Julis und Augusts die Besucherzahlen vom Vorjahr wohl nicht erreicht werden, schätzen Hallbach und seine Kollegen.
Anders ist die Lage im Süden: Dort gehen Buchungen in allen Arten von Unterkünften leicht zurück, meldet das französische Ministerium für Tourismus. Allein die Zahl an Reservierungen auf Campingplätzen dieses Jahr ist laut Zahlen des Verbands für Freiluftunterkünfte um zehn Prozent zurückgegangen. Einer der Hauptgründe: Die schon im Vorfeld befürchteten Hitzewellen.
Heißes Wetter kein neues Phänomen im Süden
Macht also bald niemand mehr Urlaub im Süden, weil es zu heiß ist? "Da müssen wir einen kühlen Kopf bewahren", beruhigt Jean-Luc Michaud. Er ist Präsident des branchenübergreifenden Interessenverbands Institut Français du Tourisme und hat auch zum Thema Tourismus an der Pariser Sorbonne Universität geforscht.
Hohe Temperaturen seien im Süden schon ein Thema gewesen, bevor überhaupt von Klimawandel die Rede war, und trotzdem kämen noch immer die meisten Urlauber nach Südfrankreich, sagt er.
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Interessenverband: Reiseziele verschieben sich saisonal
Vielmehr würde sich langfristig die Verteilung der Urlauber über das Jahr gesehen verändern, glaubt Michaud.
In der Hochsaison Juli und August sei so zwar ein Rückgang an Buchungen im Süden zu verzeichnen. Die Nebensaisonmonate Mai und Juni und zunehmend auch September und Oktober würden dort aber immer attraktiver für Urlauber, so der Experte.
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