"Sie nutzen alle Hebel, um Druck auszuüben, damit am
Todestag von Mahsa Amini Angst und Schrecken herrschen und die Leute nicht auf die Straße gehen." So formulierte es der Soziologieprofessor Ahmad Bokharaei im Vorfeld des ersten Todestags der Protestikone.
Wie das aussieht, konnte man heute und in den vergangenen Tagen im Iran beobachten. Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen haben iranische Einsatzkräfte die Kurdenregionen in den Ausnahmezustand versetzt. Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe.
Festnahmen durch den Geheimdienst
Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Irans Geheimdienst nahm laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim mehrere Bewohner in den Kurdengebieten fest. Auch in anderen Städten herrschte mit Straßenkontrollen eine angespannte Stimmung.
Augenzeugen berichteten am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.
Proteste in Deutschland gegen das iranische Regime
In Deutschland gab es zum Jahrestag verschiedene Demonstrationen und Aktionen in mehreren Städten. In Hamburg schätzte das Lagezentrum, dass sich rund 2.500 Menschen an Demonstrationen beteiligt hätten.
In Berlin gab es Aktionen unter anderem am Großen Stern und vor dem Reichstagsgebäude. Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich mit Iran-Flaggen mit einer Sonne. Einige von ihnen hatten auf dem Oberkörper ein Papier angeheftet, das ein Foto der jungen Kurdin Amini zeigte.
Protestierende bei einer Demonstration zum Gedenken von Mahsa Amini in Berlin.
Quelle: Reuters
Aminis Vater offenbar kurzzeitig festgenommen
Ihr Vater wurde unterdessen laut der Menschenrechtsorganisation Hengaw am Samstag vorübergehend festgenommen. Eine andere Menschenrechtsgruppe, die in Paris ansässige Gruppe Kurdistan Human Rights Network, berichtete auf X, dass er mittlerweile wieder auf freiem Fuß sei.
Er sei kurzzeitig verhört worden. Irans Staatsmedien wiesen die Festnahme als "Falschmeldung" zurück.
Erfan und Milad protestierten gegen das Regime, wurden gezielt beschossen. Bis heute tragen sie Kugeln im Körper. Die Regierung Irans will abschrecken, bestraft mit brutaler Härte.21.05.2023 | 3:14 min
Monatelange Proteste nach Mahsa Aminis Tod
An diesem Samstag
jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich
nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus.
Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen.
Wie die Lage im Iran ein Jahr nach Mahsa Aminis Tod ist:
Monatelang gingen die Menschen in Iran gegen ihre Regierung auf die Straße. Das Regime reagierte mit brutaler Gewalt. Mittlerweile ist wieder Ruhe eingekehrt. Doch die Wut bleibt.
Jörg Brase, Teheran
Quelle: AFP, dpa, ZDF