Abzug der UN-Truppen: Mali setzt auf Russland als Partner

    Abzug der UN-Truppen:Warum Mali Russland als globalen Partner will

    Susann von Lojewski
    von Susann von Lojewski
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    Die malische Militärregierung hat freie Wahlen erneut verschoben. Skeptiker fürchten, dass sich die Putschisten unter Präsident Assimi Goita so weiter an der Macht halten wollen.

    Bundeswehr in Mali
    Putin hat im afrikanischen Mali viele Freunde - und mit dem Abzug der UN-Truppen kann sein Einfluss noch stärker werden.27.09.2023 | 6:07 min
    Zäh zieht sich der Niger-Fluss durch Bamako, die Hauptstadt von Mali. Das Leben in der Millionenmetropole hat sich wenig geändert, seit die Junta unter Assimi Goita die Macht übernommen hat.
    Moderator Kalifa Berthé von Radio Goundo diskutiert voller Leidenschaft mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern. Wie überall auf der Welt geht es auch hier vor allem um Alltagsprobleme: die steigenden Preise für Lebensmittel, die täglichen Stromausfälle.

    Militärjunta unterdrückt freie Meinungsäußerung

    Den Schuldigen hat Berthés Publikum schnell ausgemacht: Es ist der Westen, allen voran die Franzosen. "Das ist natürlich Unsinn. aber was soll ich machen?", sagt Berthé.

    Ich bin Journalist, meine eigene Meinung behalte ich für mich.

    Kalifa Berthé, Radiomoderator

    Seine Chefin Kadichia Fofana hat mit der freien Meinung schon ihre Erfahrungen gemacht. Bevor sie zu Radio Goundo kam, arbeitete sie im Außenministerium. Dort wollten sie nicht hören, was sie zu sagen hatte - und feuerten sie.
    "Ganz ehrlich: Wir sollten alle eigenen Interessen mal ein bisschen zurückstellen. Es geht in erster Linie um unser Land. Ohne Land keine Parteien, so einfach ist das", sagt die 38-Jährige.

    Mali wendet sich ab vom Westen

    Assimi Goita in Bamako. Archivbild
    Assimi Goita, Anführer der Militärjunta in Mali. Archivbild
    Quelle: Habib Kouyate/XinHua/dpa/Archivbild

    Vor zwei Jahren hat sich Malis Interimspräsident Assimi Goita an die Macht geputscht. Der ehemalige Offizier einer Spezialeinheit ist wenig zu sehen, er gilt als scheu und nicht besonders beredt. Das Land verlässt er kaum, vor allem aus Angst, in Abwesenheit selbst aus dem Amt gejagt zu werden.
    Vor zwei Monaten aber nahm er am Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg teil. In traditionellem Gewand schüttelte er Russlands Präsident Wladimir Putin die Hand, wohl auch um Bilder für die Heimat zu produzieren.
    Denn seit der 40-jährige Goita an der Macht ist, hat sich politisch Entscheidendes geändert. Mali setzt nun allein auf Russland als Partner.

    Europäer in Bamako müssen mit Bedrohungen rechnen

    "Russland ist seit drei Monaten an unserer Seite, es hat uns Waffen und Munition gegeben," sagt Bassarou Sylla, außenpolitischer Sprecher der Bewegung Yerewolo. "Und die anderen? Die waren 60 Jahre im Land."

    In zwei, drei Jahren werden wir eine der stärksten Armeen in Subsahara-Afrika haben. Und das haben wir nur den Russen zu verdanken.

    Bassarou Sylla, Bewegung Yerewolo

    Franzosen in Mali verhasst

    Yerewolo ist die größte Volksbewegung Malis, ziviler Unterstützer der Militärjunta. Die Anhänger sehen sich in alter Verbundenheit an der Seite Russlands - schon in den 60er Jahren hatte sich Mali dem damaligen Ostblock zugewandt.
    Wenn ihr außenpolitischer Sprecher Bassarou Sylla von "den anderen" spricht, dann meint er damit die westlichen UN-Truppen und allen voran die verhassten Franzosen, einst Kolonialherrscher in Mali. Obwohl die schon länger das Land verlassen haben: Wer sich als Europäer in Bamako bewegt, muss mit Aggression und Bedrohung umgehen.

    Mali ist in Subsahara-Afrika weitgehend isoliert

    Mit Russland dagegen, das nie als Kolonialherr auf dem Kontinent unterwegs war, fühlt man sich auf Augenhöhe. "Putin hat Interessen, Putin wird Mali nicht unterstützen, nur weil es Mali ist und er Mitleid mit Mali hat oder so", sagt Sylla.

    Nein, Putin hat auch Interessen, wir sind reif genug, um das zu verstehen, Mali hat aber auch Interessen mit Putin.

    Bassarou Sylla, Bewegung Yerewolo

    "Wir brauchen ihre Waffen, wir brauchen ihre neuen Technologien, wir kaufen sie ihnen ab, das ist alles. Das ist eben Geopolitik."
    Das Selbstbewusstsein Malis ist groß. Seine Nöte jedoch auch. Denn das Land in Subsahara-Afrika ist weitestgehend isoliert. Niger, Guinea und Burkina Faso sind seine einzigen Partner, denen geht es wirtschaftlich ähnlich schlecht.

    UN-Truppen an ihrem Auftrag gescheitert

    Diesbezüglich hat Russland nichts zu bieten. Es ist die harte Hand der Wagner-Truppen, die viele Autokraten auf dem Kontinent und so auch in Mali beeindrucken. Im Kampf gegen islamistische Ableger von Al Qaida und Al Shabab im Norden und Osten des Landes braucht die malische Armee FAMA Unterstützung.
    Die UN und damit auch die Deutschen durften die nicht geben, das sah ihr UN-Auftrag nicht vor. Doch die Bundeswehr konnte helfen mit Aufklärungspatrouillen zu Luft und am Boden. Seitdem sie das nicht mehr tun darf, hat die Zahl der terroristischen Anschläge wieder zugenommen. Im Netz kursieren Videos von grausamen Morden - auch an der Zivilbevölkerung. Verifizieren allerdings lassen sie sich nicht.

    Goita-Regierung verzichtet weiter auf Wahlen

    Skeptiker fürchten, dass auf Mali noch unruhigere Zeiten zukommen. Dass das Land einseitig auf Russland setzt, könnte es in die Isolation treiben, die Entwicklungszusammenarbeit und Investitionen erschweren.
    Es scheint, dass die Übergangsregierung Goita sich ohne Wahlen dauerhaft an der Macht halten will. Eine schwierige Gemengelage im ohnehin aufgewühlten Subsahara-Afrika.
    Susann von Lojewski ist Leiterin des ZDF-Studios in Nairobi, zuständig für Ost-, Zentral- und Westafrika.

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