Sanktionen auf dem Prüfstand:Wie wirksam ist das Öl-Embargo?
von Anne Sophie Feil
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Das Öl-Embargo sollte verhindern, dass Putin von den Exportprofiten seinen Krieg finanziert. Doch das funktioniert nur eingeschränkt. Nun justiert die EU nach.
Die EU justiert bei ihrem Öl-Embargo gegen Russland nach.
Quelle: imago images/TASS/Yegor Aleyev
Seit einem Jahr besteht das EU-Embargo gegen russisches Öl. Trotzdem boomen Russlands Ölexporte weiterhin - dank der großen Exportmenge und vielen Schlupflöchern, die die Sanktionen lassen. Ende dieses Jahres will die EU die Maßnahmen weiter verschärfen.
Embargo gegen Russlands wichtigstes Business
Am 5. Dezember 2022 wurden die Öllieferungen über den Seeweg aus Russland in die EU gestoppt. Gleichzeitig wurde für russischen Ölhandel mit Drittstaaten eine Preisobergrenze von 60 US-Dollar je Barrel eingeführt. Zum Jahreswechsel beendete Deutschland die Öleinkäufe über die Pipeline Druschba (russisch für Freundschaft), und seit Anfang Februar nimmt die EU keine verarbeiteten Produkte wie Diesel oder Kerosin mehr ab.
Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Europäische Union massive Sanktionen verhängt. Dies soll die wirtschaftliche Basis Russlands schwächen, den Zugang zu kritischen Technologien und Märkten versperren und somit die russische Kriegsfähigkeit erheblich einschränken. Nach Angaben der Europäischen Kommission werden im Vergleich zu 2021 derzeit 49 Prozent der Ausfuhren und 58 Prozent der Einfuhren sanktioniert.
Die bisher elf Sanktionspakete beinhalten vor allem:
Die bisher elf Sanktionspakete beinhalten vor allem:
- Einfrieren der Vermögen ausgewählter Personen und Organisationen und Ausschluss russischer Banken vom EU-Finanzmarkt
- Reiseverbote und Aussetzung der erleichterten Visaerteilung
- teils Ausschluss aus dem EU-Verkehrsraum (vor allem Luftfahrt und Seeverkehr)
- Handelsbeschränkungen für russische Rohstoffe, Energie und andere Güter
- Verkaufsverbot von Verteidigungstechnologie nach Russland
- Einschränkungen bei Dienstleistungen für russische Akteure
- Sendeverbot einiger russischer Medien in der EU
- Ausschluss Russlands von Gipfeltreffen
"Öl und Gas sind die wichtigsten Exportprodukte für die russische Wirtschaft und damit auch Haupteinnahmequellen für den russischen Staat", erklärt der auf internationalen Handel spezialisierte Ökonom Dr. Julian Hinz vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). "Das Embargo gestaltet den Handel mit Öl aus russischer Sicht schwieriger." Durch wegbrechende Öl-Einnahmen will die EU den Kreml wirtschaftlich schwächen, sodass weniger Geld zur Finanzierung des Kriegs in der Ukraine bleibt.
Massive Sanktionen des Westens sollten Russlands Handel mit Öl stark einschränken – wenn nicht sogar ganz unterbinden.22.08.2023 | 2:36 min
Der Preisunterschied der russischen Rohölsorte Urals und den westlichen Referenzsorten Brent und WTI zeige, dass der Preisdeckel wirkt, so Hinz. Zudem fand Russland zwar neue Ölabnehmer, indem es europäische Staaten durch asiatische ersetzte, allerdings seien die neuen Lieferwege über den Pazifik zeit- und kostenaufwendiger. Georg Zachmann vom ThinkTank Bruegel argumentiert wiederum, da Russland insgesamt sehr große Ölmengen exportiere, "bleiben seine Einnahmen sehr hoch".
Schlupflöcher: Russisches Öl über Umwege
Inzwischen kauft Indien das meiste russische Öl. Besonders brisant ist, dass Deutschland in den ersten sieben Monaten seit Blockierung der direkten Handelsroute zwischen EU und Russland zwölf Mal mehr Mineralölerzeugnisse aus Indien eingekauft hat. Diese Daten des Statistischen Bundesamts lassen vermuten, dass Deutschland und andere europäische Länder weiterhin indirekt russisches Öl einkaufen.
Zachmann hält diese Annahme für "sehr plausibel". Auch wenn die genaue Herkunft des Rohöls "verschleiert" werde, sei es "wahrscheinlich russisch". Eine Raffinerie in Bulgarien, das von dem Lieferstopp ausgenommen ist, wird verdächtigt, sehr viel russisches Öl eingekauft und über komplexe Handelswege in die EU weiterverkauft haben. Weiterhin wurden Schattenflotten mit Tankern verschleierter Herkunft beobachtet, die auf offener See mutmaßlich Öl umladen und damit Sanktionen umgehen.
Vor Estland ist frontal unterwegs auf der Ostsee. Im Finnischen Meerbusen warten Tanker darauf, in russischen Häfen Roh-Öl zu laden. 22.08.2023 | 12:41 min
EU verschärft Sanktionsmaßnamen
Auch die von der EU festgelegte Preisobergrenze wird in vielen Fällen nicht eingehalten. Experten vermuten, dass im Oktober mehr als 99 Prozent des über den Seeweg exportierten russischen Rohöls zu einem höheren Preis verkauft wurden, teilweise mit gefälschten Preisbescheinigungen.
Weil also Preisdeckel und Importverbot zuletzt nicht mehr wie geplant funktioniert haben, will die EU die Sanktionen im Energiebereich weiter verschärfen. Reedereien sollen in Zukunft stärker überwacht werden und strengere Dokumentationspflichten erfüllen, ähnlich wie kürzlich in den USA beschlossen. Auch der Handel mit russischen Diamanten soll beschränkt werden. Dieser Vorschlag wird derzeit von den EU-Mitgliedsstaaten geprüft und soll bis Ende des Jahres umgesetzt werden.
Strengere Umsetzung für mehr Effektivität
Zwar hat das Öl-Embargo die russische Wirtschaft nicht wie erhofft in die Knie gezwungen. Allerdings wird seitdem deutlich weniger Geld in den russischen Staatshaushalt gespült, dem Regime fallen die Mittel zur Kriegsfinanzierung zunehmend weg.
Die geplante strengere Umsetzung der Sanktionen ist ein sinnvoller Ansatz, schließlich sind sie nur nützlich, wenn sie auch eingehalten werden. Eine andere Stellschraube kann die stufenweise weitere Reduzierung des Preisdeckels sein.
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