Ramms: "Überlegenheit der Russen nicht mehr so groß"

    Interview

    Ex-Nato-General Ramms:"Überlegenheit der Russen nicht mehr so groß"

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    Ex-Nato-General Ramms bezeichnet den Durchbruch der Ukraine bei Robotyne als "ersten Erfolg". Wie er die Chancen der Gegenoffensive einschätzt, erläutert er bei ZDFheute live.

    Ex-Nato-General Egon Ramms im Gespräch mit ZDFheute live.
    Ex-Nato-General Ramms ist "begrenzt optimistisch", nachdem ukrainische Truppen russische Befestigungen durchbrochen haben. Wie es weitergehen könnte, erklärt er bei ZDFheute live. 08.09.2023 | 21:54 min
    Die Ukraine vermeldet Erfolge in der Saporischschja-Region im Süden des Landes. Dort wurde die erste Verteidigungslinie der russischen Streitkräfte durchbrochen. Für den ehemaligen General der Nato, Egon Ramms, ist das Grund für vorsichtigen Optimismus.

    Ramms: Russland hat Personalprobleme

    Es sei wichtig, dass die Ukrainer die erste Verteidigungslinie überwunden haben, sagte Ramms bei ZDFheute live. Er gehe davon aus, dass die nachfolgenden russischen Verteidigungslinien - sowohl von der Anzahl der Soldaten her als auch von der Stärke der Befestigung her - wahrscheinlich nicht so stark seien wie die erste Linie.
    Der frühere Nato-General geht davon aus, dass Russland in der ersten Verteidigungslinie, die von den Ukrainern durchbrochen wurde, sehr viele Soldaten und Waffen eingesetzt hat.

    Wenn die russische Seite in der ersten Verteidigungslinie entsprechende Verluste gehabt hat, dann kann es durchaus sein, dass für die zweite und dritte Linie dann Personal fehlt.

    Egon Ramms, Ex-Nato-General

    Das wiederum bedeute, so Ramms, dass die nachfolgenden Linien nicht mehr so stark besetzt werden können. "Die Verluste werden sich auswirken", sagt der Militärexperte - zumal Russland offenbar Personalprobleme mit Blick auf die Soldaten habe.

    Ukraine-Krieg
    :So ist die russische Front aufgestellt

    Die ukrainischen Truppen haben es bei ihrer Gegenoffensive mit einer gestaffelten Verteidigungslinie der russischen Armee zu tun. Ein Überblick.
    Die Infografik zeigt den ersten Teil der Verteidigungsanlage der russichen Armee. Auf den ersten Kilometern befinden sich Beobachtungsposten, dahinter liegen Minenfelder, um das Vorrücken der ukrainischen Armee zu verlangsamen. Zusätzlich bilden Drachenzähen ein Hindernis.

    Ex-General: Durchbruch bei Robotyne "erster Erfolg"

    Für die Ukrainer sei der Durchbruch bei Robotyne ein "ein erster Erfolg", sagte Ramms bei ZDFheute live weiter. Es ginge nun für "die Ukraine darum, mit entsprechendem Einsatz von Soldaten, aber auch von Material diesen Durchbruch oder diesen ersten Durchbruch entsprechend auszuweiten".
    Im Laufe des russischen Angriffskriegs hätten die Kommandeure der ukrainischen Streitkräfte unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage seien, "die Gunst einer bestimmten Situation für sich auszunutzen", erläutert der Ex-General.
    Ein ukrainischer Soldat präpariert eine Drohne an der Frontlinie in der Region Saporischschja.
    Die Ukraine ist wieder Ziel mehrerer russischer Angriffe geworden. Vier Menschen wurden getötet, viele weitere verletzt. Unser Reporter konnte mit Soldaten an der Front sprechen.08.09.2023 | 1:33 min
    Seiner Einschätzung nach habe aber auch die russische Führung offensichtlich gewaltig dazugelernt.

    Das heißt, die russische Seite hat eine Lernkurve gemacht, die möglicherweise auch den Russen erlaubt, dann die entsprechenden Gegenreaktionen zu ergreifen.

    Egon Ramms, Ex-Nato-General

    Ramms: Gegen Flankenangriffe verteidigen

    Bei ihrer Gegenoffensive müsse die Ukraine vermehrt mit Flankenangriffen der russischen Truppen rechnen.

    Wenn ich tief in die feindlichen Linien eindringe, kann ich auch von den Flanken aus durch den Feind entsprechend bekämpft werden.

    Egon Ramms, Ex-Nato-General

    "Die Ukraine kann jetzt nicht nur nach vorne gucken, sprich nach Süden, sondern sie muss auch nach Westen, sie muss auch nach Osten gucken, um zu vermeiden, dass sie die Flankenangriffe der russischen Kräfte in ihre Seiten reinbekommt und dann möglicherweise auch Truppenteile abgeschnitten werden." Das Verteidigen in verschiedene Richtungen erfordere dann "deutlich mehr Kräfte", so Ramms.
    Taktisch müssten die Angriffe der Ukraine "breiter gemacht werden". Dies bedeute, dass die russische Verteidigungslinie nach Osten und nach Westen "in deutlichem Maße weiter bekämpft" werden müsse, so Ramms.
    Ein Soldat beobachtet Drohnenbilder
    Beim Krieg in der Ukraine ist kein Ende in Sicht. Südlich von Saporischschja hat sich eine Aufklärungseinheit postiert, sie überwacht die russischen Stellungen. Eine Reportage. 08.09.2023 | 2:28 min
    Ramms betonte, dass die Ukraine dabei weiter von der militärischen Hilfe aus den westlichen Ländern angewiesen sei. Die ersten zehn Leopard-1-Kampfpanzer seien mittlerweile in der Ukraine eingetroffen - "das ist eigentlich deutlich zu wenig", kritisiert der Militärexperte.

    Ex-General: "Materielle Überlegenheit der Russen nicht mehr so groß"

    Ramms traut der ukrainischen Gegenoffensive weitere Erfolge zu. Es stünde fest, dass Russland einen "erheblich höheren Anteil an Verlusten sowohl bei Menschen als auch beim Material gehabt hat als es die ukrainische Seite gehabt hat".

    Die Russen haben zumindest im ersten Kriegsjahr ein Verschleißkrieg geführt, ohne Rücksicht auf Verluste in den eigenen Reihen und Mensch und Material. Von daher ist auch die materielle Überlegenheit der Russen nicht mehr so groß.

    Egon Ramms, Ex-Nato-General

    Dies gelte zum Teil auch für Munition, so Ramms. "Von daher: dort liegt eine Chance der Ukraine." Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, "wenn der Westen seine Waffenlieferungen aufrechterhält und dafür sorgt, dass die Ukraine in dieser Beziehung gefechts- und kampffähig bleibt".
    "Lange Prozesse der Entscheidungen, lange Lieferprozesse oder lange Instandsetzungsprozesse, sind dabei nicht von Vorteil für die Ukraine."
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