Großbritannien: Kampf gegen K.O.-Tropfen in britischen Pubs
Initiative in Großbritannien:Kampf gegen K.O.-Tropfen im Drink
von Jan Fritsche
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Tausende Fälle von K.O.-Tropfen in Getränken hat es zuletzt in britischen Pubs und Clubs gegeben. Die Opfer sind meist Frauen. Die britische Regierung will jetzt dagegen vorgehen.
K.O.-Tropfen in britischen Pubs und Clubs sorgen für Alarm. Die Regierung reagiert mit Polizei, Schulungen und einem geplanten Straftatbestand, um das Nachtleben sicherer zu machen.
Quelle: AP
Viele Briten wollen das Jahr gemütlich ausklingen lassen mit dem einen oder anderen Bier im Pub. Doch in Pubs und Clubs in Großbritannien ist es zuletzt immer wieder zu Fällen von sogenanntem "Spiking" gekommen. So heißt es auf der Insel, wenn einem heimlich K.O.-Tropfen oder andere Drogen ins Getränk gemischt werden. Meist trifft es Frauen.
"13 Stunden später aufgewacht"
So ist es auch der 27-jährigen Saraya Haddad ergangen: "Das letzte, woran ich mich erinnere, ist, vielleicht etwas beschwipst gewesen zu sein - aber nicht mehr. Und dann: Blackout. Ich bin etwa 13 Stunden später am nächsten Morgen in meinem Bett aufgewacht. Und war völlig verwirrt." Was in dieser Zeit passierte, das weiß die junge Frau nicht mehr.
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Wie viele solcher Fälle es in Großbritannien gibt, das lässt sich nur schwer sagen. Schätzungen gehen von 7.000 binnen eines Jahres allein in England und Wales aus. Die Dunkelziffer ist hoch. Dazu kommen noch einmal geschätzt 1.000 Fälle von sogenanntem "Needle Spiking". Dabei injizieren die Täter die Drogen mit einer Nadel direkt in den Körper des ahnungslosen Opfers - zum Beispiel im Gedränge kaum bemerkt in den Arm. Die Folgen können Orientierungslosigkeit, Halluzinationen und Gedächtnisverlust sein. Oft geht es beim "Spiking" um sexuelle Vergehen bis zur Vergewaltigung.
Polizei sucht gezielt K.O.-Drogen
Erste Maßnahmen gegen das "Spiking" gibt es bereits. So ist die britische Polizei mit speziell ausgebildeten Drogenhunden in Pubs unterwegs. Es geht darum, Präsenz zu zeigen und potenzielle Täter abzuschrecken.
Dabei sucht die Polizei nach anderen Drogen als früher, sagt Ian Deaville von der Polizei Humberside in Nordengland: "Wir jagen nicht mehr so sehr die klassischen Drogen wie Kokain oder Marihuana. Es geht uns vor allem um die K.O.-Drogen. Denn die schaden anderen Menschen. Anders, als wenn jemand mit Drogen nur sich selbst schadet."
Sie wirken schnell und sedieren die betroffene Person: K.-o.-Tropfen. Armbänder mit Testfeldern sollen diese Tropfen im Getränk nachweisen können. Was an ihnen problematisch ist.
von Sabrina Zimmermann
mit Video
Schulungen für Tausende Pub-Mitarbeiter
Das Thema beschäftigt auch die britische Politik. Premierminister Keir Starmer traf sich kürzlich mit Vertretern von Polizei, Verkehrsbetrieben und Gastronomie. Jemandem heimlich Substanzen zu verabreichen, will seine Regierung zu einem eigenen Straftatbestand machen. Bisher wird "Spiking" meist als Körperverletzung oder - je nach Fall - als Sexualdelikt verfolgt.
Außerdem sollen Tausende Mitarbeiter von Pubs und Clubs besondere Wachsamkeit lernen. Das hat die zuständige Staatssekretärin Jess Phillips in einem Pub verkündet: "Wir werden 10.000 Barmitarbeiter und andere Beschäftigte des Nachtlebens schulen. Es wird auch ein Training für zehntausende Türsteher geben, die nachts arbeiten."
Schon diesen Monat sollen die Schulungen als Pilotprojekt starten. Ab März 2025 soll es die Trainings in größerem Umfang geben.
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"Können Anzeichen von 'Spiking' erkennen"
Wird damit die Verantwortung bei der Gastronomie abgeladen? Nein, findet Pub-Besitzer Peter Connolly aus Birmingham: "Aus Sicht eines Bar-Betreibers möchte man, dass die Menschen sich wohlfühlen und ihren Kneipenabend genießen. (...) Durch den ständigen Kundenkontakt haben wir diese Menschenkenntnis. Wir können die Anzeichen erkennen, ob jemandem etwas ins Getränk gemischt wurde oder ob jemand sich in der Nähe anderer verdächtig benimmt."
Regierung will für Aufmerksamkeit sorgen
Premierminister Keir Starmer hat es als seinen persönlichen Auftrag beschrieben, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den kommenden zehn Jahren zu halbieren. Was ein eigener Straftatbestand "Spiking" wirklich bringen kann, ist umstritten. Strafrechtlich kann es schon jetzt verfolgt werden. Mit der Neuregelung könnten die Fälle aber besser erfasst und Opfer ermutigt werden, sich zu melden.
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So dürfte es der britischen Regierung vor allem darum gehen, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken - für vorweihnachtliche Pub-Besuche ohne Angst.
Quelle: ZDF
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