Israel: Ein teurer Krieg für Staat und Wirtschaft

    Milliarden für das Militär:Das bezahlt Israel für den Krieg

    von Julian Vulturius
    |

    Angriffe aus dem Libanon, dem Gaza-Streifen, Jemen und Iran: Israel kämpft an vielen Fronten, startete unlängst eine neue Bodenoffensive. Was bedeutet das finanziell für das Land?

    Angehörige der israelischen Streitkräfte beobachten im Norden Israels, wie das Luftabwehrsystem Iron Dome Raketen abfängt
    Mit dem Luftabwehrsystem Iron Dome fängt Israel Kurzstreckenraketen ab.
    Quelle: dpa

    Tote, Verletzte, Geiseln, Geflüchtete - nichts wiegt schwerer als die Schicksale der Menschen im Nahen Osten seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Was deshalb in den Hintergrund tritt: Israels Verteidigung kostet das Land immense Summen und schwächt gleichzeitig die Wirtschaft des Landes.
    Libanon
    Israel bombardiert die Hisbollah im Libanon, Iran schießt Raketen bis nach Tel Aviv: Wie leben die Menschen in der von Konflikten zermürbten Region?09.10.2024 | 6:36 min
    Die direkten Kriegskosten bis August taxiert das israelische Finanzministerium auf 100 Milliarden Schekel (26,5 Milliarden US-Dollar). Bereits im Mai schätzte der Chef der israelischen Zentralbank Amir Yaron die Kosten des Krieges bis Ende 2025 auf bis zu 250 Milliarden Schekel (66,3 Milliarden US-Dollar). Das war lange vor Israels Bodenoffensive im Südlibanon und Irans zweitem Großangriff Anfang Oktober.
    Jahrestag 7. Oktober 2023 · Kanada
    Der Krieg gegen die Terrororganisation Hamas ist nur einer von gleich mehreren Konflikten Israels im Nahen Osten. 07.10.2024 | 2:39 min

    Bis zu 3 Millionen Dollar für einen Abfangversuch

    Wenn Israel aus dem Libanon, dem Gaza-Streifen, Jemen oder dem Iran mit Raketen beschossen wird, dann kostet kein Abfangversuch weniger als 40.000 US-Dollar. Das ist der Mindestpreis, den Experten für eine "Tamir"-Geschoss des Luftverteidigungssystems "Iron Dome" schätzen, mit dem sich Israel gegen Kurzstreckenraketen schützt.
    Kommen wie bei dem großen Angriff Irans vor gut einer Woche Raketen mit einer größeren Reichweite zum Einsatz, kostet die Luftverteidigung mit den Systemen David’s Sling und Arrow das Land deutlich mehr.
    Jan Busse
    Der Nahost-Konflikt könne nur politisch und diplomatisch entschieden werden, sagt Nahost-Experte Jan Busse.01.10.2024 | 8:35 min
    Wenn keine größeren Schäden zu erwarten seien, nehme Israel deshalb auch bewusst den Einschlag von Raketen in Kauf, erklärt Nahost-Experte Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München.

    Das ist auch eine ökonomische Entscheidung.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    Auf zwei Millionen US-Dollar schätzt Busse den Stückpreis eines Abwehrgeschosses des Systems Arrow 2. Beim älteren Abwehrsystem Arrow 3 sollen es sogar drei Millionen US-Dollar je Abfangrakete sein.
    Geschosse über Jerusalem, am 1. Oktober 2024.
    Mit fast 200 Raketen hat Iran Israel am 1. Oktober angegriffen. Israels Premier Netanjahu kündigte Vergeltung an.02.10.2024 | 2:26 min

    Seit Kriegsausbruch mehr als 26.000 Raketen auf Israel

    Wie viel Israel alleine für seine Luftverteidigung ausgeben muss lässt sich erahnen, wenn man Zahlen betrachtet, die das israelische Militär (IDF) am Montag veröffentlichte. Demnach wurde Israel seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 mit mehr als 26.000 Raketen beschossen.
    Allein am Dienstag feuerte die Hisbollah nach Militärangaben erneut mehr als 130 Geschosse auf Israel, am Mittwoch sollen es laut IDF mehr als 200 gewesen sein.
    Raketenangriffe auf Israel seit Kriegsausbruch
    ZDFheute Infografik
    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    "Die Raketenabwehr ist seit Kriegsbeginn vermutlich einer der größten Kostenpunkte", sagt auch Busse. Allein Israels Verteidigung gegen den jüngsten iranischen Luftangriff soll umgerechnet etwa 450 Millionen US-Dollar gekostet haben, die Abwehr des Angriffs im April sogar mindestens eine Milliarde US-Dollar.

    Lange aufgebaute Ressourcen an Rüstungsgütern

    Doch nicht nur die Luftverteidigung kostet Israel viel Geld. Auch andere Rüstungsgüter sind teuer. Viele der Ressourcen, die jetzt eingesetzt werden, habe Israel jedoch in den letzten Jahren in Vorbereitung auf so eine Krisensituation langfristig aufgebaut, erklärt Busse.



    Außerdem hätten die USA ihre Militärhilfe seit dem Angriff der Hamas extrem aufgestockt. "In den vergangenen 12 Monaten waren es knapp 18 Milliarden, wobei auch hier gut 5 Milliarden in die Systeme zur Raketenabwehr geflossen sind", so Busse.
    Benjamin Netanjahu, ein älterer Mann mit grauen Haaren, sitzt vor einer israelischen und einer US-amerikanischen Flagge in einer Pressekonferenz.
    Der Krieg im Gazastreifen – das Ergebnis einer gescheiterten Friedenspolitik. Israels Premier Netanjahu und die USA als Israels Verbündete spielen dabei eine zentrale Rolle.31.05.2024 | 76:19 min

    Einzug von Reservisten hat wirtschaftliche Folgen

    Trotzdem belasten die Kosten der Konflikte mit Iran und seinen Verbündeten Israels Haushalt massiv, so Busse. Dazu trägt auch bei, dass Israel seit dem Massaker der Hamas zeitweise mehr als 300.000 Reservisten eingezogen hat. Wer der Armee dient, fehlt aber an seinem Arbeitsplatz.

    Für den Staat Israel bedeutet die Einberufung von Reservisten finanziell eine doppelte Belastung: Einerseits müssen die Reservisten für ihren Einsatz bezahlt werden, andererseits erhalten die Unternehmen Kompensationszahlungen für den Ausfall ihrer Mitarbeiter.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    Das lähme die Wirtschaft in Israel und bedeute Produktivitätseinbußen für das Land, erklärt Busse. Auch Zentralbankchef Yaron sprach auf einer Pressekonferenz am Mittwoch von einer großen geopolitischen Unsicherheit und "beträchtlichen ökonomischen Auswirkungen" des Krieges.
    In ihrer jüngsten Prognose geht die Zentralbank für 2024 von einem Haushaltsdefizit in Höhe von 7,2 Prozent des israelischen Bruttoinlandsprodukts aus; für 2025 erwartet sie ein Minus von knapp 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch die Staatsschuldenquote steigt: Betrug sie 2023 noch 61,4 Prozent, erwartet die Zentralbank bis Ende 2024 einen Anstieg auf 68 Prozent.

    Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gilt als wichtigste Größe, um die Wirtschaftsleistung eines Landes und seine Entwicklung abzubilden. Das BIP ist deshalb auch ein wichtiger Vergleichswert, um das staatliche Haushaltsdefizit in einzelnen Jahren zu beschreiben. Auch für die Einschätzung der Staatsverschuldung wird das BIP genutzt: Als Vergleichswert für die Berechnung der Staatsschuldenquote.

    Quelle: ZDF

    Negative Auswirkungen für Israels Kreditwürdigkeit

    Auch die Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s sind skeptisch. Beide setzten kürzlich die Bewertung von Israels langfristiger Kreditwürdigkeit herab. Nahost-Experte Busse hält weitere Herabstufungen für möglich und skizziert aktuelle Probleme der israelischen Wirtschaft:

    Start-Ups gehen pleite, der Tourismussektor ist eingebrochen, und der Baubranche fehlen 80.000 palästinensische Arbeiter, die seit dem Angriff der Hamas nicht mehr ins Land gelassen werden.

    Jan Busse, Nahost-Experte

    Israel macht sich Sorgen um die hohen Kosten des Krieges - auch wenn Zentralbankchef Yaron am Mittwoch betonte, das Land besitze "eine Geschichte der Widerstandsfähigkeit in schwierigen Zeiten". Doch ein Ende der Konflikte im Nahen Osten, die diese Widerstandsfähigkeit auf die Probe stellen, ist nicht absehbar.
    Tatort - Israel
    Überlebende und Hinterbliebene erinnern sich an den Tag, der ihr Leben und die Welt erschüttert hat.20.09.2024 | 43:30 min

    Mehr zum Nahost-Konflikt