Italien vor der Europawahl: Kein Rückhalt für Von der Leyen?
Rechtspopulisten in Rom :Reizthema EU: Italiens Rechte uneins
von Andreas Postel und Jonas Grethel, Rom
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Soll Ursula von der Leyen auch künftig die EU-Kommission anführen? Diese Frage spaltet Italiens rechte Regierung. Darum geht es.
Matteo Salvini, Giorgia Meloni und Antonio Tajani legen Wert auf eine harmonische Regierungskoalition in Italien. Aber auf europäischer Ebene konkurrieren die Parteien.
Quelle: epa
Giorgia Meloni, Matteo Salvini und Antonio Tajani bilden seit Herbst 2022 das Spitzen-Trio der italienischen Rechten und betonen bei jeder Gelegenheit, wie sehr sie als Regierungskoalition harmonieren. "Wir stehen zusammen. Zusammen regieren wir diese Nation, und wir machen das gut, weil unsere grundlegenden Visionen kompatibel sind", so Ministerpräsidentin Meloni. Im Europawahlkampf ist von der heimischen Harmonie allerdings deutlich weniger zu spüren.
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Italiens Parteien: Von bürgerlich bis rechtsextrem
Im EU-Parlament sind die italienischen Koalitionspartner allesamt in unterschiedlichen Fraktionen vertreten: Melonis kleinster Juniorpartner, Forza Italia, sitzt unter anderem zusammen mit der deutschen CDU in der bürgerlich-konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Salvinis Lega ist Teil der rechtspopulistischen bis rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie (ID), der auch die AfD angehört. Und Meloni selbst ist Vorsitzende der Europäischen Konservativen und Reformern (EKR), die ideologisch irgendwo zwischen EVP und ID anzusiedeln ist.
Wo auf nationaler Ebene also gerne die Gemeinsamkeiten unterstrichen werden, sind auf der europäischen Bühne auf einmal die Unterschiede gewaltig. Koaliert wird hier nicht - weder jetzt, noch nach den kommenden Europawahlen Anfang Juni. Dafür sorgt vor allem die Volkspartei, die ein Bündnis mit der ID-Fraktion kategorisch ausschließt. Eine Gratwanderung besonders für EVP-Mitglied Forza Italia, das vom ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, angeführt wird. Der arbeitet zu Hause erfolgreich mit den Populisten der Lega zusammen, muss sich in Europa aber stark von ihnen abgrenzen.
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EU-Kommission ist "desaströs"
"Es ist nicht möglich, ein Bündnis mit der ID zu schließen", sagte Tajani deshalb im vergangenen Jahr pflichtgemäß - versuchte aber, schnell wieder den eigenen Koalitionspartner mit ins Boot zu holen:
Aber auch die grenzt sich trotz nationaler Zusammenarbeit mit der ehemaligen Berlusconi-Partei stark von den Konservativen in Europa ab: Die Kommission um Präsidentin Ursula von der Leyen sei "desaströs", sagte Matteo Salvini jüngst, das "Europa der letzten Jahre eine Katastrophe". Für eine zweite Amtszeit der CDU-Politikerin würde er persönlich nicht stimmen, so der russlandfreundliche Rechtspopulist.
Ganz anders Ministerpräsidentin Giorgia Meloni: Deren Fratelli d’Italia gelten im eigenen Land zwar als Kraft der extremen Rechten mit postfaschistischen Wurzeln, präsentieren sich in Brüssel aber als gemäßigte Pro-Europäer und überzeugte Transatlantiker und buhlen schon lange um die Gunst der Konservativen um von der Leyen. Und das mit Erfolg: Die Kommissionspräsidentin hat sich in den vergangenen Monaten mit Meloni genauso herzlich und geschlossen gezeigt wie EVP-Präsident Manfred Weber, der seinen Wunsch nach verstärkter Kooperation jüngst erst wiederholt hat.
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Die Fratelli können mit 30 Sitzen im Europaparlament rechnen
Eine formelle EVP-Mitgliedschaft der Fratelli sei laut Weber zwar kein Thema - dennoch scheinen sich beide Seiten immer mehr anzunähern. Ursula von der Leyen wohl auch mit einem konkreten Interesse, so der Leiter des italienischen Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung:
Daraus schlussfolgert Galetti: "Da ist es mehrheitspolitisch natürlich interessant, sich eine Formation etwas genauer anzuschauen, die im Juni voraussichtlich mit 30 Abgeordneten ins Parlament einziehen wird."
Dazu käme, dass Meloni in den vergangenen anderthalb Jahren an der Macht bewiesen habe, dass sie politisch zwar deutlich rechts der Mitte stehe, ihre Politik aber trotz der Wurzeln ihrer Partei nicht rechtsextrem sei. "Da gibt es also eine gewisse Anschlussfähigkeit", so Galetti.
Eins ist aber sicher: Zusammengenommen wird der Einfluss der Koalition Melonis im neuen EU-Parlament und damit auch auf die Bildung der neuen Kommission erheblich sein. Eine Unterstützung für Ursula von der Leyen ist dabei nicht ausgemacht.
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