Pekings Einflussnahme in Europa:Belgien und die China-Chats
von Marie Sophie Hübner, Brüssel
Chinas Versuche, politisch Einfluss zu nehmen, beschäftigen Belgiens Staatsanwälte - während der Premier Peking besucht. Was das mit Deutschland zu tun hat.
China will Einfluss nehmen in Europa – und hat dafür den rechtsextremen Vlaams Belang in Belgien für sich instrumentalisiert, das hat eine Recherche des Spiegel aufgedeckt.15.01.2024 | 2:07 min
Recherchen von "Spiegel", "Le Monde" und "Financial Times" haben im Dezember die jahrelange Chat-Kommunikation zwischen Agenten von
Chinas Ministeriums für Staatssicherheit und einem belgischen rechtsradikalen Politiker aufgedeckt. Aber was hat das mit der deutschen Politik zu tun?
Frühjahr 2021: Der AfD-Abgeordnete Stefan Keuter stellt im
Bundestag eine Kleine Anfrage. Das ist ein Instrument der Opposition, um mit Nachfragen an die Regierung ein Thema zu setzen. Keuter geht es um die deutsche
Flüchtlingspolitik gegenüber der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. Er nennt den Fall eines Aktivisten aus Hongkong, der "selbst ausdrücklich Gewalt in der politischen Auseinandersetzung" befürworte und in Deutschland Asyl erhalten habe.
Chinas Präsident Xi Jinping und Belgiens Regierungschef Alexander De Croo am 12. Januar 2024 in Peking. Deutliche Worte ließ De Croo vermissen.
Quelle: Reuters
"AfD-Anfrage fast wortgleich in Belgien gestellt"
Keuter will von der Bundesregierung wissen: "Wie vielen Flüchtlingen aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong wurde seit den sogenannten Mong-Kok-Protesten im Februar 2016 in Deutschland Asyl gewährt?" Antwort der Bundesregierung: Insgesamt sieben.
Fidelius Schmid, einer der "Spiegel"-Redakteure, der zu den Chats recherchiert hat, sieht einen Zusammenhang zwischen dieser "völlig absurden Anfrage der
AfD" und dem Vorgehen in Belgien: "Genau diese Anfrage, das kann man auch im Chat erkennen, wurde dann in Belgien kopiert und fast wortgleich nochmal gestellt."
Belgien und die Brüder Creyelman
Deutschland als Blaupause für Belgien - und Rechtsaußen-Politiker in Chinas Diensten? Das ist das Bild, das die Chats nahelegen. In Belgien geht es um die Brüder Creyelman.
Frank Creyelman, der ältere der beiden, war Abgeordneter im Regionalparlament in Flandern für die rechtsradikale Partei Vlaams Belang ("Flämische Interessen"). In den Chats bittet ihn ein chinesischer Geheimdienstmitarbeiter, in Belgien vorzugehen wie die AfD in Deutschland. Frank Creyelman verspricht, seinen jüngeren Bruder Steven darum zu bitten, denn dieser sitzt für Vlaams Belang im belgischen Parlament. Dort stellt er im Juli 2022 eine Anfrage - sehr ähnlich zu der der AfD im Bundestag.
Als die geheime Verbindung im Dezember bekannt wird, wirft Vlaams Belang Frank Creyelman aus der Partei. Sein Bruder Steven bleibt Abgeordneter im belgischen Parlament, tritt aber als Vorsitzender des Ausschusses für Waffenbeschaffung zurück. Die belgische Staatsanwaltschaft nahm vergangene Woche Ermittlungen in dem Fall auf.
De Croo vermeidet deutliche Worte in China
Belgiens Premier Alexander de Croo steigt fast zeitgleich in Peking aus einem Flugzeug. De Croo, Mitglied der flämischen Liberalen, ist auf Staatsbesuch.
Belgien hat die EU-Ratspräsidentschaft inne, De Croo ist aber auch im Wahlkampf. Am 9. Juni, zeitgleich mit den Europa-Wahlen, finden in Belgien Parlamentswahlen statt.
Mit Beginn des neuen Jahres hat Belgien den EU-Ratsvorsitz übernommen. Das Land hat nun die Aufgabe, bei Streitthemen, wie den Ukraine-Hilfen, zwischen den EU-Staaten zu vermitteln.01.01.2024 | 1:40 min
Vor seiner Peking-Reise sagte er im Parlament: "Extremisten dienen nicht unseren Interessen, nicht denen der Belgier, nicht denen der Flamen. Sie verkaufen sie." So deutlich wurde er in China nicht.
Deutscher Forscher im Visier Chinas
Einer, der
Chinas Einfluss am eigenen Leib erfahren hat, ist Adrian Zenz. Der deutsche Anthropologe forscht zu Repressionen der Kommunistischen Partei gegen ethnische Minderheiten. 2022 hatte Zenz die "Xinjiang Police Files" veröffentlicht, die das Ausmaß der Unterdrückung in der chinesischen Provinz Xinjiang beweisen.
"Die Art und Weise, wie die kommunistische Partei Chinas im eigenen Land regiert, das schafft natürlich im Ausland Kritik und potenzielle Probleme", sagt Zenz. Der Kommunistischen Partei gehe es darum, ausländische Gesellschaften und Politiker zu beeinflussen, um ein möglichst positives Umfeld zu schaffen.
Peking strebt nach einer neuen Weltordnung, mit der Volksrepublik an der Spitze. Im Verbund mit Russland fordert China die USA heraus. Dabei zunehmend im Fokus: der globale Süden.
Anselm Stern, Peking
Auch Zenz’ Namen tauchte in den Chats zwischen Chinas Agenten und rechtsradikalen belgischen Politikern auf: "Die Chinesen haben versucht, die Debatte zu vergiften, indem sie behaupten, dass ich politisch motiviert wäre." Er habe für sich und seine Familie Konsequenzen gezogen: "Wir haben unsere Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Wir haben Kameras, Alarmsysteme."