13 Jahre Sprecherin: "Madame Nato" Oana Lungescu geht

    Interview

    Sie sprach 13 Jahre für die Nato:"Madame Nato" Oana Lungescu geht

    von Florian Neuhann
    |

    13 Jahre lang sprach die gebürtige Rumänin Oana Lungescu für die Nato – so lange wie niemand vor ihr. Heute geht sie in Rente. Und berichtet, was sie erlebt hat.

    Die jahrelange Nato-Sprecherin Oana Lungescu
    "Madame Nato" geht in Rente. Im Interview spricht sie über ihre Zeit als Nato-Sprecherin.
    Quelle: Matthias Krüger / ZDF

    Gerade packt sie ein. Zum Beispiel die Nato-Jahrbücher, die sie in fast anderthalb Jahrzehnten veröffentlicht hat. 13 Jahre lang sprach Oana Lungescu - in Brüssel auch bekannt als "Madame Nato" - für die Allianz: für zwei Generalsekretäre, den Dänen Anders Fogh Rasmussen und den Norweger Jens Stoltenberg.
    Sie hat Tiefpunkte miterlebt und den Wiederaufstieg der Nato nach Russlands Kriegsbeginn. Jetzt geht Oana Lungescu in Rente. Und spricht mit ZDFheute über ihre Zeit - und darüber, wie sie sich als Frau in der männerdominierten Verteidigungspolitik durchgesetzt hat.
    ZDFheute: Frau Lungescu, 13 Jahre haben Sie für die Nato gesprochen. Welches Bild bleibt Ihnen haften?
    Oana Lungescu: So viele… . Vielleicht ein Moment beim letzten Nato-Gipfel im Juli, als der ukrainische Präsident Selenskyj gleichberechtigt mit am Tisch saß. Und dann ist er aufgestanden, hat die Hand auf sein Herz gelegt, alle haben applaudiert. Das war wirklich emotional. Das ist, was man bei diesen Gipfeln oft unterschätzt: Die werden über Monate in so vielen bürokratischen Papieren vorbereitet. Aber am Ende sitzen da 32 Männer und Frauen an einem Tisch. Und da geht es um persönliche Erfahrungen - darum, ob die Chemie zwischen ihnen stimmt.
    So arbeitet die Nato:
    ZDFheute: Einer der Tiefpunkte in Ihrer Zeit war sicherlich, als in den USA Donald Trump gewählt wurde – ein Präsident, der die Nato für überflüssig hielt.
    Lungescu: Wir kannten Trump ja schon aus seinem Wahlkampf. Und ich erinnere mich, wie ich im Sommer am Strand saß und Anrufe von CNN bekam - wie wir diese oder jene Äußerung zur Nato einschätzen würden. Da war schon klar: Das würde eine interessante Präsidentschaft. Und natürlich waren das schwierige Jahre für die Nato.
    Auf der anderen Seite hat es die Appelle der USA an die Europäer, mehr in Verteidigung zu investieren, schon immer gegeben, ob von Kennedy oder Obama. Natürlich in einem anderen Tonfall. Aber am Ende war wichtig, dass die europäischen Alliierten tatsächlich mehr investiert haben.
    ZDFheute: Und dann kam der 24. Februar 2022 - an dem Russland seinen Krieg begann.
    Lungescu: In der Nacht davor habe ich wenig geschlafen. Aber wir wurden nicht überrascht von diesem Angriff, im Gegenteil. Schon Monate vor dem russischen Angriff hatten wir als Nato erstmals in der Geschichte eine Entscheidung getroffen, viele als geheim eingestufte Informationen zu veröffentlichen. Wir wollten die Öffentlichkeit informieren. Wir hofften, auch durch diese Informationen den Krieg noch verhindern zu können. Leider ohne Erfolg.
    Grafik. NATO-Logo vor amerikanischem Flugzeugträger und Kampfhubschrauber.
    Krieg mitten in Europa: Die Nato gerät im Ukraine-Russland-Konflikt unter Zugzwang. 19.12.2022 | 44:05 min
    Wie schlagkräftig und geschlossen ist die Nato angesichts der neuen Herausforderungen?
    ZDFheute: Hatten Sie als Sprecherin seitdem noch Kontakt mit russischen Journalisten?
    Lungescu: Mit unabhängigen russischen Journalisten, die im Exil leben: Ja.
    ZDFheute: Und mit russischen Staatsmedien?
    Lungescu: Ab und zu kriegen wir noch Anfragen von russischen Staatsmedien. Das ist dann immer eine Abwägung für uns: Reagieren wir wirklich darauf? Oder wollen diese Medien bloß eine Reaktion der Nato, um ihre falschen Informationen zu verbreiten? Denn offen gesagt sind russische Staatsmedien ja Teil einer großen Desinformations-Kampagne.
    ZDFheute: Sie haben ja selbst vor Ihrer Zeit als Nato-Sprecherin als Journalistin gearbeitet. Was hätten Sie damals gern gewusst, was Sie später bei der Nato erfahren haben?
    Lungescu: Als man mich gefragt hat, ob ich mir diesen Job vorstellen kann, dachte ich: Ich weiß, was das für eine Arbeit ist. Mit Journalisten reden, Pressekonferenzen moderieren. Aber tatsächlich ist das nur ein winziger Ausschnitt der Arbeit. Den großen Teil meiner Zeit verbringe ich mit interner Koordinierung: Was wissen wir wirklich? Und was davon können wir sagen?
    Hier in der Nato waren viele oft überrascht, was ich vorab alles für Fragen gestellt habe. Das fing dabei an, dass die Militärs ihre ganzen Abkürzungen erklären mussten. Aber ich musste einfach alles wissen, um den Journalisten nachher keinen Bullshit zu erzählen.
    NATO-Fahnen vor dem Hauptquartier des Militärbündnisses in Brüssel.
    Die Nato, das mächtigste Militärbündnis der Welt. Anfangs ein Bündnis auf Zeit, dauert es bis heute an - mit dem Ziel: die Sicherheit ihrer 29 Mitgliedsstaaten zu gewährleisten.23.08.2020 | 43:24 min
    Die Geschichte der Nato:
    ZDFheute: Sie kamen damals als Frau in eine völlig von Männern dominierte Welt. Hatten Sie dafür eine besondere Strategie?
    Lungescu: Als ich 2010 zur Nato gewechselt bin, haben meine BBC-Kollegen mich gefragt: Musst Du jetzt Uniform tragen? Natürlich nicht. Aber ich habe mich selbst für eine Art Uniform entschieden - immer besonders bunte Kleidung. Nicht nur, weil es für gute Laune sorgt, sondern weil man damit in der Masse der Männer in dunklen Anzügen heraussticht. Und ich wollte auffallen.
    ZDFheute: Geboren sind Sie in Rumänien. Hätten Sie sich damals vorstellen können, für die Nato zu sprechen?
    Lungescu: Natürlich nicht, das war unvorstellbar! Ich bin aufgewachsen in einer der schlimmsten Diktaturen des Ostblocks. Ich habe damals schon Auslandsradio gehört, die Deutsche Welle oder Voice of America. Allerdings unter der Bettdecke, damit mich die Nachbarn nicht beim Geheimdienst verraten.
    Also: Ich komme also wirklich von einem anderen Planeten. Dass ich dann für die Nato sprechen durfte, zeigt, wie sehr sich die Welt gewandelt hat – und wieviel Veränderung in einem Leben möglich ist.
    ZDFheute: Vielen Dank für das Gespräch.  
    Florian Neuhann ist ZDF-Korrespondent in Brüssel.

    Klingbeil-Interview im Check
    :Hält der Bund das Zwei-Prozent-Ziel ein?

    Hält Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato in Zukunft ein? Ja, bekräftigt SPD-Chef Klingbeil im ZDF-Sommerinterview. Doch Berechnungen von Experten zeichnen ein anderes Bild.
    von Kevin Schubert
    Bundeswehrsoldaten in Litauen
    FAQ
    Thema

    Mehr zur Nato