Bolsonaro: Kommt Brasiliens Ex-Präsident bald in Haft?
Brasiliens Ex-Präsident:Kommt Bolsonaro wegen Putschversuch in Haft?
von Anne-Kirstin Berger, Rio de Janeiro
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Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro könnte schon bald vor Gericht und hinter Gitter kommen. Der Vorwurf: Staatsstreich und die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats.
Archiv, 25.02.2024: Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro begrüßt seine Anhänger während einer Kundgebung in Sao Paulo, Brasilien.
Quelle: epa
Es ist fast, als hätte Jair Bolsonaro die Präsidentschaftswahlen nicht verloren: Tausende Fans sind am Sonntagnachmittag zu einer Pro-Bolsonaro-Demonstration auf die Avenida Paulista in Sao Paulo gekommen. Sie tragen grün-gelbe Fußballtrikots und haben stundenlang ausgeharrt, um ihren "Mythos", wie sie Bolsonaro nennen, aus der Nähe zu sehen.
Aber Bolsonaro ist nicht mehr Präsident Brasiliens, er hat 2022 die Wahlen gegen Luiz Inácio Lula da Silva verloren und kurz darauf auch per Gerichtsentscheid das Recht, gewählt zu werden. Vieles deutet darauf hin, dass er schon bald wegen versuchten Putsches vor Gericht stehen wird.
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro hat bei einer Großkundgebung den Vorwurf eines Putschversuchs zurückgewiesen. Er warf seinem Nachfolger da Silva vor, ihn politisch zu verfolgen.26.02.2024 | 0:23 min
Bolsonaro soll seine Minister auf Putsch eingeschworen haben
Denn die Polizei ermittelt gegen Bolsonaro wegen des Verdachts, einen Staatsstreich und die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats geplant zu haben. Anfang Februar rückten Polizisten zu Hausdurchsuchungen bei mehreren Bolsonaro-Vertrauten aus.
Auf dem Computer eines Assistenten Bolsonaros, dem die Polizei auf die Spur gekommen ist, weil er dem Ex-Präsidenten mutmaßlich einen gefälschten Impfpass besorgt hat, hatten die Beamten das Video einer Kabinettssitzung von Juli 2022 gefunden - wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl.
Durch seinen "aggressiven Wir-gegen-alle-anderen-Dialog" habe Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro zum Sturm auf den Kongress beigetragen, so ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath.10.01.2023 | 2:56 min
Es zeigt, wie Bolsonaro seine Minister, darunter ranghohe Militärs, auf den Putsch einschwört. Minutenlang spricht er von einem Komplott des Obersten Gerichts, das sich mit der Opposition verschworen habe, um ihm den Wahlsieg zu stehlen.
Ein Reservegeneral pflichtet bei, man müsse "den Tisch umwerfen, noch vor den Wahlen."
Entwurf zu einem Putsch-Dekret zu Neuwahlen
Den Worten folgten Taten. So erfuhr die Polizei aus der Kronzeugenaussage von Bolsonaros Ex-Assistenten vom Entwurf eines mutmaßlichen Putsch-Dekrets. Es ordnete Neuwahlen und die Verhaftung von Verfassungsrichtern an. Laut Ermittlungsakten soll der damalige Präsident im November 2022, Tage nach seiner knappen Wahlniederlage, persönlich Änderungen an dem Text angeordnet haben.
Es sei "ein beschämendes Bild, was die Bolsonaro-Anhänger hinterlassen haben" nach ihrem Sturm auf den Kongress, so ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath. 09.01.2023 | 3:33 min
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Umsetzung des Putsch-Dekrets vor allem am Widerstand des Armee-Kommandeurs Marco Antônio Freire Gomes scheiterte. Andere Generäle wiederum unterstützten den Staatsstreich.
Gab es schon vorher einen Putschversuch mit Bolsonaros Planung?
Bislang galt der 8. Januar 2023, als Bolsonaro-Unterstützer die Gebäude von Parlament, Verfassungsgericht und Regierung in der Hauptstadt Brasilia verwüsteten, als Tag des Putschversuchs. Die neusten Ermittlungen aber deuten darauf hin, dass Brasilien schon Monate zuvor am Rand eines Staatsstreichs stand, und dass der damalige Präsident selbst an dessen Planung beteiligt war.
Der Sturm tausender Bolsonaro-Anhänger auf den brasilianischen Kongress hat Empörung ausgelöst. Der Angriff erinnert an die Erstürmung des US-Kapitols vor zwei Jahren.09.01.2023 | 2:10 min
Während Bolsonaro seine verbliebenen Anhänger zum Demonstrieren aufruft, fragt man sich in Brasilien, ob demnächst Bilder von Bolsonaro in Handschellen um die Welt gehen werden.
Demokratie in Brasilien: wehrhaft oder schutzlos?
Brasiliens Demokratie wehrt sich. Man habe spät, aber gerade noch rechtzeitig erkannt, welche Bedrohung autoritäre Bewegungen darstellen, so sieht es der Jurist Davi Tangerino. Bolsonaro habe schon vor seiner Wahl antidemokratisch gehandelt, ohne Konsequenzen zu erfahren, zum Beispiel, als er sein Votum bei einer Parlamentsabstimmung einem Folterknecht aus der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur widmete. Tangerino, der einige Zeit in Deutschland geforscht hat, sieht Parallelen:
Bolsonaro selbst sagte am Sonntag, er würde verfolgt, die Putschvorwürfe hätten keine Grundlage. Der große Zulauf seiner Fans zeigt: der Bolsonarismus bleibt ungeachtet der polizeilichen Ermittlungen eine starke politische Kraft in Brasilien.
Vor einem Jahr haben Bolsonaro-Anhänger Parlament und Präsidentenpalast gestürmt. Ein Politikberater über Polarisierung und warum sich Brasiliens Wähler wie Fußballfans verhalten.