Eine Frage der Ethik:Keine Mumien mehr in spanischen Museen
von Brigitte Müller, Madrid
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In Spaniens staatlichen Museen werden ab sofort keine "menschlichen Überreste" mehr ausgestellt. Grund dafür sind ethische Bedenken und der Respekt vor den Toten.
Das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst München entschied, bis auf eine komplett eingewickelte Kindermumie keine menschlichen Überreste auszustellen.
Quelle: SMÄK, Staatliches Museum für Ägyptische Kunst
"Vitrine im Umbau" steht auf der schwarzen Abdeckung im abgelegenen Ausstellungsraum des Amerika Museums in Madrid. Bis vor kurzem war hier noch die Paracas-Mumie zu sehen, die vor mehr als 2.000 Jahren im südlichen Peru bestattet worden war. Mit schimmerndem Goldschmuck im Gesicht und um dem Hals und einem um den Kopf gebundenen bunten Schal. Der Rest des hockenden Körpers verborgen in einem weiten Mantel, der wie eine Pyramide in einer Art Weidenkorb sitzt. Auch die zweite Mumie, deren Körper komplett in Tücher eingebunden ist, steht nun im Lager.
Kulturminister Ernest Urtasun hatte vor einem Jahr eine Expertenkommission ins Leben gerufen und kam nun zu dem Schluss: Als generelle Norm seien menschliche Überreste nicht mehr öffentlich auszustellen. Reste des "Homo Sapiens" seien aus dem Kontext ihrer Bestattung sowie der Umstände ihres Todes herausgerissen und würden nicht klar genug von anderen Objekten unterschieden. Eine Frage des Respekts und der Ethik, die auf die Richtlinien des Internationalen Museumsrates ICOM zurückgingen.
Nur wenige Ausnahmen möglich
Auch aus dem Museum für Römische Kunst in Mérida, dem Museum der Höhlenfunde in Altamira oder dem Archäologischen Museum in Madrid sind Mumien und Skelette verschwunden. Knapp 15.000 menschliche Überreste sind in Spaniens Nationalen Museen registriert, auch wenn nur wenige ausgestellt waren. Ausnahmen seien möglich, aber nur, wenn es "unerlässlich für die Vermittlung von Wissen" ist und es "keine Alternative für den Diskurs der Ausstellung" gibt. Mit ausführlichen Erklärungen und Kontext. Auf absehbare Zeit bleiben sie allerdings im Depot.
Als sehr radikal und übertrieben bezeichnet der deutsche Anthropologe und Mumienforscher Professor Albert Zink die generelle Verbannung menschlicher Reste aus Museen. Er erforschte die Gletschermumie Ötzi und findet, ein wertvoller Einblick in das Kulturerbe bliebe den Besuchern verwehrt, zu dem auch gehöre, die Menschen zu zeigen, die damals gelebt haben. Natürlich gehöre ein würdiger Umgang mit Mumien dazu, im dem auch der Kontext der Bestattungen und Lebensumstände eine wichtige Rolle spiele. Das sei es auch, was die ethischen Richtlinien des ICOM vorgeben. Statt staatlichen Vorgaben sollten die Museen lieber selbst entscheiden, wie sie mit "human remains" - menschlichen Überresten - umgingen.
Kontroverse Diskussionen um Mumien im Museum
Die Diskussion darüber wird in Fachkreisen seit den 1980er Jahren geführt. Wird die Würde des Menschen durch öffentliches Ausstellen auch hunderte von Jahren nach dem Tod verletzt? Wird der Mensch zum Objekt, wenn Schädel und Knochen in Vitrinen liegen?
Einigkeit gibt es in dieser Frage nicht. Das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst in München hat sich gegen menschliche Überreste in ihren Ausstellungsräumen entschieden, mit einer Ausnahme: die Mumie eines vier- bis fünfjährigen Jungen, der vor etwa 2.000 Jahren lebte und dessen Körper und Kopf komplett eingewickelt sind. Daneben eine Erklärungstafel, warum keine anderen Mumien zu sehen sind. Und diese wird gerade noch einmal überarbeitet. Auch im Internationalen Museumsrat wird über den Umgang mit menschlichen Resten weiter diskutiert.
Kanaren: "Mumien und Bestattungsritual sind bedeutende Symbole"
Aus dem Archäologischen Museum in Madrid wurde der mumifizierte Körper eines Guanchen, eines Bewohners der Kanarischen Inseln vor Beginn der Kolonisierung, ins Lager gebracht. Das kleine Archäologische Museum auf Teneriffa hingegen, das der Inselregierung untersteht, dreht sich fast vollständig um die Mumien der Guanchen. Hier ist man stolz auf die Balsamierungstechnik der Vorfahren, mit der Haut und Haare, Zähne und Gesichtszüge der Menschen auffallend gut erhalten sind und zeigt dies auch.
"Die Mumien und die Bestattungskultur sind das bedeutendste Symbol der Guanchen-Kultur", sagt Museumsdirektor Conrado Rodríguez-Maffiotte, die unbedingt der Öffentlichkeit zugänglich sein müssten. Er wittert eine Chance und hätte gerne den Guanchen aus Madrid in seinem Museum. Bevor die Mumie dort in einem Depot rumläge, solle man sie doch lieber zurück in ihre Heimat bringen und im Museum auf der Kanareninsel würdig ausstellen.
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