Aserbaidschan hat nach eigenen Angaben am Dienstag mit "Anti-Terroreinsätzen" in der Region Bergkarabach begonnen. Die Einsätze richteten sich gegen armenische Militärstellungen, teilte das Verteidigungsministerium in Baku mit. Die
Türkei und Russland seien über das Vorgehen informiert worden.
Stellungen an der Front und im Hinterland, Geschützpositionen und militärische Einrichtungen würden mit Präzisionswaffen außer Gefecht gesetzt. Weitere Angaben machte das Ministerium nicht.
Laut Angaben des Menschenrechtsbeauftragten der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach) ist die Zahl der Toten am Abend auf 25 gestiegen. "Mit Stand 20 Uhr gibt es 25 Opfer, darunter zwei Zivilisten, als Folge des umfassenden Terrorangriffs durch Aserbaidschan", sagte Gegam Stepanjan. Darüber hinaus seien mindestens 138 Menschen verletzt worden.
"Antiterroroperation" gegen armenische Kräfte
Das Verteidigungsministerium in Baku sprach zur Begründung von einer "Antiterroroperation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung" in der Region.
Die Aktion sei wenige Stunden nach der Explosion einer Landmine gestartet, erklärte das aserbaidschanische Verteidigungsministerium. Aserbaidschanische Sicherheitskräfte hatten mitgeteilt, zwei Zivilisten seien auf einer Straße in Richtung der Stadt Schuscha im aserbaidschanisch kontrollierten Teil Bergkarabachs durch eine von armenischen "Sabotagegruppen" gelegte Mine getötet worden. Vier Polizisten wurden demnach später auf dem Weg zum Explosionsort bei einer weiteren Minenexplosion getötet.
Behörden in Bergkarabach: Stepanakart unter Beschuss
Mehrere Städte der Kaukasus-Region Bergkarabach sind nach Angaben örtlicher Behördenvertreter von Aserbaidschan angegriffen worden. "Im Moment stehen die Hauptstadt Stepanakert und andere Städte und Dörfer unter intensivem Beschuss", erklärte die in Armenien ansässige Vertretung von Bergkarabach im Onlinedienst Facebook. Aserbaidschan habe eine "groß angelegte Militäroffensive" gestartet.
Karte: Armenien - Aserbaidschan - Bergkarabach
Quelle: ZDF
Völkerrechtlich Aserbaidschan, mehrheitlich von Armeniern bewohnt
Das muslimische Aserbaidschan und das christlich-orthodoxe
Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die Enklave Bergkarabach und lieferten sich bereits zwei Kriege um das Gebiet. Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet leben aber überwiegend Armenier.
Nach einem Krieg Anfang der 1990er Jahre hatte zunächst Armenien die Oberhand. In einem zweiten Krieg 2020 mit mehr als 6.500 Toten siegte das mit Geld aus dem Öl- und Gasgeschäft hochgerüstete Aserbaidschan und eroberte eigenes Territorium zurück.
Armenien fühlt sich von seiner ehemaligen Schutzmacht Russland allein gelassen. Die Region Bergkarabach ist umkämpft. Aserbaidschan setzt selbstbewusst seine Interessen durch.20.06.2023 | 23:40 min
In kürzeren Militäraktionen danach besetzte Baku auch etwa 150 Quadratkilometer armenisches Staatsgebiet. Das Außenministerium von Armenien verlangte in der vergangenen Woche, dass Aserbaidschan diese Gebiete räume. Baku erwiderte, dass Armenien immer noch acht aserbaidschanische Dörfer besetzt halte.
Baku blockiert seit Monaten die Verbindung der etwa 120.000 Karabach-Armenier nach Armenien. In dem Gebiet fehlt es an Lebensmitteln und Medikamenten. Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt, während Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens an Einfluss verliert.
Baerbock fordert Ende der Militäraktion
Bundesaußenministerin
Annalena Baerbock verlangt von Aserbaidschan ein sofortiges Ende der Militäraktion in Bergkarabach. "Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren", forderte die Grünen-Politikerin.
Berg-Karabach ist seit Jahrhunderten von Armenien und Aserbaidschan umkämpft. Nach dem Krieg regiert dort tiefes Misstrauen und es gibt nur vage Hoffnung auf dauerhaften Frieden. 08.01.2021 | 16:15 min
Baerbock ergänzte: "Entscheidend ist der Schutz der Zivilbevölkerung in Bergkarabach. Dies ist auch Aufgabe der dort stationierten russischen Soldaten." Ein dauerhafter
Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien könne nur am Verhandlungstisch erzielt werden.
Baerbock erklärte, die Bundesregierung unterstütze die Verhandlungen unter Führung der
Europäischen Union. "Angesichts der heutigen Eskalation sind diese dringlicher als je zuvor." In den vergangenen Tagen habe es intensive Gespräche auch der EU und USA mit Armenien und Aserbaidschan zur Deeskalation gegeben. Die Zusage Bakus, von militärischen Maßnahmen abzusehen, sei gebrochen worden.
Quelle: dpa, AP, Reuters, AFP